Beitrag vom „Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen“ aus Hamburg zu den Kämpfen in Peru

„Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen“ Hamburg

Am 25.09.2020 fand eine Veranstaltung vom „Bündnis gegen imperialistische Aggression“ in Hamburg zu den politischen Gefangenen in Peru statt. Wir dokumentieren einen Beitrag vom „Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen.

Warum wir uns zu den Kämpfen in Peru verhalten, ist auch aus unserem Selbstverständnis „Eckpunkte gegen Repression und für Solidarität“ ersichtlich.

„Linke und revolutionäre Strukturen bekommen immer wieder Angriffe der internationalen Repressionsbehörden zu spüren. Der notwendige Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung wird mit allen Mitteln verfolgt und versucht einzudämmen … „

Trotz unterschiedlicher Postionen zu einigen politischen Vorstellungen geht es aber immer darum, ein gemeinsames Bündnis gegen Imperialismus zu bilden:

„Um, als geeinte kämpferische und revolutionäre Linke Repressionsschläge zurückdrängen zu können, müssen wir ohne ideologische Vorbehalte eine gemeinsame Position zur Aufhebung von Unterdrückungsverhältnissen auf einer solidarischen Basis herausstellen und diese als Ausgangsbasis einer gemeinsamen Praxis betrachten.“

Internationale Solidarität bedeutet für uns, selbst den Kampf im „Herzen der Bestie zu führen“ (Che Guevara).

Das Gefangenenmassaker 1986

Wir bekamen mit, dass am 18./19. Juni 1986, durch die sozialdemokratische Regierung unter Alan Garcia, in drei verschiedenen Knästen Perus ein Massaker durchgeführt wurde. Auf Befehl der Regierung haben Polizei- und Armeekräfte über 400 Kämpfer*innen der Kommunistischen Partei Perus (PCP) ermordet. Die meisten Revolutionär*innen wurden nach ihrer Gefangennahme durch Genickschüsse hingerichtet. Während des Massaker wurden die Knäste El Fronton und Lurigancho durch Marinekräfte bombardiert und vollständig zerstört. Die Gefangenen waren allerdings keine Opfer, sondern offensive Akteure, was allerdings erst viel später richtig begriffen wurde:
„Die politischen und Kriegsgefangenen waren innerhalb der Gefängnisse äußerst gut organisiert. Innerhalb der Mauern hatten sie eine Form der Selbstverwaltung der Gefangenen erkämpft. Dem wollte der alte peruanische Staat mit der angeblichen „Verlegung“ der Gefangenen in neue Hochsicherheitsgefängnisse begegnen. … Die Rebellion … (dagegen) war kein Akt der Verzweiflung, sondern eine beschlossene und geplante Aktion der KPP. Es war eine militärische Aktion mit klaren politischen Zielen. Es wurden Barrikaden gebaut, Wächter wurden mit selbst gefertigten Waffen angegriffen und überrumpelt, Gefangene genommen, die Kontrolle über die Gefängnisse errungen“ (GI 423). Das Massaker an den politischen Gefangenen wurde zu einem Zeitpunkt verwirklicht, als die seit Jahren gegen die Bevölkerung Perus durchgeführten Massenmorde, durch die Sozialistische Internationale (SI) unter der Führung von Willy Brandt mit ihrem am 20. Juni beginnenden Kongress, legitimiert werden sollten.
Der Kampf der PCP wurde als „Terrorismus“ diffamiert. Das wundert uns aber nicht, denn Brandt stand auf der Gehaltsliste von US-Geheimdiensten (Marchetti/J.D.Marks: CIA Stuttgart 1974). Er war auch Bundeskanzler (1969-1974) und jahrelang Parteivorsitzender (1964-1987) und bekämpfte die RAF mit allen Mitteln. Aus diesen Fakten wird deutlich, dass er ein wichtiger Akteur der globalen Konterrevolution war.

Reaktionen auf das Massaker

Es gab viele Flugblätter, Demonstrationen und Veranstaltungen zu diesem Morden – international wie auch bundesweit. Am 25.07.1986 griff eine militante „Kämpfende Einheit“ den Luft- und Raumfahrtkonzern Dornier an. Sie schrieben dazu:

„Die Revolutionäre Front in Westeuropa organisieren! Die imperialistische Bourgeoisie keinen Raum für ihre Herrschaft lassen! …
Was der Inhalt dieser Interventionen der EG (Vorläufer der EU) und der SI ist: Krieg gegen den Antagonismus, wie jetzt das Massaker an den gefangenen Revolutionären in Peru, die nicht kampflos die Durchsetzung von ‚europäischen Verhältnissen‘, Isolationsfolter in den Knästen, gegen die von ihnen erkämpfte gemeinsamen Strukturen hinnehmen.
Dieser Schlag, abgesprochen mit Brandt … und ausgeführt mit der politischen Unterstützung der SI ist das Scheitern ihres ‚Reformmodells‘:
‚Demokratisierung‘ der Unterdrückung.
Es ist unsere Sache, uns als Militante in diesem Krieg die Strategie, die Orientierung zu erkämpfen, unsere Schritte und Ziele zu bestimmen, die das Kräfteverhältnis hier und damit für den Widerstand weltweit verändern.
Kämpfende Einheit –
Wir nennen uns nach der Genossin, die bei dem Raketenangriff eines Kommandos der Guerilla auf die Tagung der SI in Lima ums Leben kam.“

