Brief von Oskar Barreasos Diaz aus Cadiz vom 13. Mai 2021

Vor 24 Jahren hat die spanische Polizei mich wegen meines Aktivismus in der Organisation ETA verhaftet, gefoltert und inhaftiert.
Seitdem bin ich im Gefängnis.
Die Frage, warum ich immer noch im Knast bin, obwohl die ETA sich aufgelöst hat, kann ich recht verstehen.
Dazu gibt es zwei einfache Antworten. An erster Stelle, weil die ETA, als sie sich selbst aufgelöst hat, dies bedingungslos gemacht hat.
D.h., die Verantwortlichkeit für die Gefangenen auf die baskische Bevölkerung hinterlegend, hat sie davon nichts weiter wissen wollen.
An zweiter Stelle, weil der spanische Staat an unserer Weiterinhaftierung großes Interesse hat.
Einerseits aufgrund reinen Rachegeistes, wegen einer Art von inquisitorischer Mentalität, die nie überwunden worden ist.
Andererseits als Warnung oder Lehre im Hinblick auf die Zukunft, besonders auf die der jungen Generationen.
Obwohl die ETA auf die Bekämpfung verzichtet und die politische Bewegung darum eine reformistische Strategie angenommen hat, hat die Situation sich nicht geändert, ganz im Gegenteil ist sie seitdem verschlechtert worden.
Und nicht nur im Baskenland, sondern im gesamten spanischen Staat ist die Lage auf allen Ebenen ganz explosiv.
Bewusst der Risiken für die Stabilität und seine Kontinuität selbst, will der Staat uns benutzen, um die Furcht und die Demoralisierung auszubreiten.
Deshalb ist es mehr nötig denn je, dass wir die Standarte der revolutionären Würde weiter erheben, dass wir die Notwendigkeit des Organisierens betonen und die Gültigkeit des Bekämpfens verteidigen.
Auch hier drinnen hat sich die Lage kaum geändert.
Der einzige Unterschied ist, dass wir heutzutage alle aus der Isolierung herausgebracht worden sind.
Nach dem Verzichten auf die Bekämpfung haben manche Gefangene (leider die Mehrheit, ehrlich gesagt) den Weg der Reue aufgenommen.
Für diese haben sich die Haftbedingungen ein bisschen verbessert.
Doch für die anderen, die unser revolutionäres Engagement und die Gültigkeit der Bekämpfung weiter verteidigen, die unsere Eigenschaft als politische Gefangene und die entsprechenden Rechte weiter verlangen, ist die Haftsituation die Gleiche wie immer.
Wir sind am strengeren Grad klassifiziert.
Alle Aktivitäten, die das Gefängnis veranstaltet, sind für uns verboten.
Unser Alltag besteht aus Zelle und Spazierhof, Spazierhof und Zelle; und die einzigen Aktivitäten, die wir entwickeln dürfen, sind solche, die wir auf eigene Faust machen können – wie z.B. eine Fremdsprache lernen.
Unsere gesamte Kommunikation wird beschränkt und abgehört.
Und das Wichtigste: Wir sind weiter zerstreut, d.h., weit weg von Familie und FreundInnen.
Vor kurzem hat die Regierung angefangen, Gefangene dem Baskenland näher zu bringen.
Aber nicht einmal die, den Weg der Reue aufgenommenen, Gefangenen werden in Gefängnisse verlegt, die im Baskenland selbst liegen, sondern in solche, die in der Nähe des Baskenlands stehen.
In diesem Gefängnis hier befinden sich sechs Genossen – ein spanischer Genosse von PCE(r) (1) und fünf Basken.
Hier sind wir 1000 Kilometer weit entfernt von unseren Häusern.
Das ist besonders einschneidend, da es nicht nur eine Bestrafung für uns bedeutet, sondern auch für unsere familiäre und soziale Umgebung – noch einmal die inquisitorische Mentalität, unsere gesamte Umgebung sei verantwortlich für unsere „Sünde“.
Doch weder ihre grausame Bestrafung noch ihre schäbige Erpressung wird es schaffen, dass wir auf unser Engagement für die Freiheit und gegen jegliche Unterdrückung verzichten.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um eine revolutionäre Umarmung für alle FreiheitskämpferInnen der Welt zu schicken.
Die Revolution ist weise, der Kampf ist der Weg.
Jo ta ke!(2)

Oskar Barreras Diaz
C.P. Puerto – III
Carretera Jerez-Rota, km 6
11500-Puerto Santa Maria
Cadiz
Spanien

Nachtrag: Oskar hat wurde in der Zwischenzeit verlegt, seine neue Adresse lautet:

C.P. Logroño
Camino, Calleja Vieja, 200,
26006 Logroño
La Rioja

(1) PCE(r) reorganisierten Kommunistischen Partei Spaniens. Ist eine illegale Partei und mit der spanischen Stadtguerilla Grapo (Gruppen des antifaschistischen Widerstands des 1. Oktober) politisch verbunden.
(2) Ist baskisch und heißt wörtlich “Schlagen und Rauch”, besser: “Feuer und Flamme”. Wird bei vielen baskischen Demos gerufen zu verschiedenen Themen (Gefangene, Hausbesetzung). Manchmal auch: Jo ta ke – irabazi arte! (Feuer und Flamme – Bis zum Sieg)