Zusammenarbeit zwischen BRD und Peru

Am 26.02.87 besichtigte eine peruanische Delegation den Knast in Köln-Ossendorf. Es gibt dazu ausführliche Berichte von den damaligen politischen Gefangenen, Christian Kluth und Heidi Schulz. Dabei wurde konkret, dass bei der weltweiten Angleichung von Aufstandsbekämpfung die Erfahrungen der Isolation von der BRD exportiert wird.
Chris, der aus dem anti-imperialistischen Widerstand kam und 1986 mit Eva Haule (RAF) u.a. zusammen verhaftet wurde, schrieb dazu:

„Am 26.2.87 war hier im Trakt, (…) eine Besichtigung und Führung mit peruanischen Bullen. Es war interessant, dass sie die in den voll belegten Flügel gebracht haben. Es ging ihnen also darum, ihnen das lebendige Funktionieren der Isolationstechnik vorzuführen.
Es hat aber nicht so gut geklappt, wie sie sich offenbar vorgestellt haben, weil hier sofort ‚Remmidemi‘ war, obwohl wir (anfangs) nicht wussten, dass es Peruaner waren.
Mir war beim Lesen der TAZ vor kurzem einer der bombardierten Knäste aufgefallen, dass diesem Köln-Ossendorf durchaus ähnlich sah.
Diese Besichtigung ist ein Beleg dafür mehr für die Tatsache, dass der BRD-Staat die Isolationstechnik und -technologie aktuell in den Trikont exportiert, nachdem sie für die Politischen in den NATO-Staaten heute schon überall Realität ist.
Das andere ist der Zusammenhang zu den Massakern an den 450 peruanischen Kriegsgefangenen. Also es konkretisiert, dass diese Bedingungen schaffen sollte, um die überlebenden Genossen – klar, und alle zukünftigen – jetzt in den Isolationslöchern nach dem Modell bundesdeutscher Trakte zu vergraben.
Die(se) Isolationstechnik (…) soll die blutigen und offen identifizierbaren Mittel des Krieges, hier in Fortsetzung gegen gefangene Revolutionäre, durch saubere, metropolenspezfische Mittel ersetzen. Überall da, wo die alten Mittel zu einem Faktor der Polarisierung geworden sind. Einerseits die Folter – anderseits als Vermittlung nach draußen in die Kämpfe.“

Und Heidi Schulz (Gefangenen aus der RAF) schrieb dazu:

„ende februar (1987 – red.) war ja eine delegation aus peru in bonn, mit dem peruanischen justizminister. in den nachrichten hieß es, die gespräche gingen um die verstärkte zusammenarbeit bei der bekämpfung des terrorismus, und besonders würde sich der peruanische justizminister für die organisierung des deutschen strafvollzugs interessieren. […] wir wissen das ja schon lange, wie eng der austausch von erfahrungen über die widerstandsbekämpfung ist und daß das deutsche „modell“ der vernichtung von gefangenen und ihre formen der guerilla-bekämpfung überallhin exportiert wird.
die deutschen b. machen in peru auch polizeiausbildung. wenn man das dann so hautnah erlebt, wie diese peru. strafvollzugstypen auf die deutsche isolationstechnologie abfahren, diejenigen, die für die massaker an den peruanischen gefangenen auch verantwortlich sind, daran kommt es auf den boden, wie es ist, wie eng alles zusammenhängt – die angst der herrschenden um ihre macht; unsere situation hier und die der gefangenen dort; der kampf dort und der kampf hier; die gemeinsamen und sich vereinheitlichenden anstrengungen der konterrevolution, auf internationaler ebene gegen alle, die um befreiung kämpfen.
darin haben wir hier wirklich eine besondere verantwortung, das isolationsprogramm zu brechen; es wird sonst überallhin exportiert mit den 16jährigen brd-erfahrungen und militärisch durchgesetzt, wie gegen die gefangenen in peru, die gegen ihre geplante verlegung in isolationsknäste gekämpft haben.“

Austausch mit peruanischen Genoss*innen

Obwohl die peruanische Regierung zu dieser Zeit 7000 Menschen liquidiert hatte, hatte die KPP damals vor 30 Jahren Gebiete von Peru befreit, was uns stark beeindruckte. Durch Veranstaltungen kamen wir in Kontakt mit Genoss*innen aus Peru. So erhielten wir auch leichter Zugriff zu den Texten der KPP und von Abimael Guzmann (Vorsitzender Gonzalo) und begannen auch eine Diskussion zwecks Zusammenarbeit mit ihnen. So z.B. nach der Verhaftung von Abimael Guzmann, die am 12.09.92 erfolgte. Das Leben des Genossen Guzmann war schon damals in Gefahr. Nach seiner Verhaftung gab es in über 30 Ländern Solidaritätsaktionen und vier internationale Delegation nach Peru, u.a. von Anwält*innen, um das Leben des Genossen zu schützen und damit zu retten. Aus der BRD beteiligten sich auch Verteidiger*innen von Gefangenen der RAF. Wir berichteten darüber in unserer Zeitschrift „Gefangenen Info“, die damals noch „Angehörigen Info“ hieß.

MRTA (Revolutionäre Bewegung Túpac Amaru)

Mitte der neunziger Jahren nahmen wir in der BRD auch Kontakt zur peruanischen MRTA auf; Gruppe Movimiento Revolucionario Túpac Amaru. Bekannt wurde die MRTA vor allem dadurch, das sie am 17. Dezember 1996 die Residenz der japanischen Botschaft in Lima besetzte. Das Kommando forderte die Freilassung von ihren schwer gefolterten inhaftierten Mitgliedern. Am 22. April 1997 stürmte die Armee von Präsidenten Fujimori die japanische Botschaft und ermordete alle Mitglieder des Kommandos. Darauf folgte die Kriminalisierung des MRTA-Europavertreters Isaac Velazco aus Hamburg. Am 5. Mai 1998 wurde seine Wohnung in Hamburg durchsucht. Die Bundesanwaltschaft (BAW) warf Isaac vor, von Hamburg aus die Besetzung der japanischen Botschafterresidenz in Lima geplant zu haben. Isaac Velazco lebte hier damals schon seit vier Jahren als anerkannter politischer Flüchtling. Konkret wurden ihm Äußerungen zur Last gelegt, die er in einem CNN-Interview unmittelbar nach dem Sturm auf die Botschaft, sowie in zwei im „Angehörigen Info“ abgedruckten Interviews, gemacht haben soll.
Gegen die presserechtlich Verantwortlichen des „Angehörigen Info“ (AI) wurde ein Verfahren wegen Billigung von Straftaten eingeleitet. Grundlagen dieses Verfahrens sind ein Kommuniqué der MRTA, ein nachgedrucktes Radiointerview mit Norma Velazco, eine Liste mit den Namen schwerkranker Gefangener in den Gefängnissen Perus, sowie eine Zusammenstellung von Artikeln über den Terror des Fujimori-Regimes.
Isaac und auch das „AI“ wurden von der Klassenjustiz angegriffen, weil sie unzensierte und authentische Informationen der Unterdrückten und Kämpfenden aus Peru in die Öffentlichkeit lanciert hatten. Diese Nachrichten waren ein Angriff gegen die imperialistische Mediensperre, die nur die Sicht der Herrschenden abbildete. Das Verfahren gegen unsere Zeitschrift wurde eingestellt und ebenso später auch das gegen Isaac Velazco. Ermöglicht wurde dies durch die zahlreiche Solidarität.

Bündnisse für eine Perspektive

Heute gibt es in Hamburg eine fundierte Zusammenarbeit mit maoistischen Kräften. Aufgrund der Isolation, seit seiner Festnahme im Jahre 1992 und seinem Alter von 85 Jahren, ist das Leben von Abimael Guzmann weiterhin stark gefährdet. Es bedarf deshalb großen Anstrengungen, für seine Freilassung zu kämpfen!
Praktisch drückt sich das so aus: Gemeinsame Teilnahme an Demonstrationen und Veranstaltungen wie z.B. gegen G20, oder für den 1. Mai oder den 18. März, den Tag der Politischen Gefangenen oder konkret durch diesen Beitrag hier auf dieser Veranstaltung. Der Zusammenschluss von unterschiedlichen ideologischen Gruppen, zwecks einer solchen Aktionseinheit, ist nicht alltäglich. Aufgrund der politischen Schwäche und Desorientierung der radikalen Linken haben Abgrenzung und damit Handlungsunfähigkeit Hochkonjunktur.
Es gab aber in den Jahren 1971/72 in Hamburg schon einmal so eine ähnliche Zusammenarbeit, wie das HAZ (Hamburger Aktionszentrum), welches ein anti-revisionistisches und revolutionäres Bündnis von maoistischen und anarchistischen Zusammenhängen war. (GI 431)

Auch heute können viele Fragen nur gemeinsam angepackt werden:

  • Wie kann heute revolutionäre Bündnispolitik aussehen?
  • Was bedeutet heute proletarischer Internationalismus?
  • Wie können wir wieder ein wichtiger Faktor für die Befreiung aller hier werden, um das imperialistische Zentrum politisch zu erschüttern und zu zerstören!

Ausblick:

Wir haben versucht aufzuzeigen, dass das gemeinsame Agieren mit Kräften z.B. aus Peru was bewegen kann! Wir kämpfen momentan im Herzen der Bestie erst einmal als kleine radikale Minderheit für eine freie und kommunistische Gesellschaft. Erst einmal sind wir noch Wenige, aber das heißt nicht, das es ewig so bleiben wird.
Venceremos!!!