Aus einem Brief von Emanuele De Maria

Wir haben einen Brief von Emanuele De Maria aus einem Knast in Neapel erhalten und drucken diesen in Auszügen ab. Es ist eine Übersetzung aus dem Englischen.

14.03.2021

Lieber …,

mit einem großen Gefühl von Interesse und Solidarität habe ich die Ausgaben des Gefangenen Infos gelesen. Mein Name ist Emanuele De Maria. Ich bin 30 Jahre alt und und nahezu 3 ½ Jahre im Gefängnis. Verhaftet wurde ich 2018 in Deutschland, mit einem Europäischen Haftbefehl. Nach ein paar Monaten in einer deutschen Gefängniszelle wurde ich nach Neapel ausgeliefert, nachdem ich ein paar Tage im Rebiba-Gefängnis in Rom war. Im Centro Penitenziario von Secondigliano hatte ich das Vergnügen Andreas Krebs zu treffen. Wir kennen uns seit fast drei Jahren, nach seinem Selbstmordversuch war ich mit Andreas über fünf Monate in einer Zelle, nachdem er 2019 aus dem Krankenhaus zurück kam. Ich sprach mit ihm, erklärte und ließ ihn wissen, dass er stark bleiben müsse und entschied deshalb mit ihm eine Zelle zu teilen. Leider verschlechterte sich seine physische und mentale Situation mehr und mehr bis dahin, dass er nicht mehr laufen konnte … für mich war es das Zeichen, dass ich Handeln muss. In dieser Nacht verweigerte ich meine Zelle zu betreten und begann die Wärter verbal zu bedrohen. Ich wusste, dass ich eine Grenze überschritten hatte, in dem ich rebellierte, aber ich war auf die eventuellen Konsequenzen vorbereitet. Und mit Konsequenzen meine ich, dass sie dich auf den Boden bringen und so lange schlagen können wie sie wollen, es sind du und der „Lord“ … Wie ihr bereits wisst wurde Andreas in dieser Nacht ins Krankenhaus gebracht.

Als ich ein paar Monate später morgens im Bett lag, fühlte ich mich nicht gut. Nachdem der „Arzt“ nach 2 ½ Stunden kam, entschied er, dass der Krankenwagen mich in die Gefängnisabteilung vom Krankenhaus Cordarelli in Neapel bringen sollte. Sie bestätigten eine Bauchspeicheldrüsenentzündung, ich hatte Amylase (Bauchspeicheldrüsenenzyme) bei fast 300 (80 ist das Maximum abhängig von der Methode der Laboruntersuchung). Ich schüttelte dem Sensenmann die Hand, doch ich sagte mir selber stark zu bleiben und weiter zu kämpfen, für meine Frau und meine vierjährige Tochter, die in den Niederlanden leben. Ich wurde für zwei Monate ins Krankenhaus gebracht, sie schließen mich 24 Stunden am Tag ein, sie gaben mir nur 0,5 l Wasser (das Leitungswasser ist nicht trinkbar). Besuch von der Familie war nicht erlaubt und als wäre das nicht genug, gab es einen täglichen Kampf mit den inkompetenten Wärtern und ihrer Arroganz. Nach 17 Tagen fasten und pharmazeutischen Lösungen, stabilisierte sich meine Bauchspeicheldrüse wieder und ich begann Schritt für Schritt mit dem Essen. Nach fast zwei Monaten klinischer „Heilung“ wurde ich in das Gefängnis Secondigliano zurück geschickt. In meine Krankenakte schrieb der Arzt, dass ich einen absoluten Wechsel zu einer Ballaststoff-Diät machen solle, um eine Bauchspeicheldrüsenentzündung zu vermeiden. Nichtsdestotrotz muss ich mit meiner Krankheit leben, denn sie haben nie berücksichtigt mir spezielle Medizin oder Essen zu geben. Nach ein paar Monaten der Zankerei habe ich jede Art von Kontakt abgelehnt. Ich schloss die Tür für jede Form von Dialog. Ich erkläre einmal, dass die alle zur Hölle gehen können, auch die Universität, welcher ich drei Jahre gefolgt war. Dieses Verhalten von mir resultierte darin, dass sie mich in die Abteilung der Krankenstation des Secondigliano Gefängnisses brachten.

Das ist nur ein Funke einer der Realitäten innerhalb des italienischen juristischen Systems. Ich würde nicht genug Papier und Tinte haben, wenn ich wirklich anfange meinen Mund zu öffnen. Der Grund warum ich an eure Zeitschrift Gefangenen Info schreibe ist, weil ich aus tiefstem Herzen danke möchte, die Stärke der Menschen, welche die gleichen Ideologien für die Leute hinter Gittern unterstützen. Ich habe Briefe und Postkarten bekommen von … , … und … . Und es gibt kein Wort im Wörterbuch dafür, welche Emotionen ich gefühlt habe, als ich die Solidarität durch einen einfachen Brief bekommen habe. Ich habe allen zurück geschrieben und hoffe aufrichtig, dass jede/r von ihnen meine Briefe erhalten hat.

[…] Italien […] mit seiner mittelalterlichen Mentalität und Geisteshaltung ist 50 Jahre hinterher, ignorant im Denken und böse in den Gesten. Versteh mich nicht falsch, ich bin Italiener, aber ich habe über 25 Jahre in den Niederlanden gelebt, wo sie mich andere Werte und Prinzipien gelehrt haben. Seit ich in Italien im Gefängnis bin und besonders in Neapel, muss ich sagen, dass sie niemals von einem Stück Papier namens Verfassung gehört haben, und wenn du ein gesundheitliches Problem hast, so wie meins oder Andreas, helfen sie dir nicht mit dem Kauf von Basis-Medikamenten oder Nahrungsmitteln. Das einzige was ich zu denen sagen kann, die diesen Brief lesen, Gefangene, Anarchisten, Menschen die unterschiedliche politische Ideologien unterstützen und alle anderen, ist das, wenn eine rechtliche Institution nicht in der Lage ist einen Gefangenen frei zu kaufen und ihm das das Licht zu zeigen, und statt dessen ihn noch tiefer in die Dunkelheit wirft, begeht sie ein größeres Verbrechen, als die Person, die verhaftet und ins Gefängnis gesteckt wurde.

Ich bewundere vieles von dem was ihr für die Menschen hinter Gittern auf der ganzen Welt getan habt und tut, es zeigt wie rein ihr seid. Ich möchte allen danken die mir geschrieben haben und wenn ihr das Gefühl habt meine Erlaubnis zu haben, meinen Brief zu veröffentlichen. Ich würde es zu schätzen wissen, wenn mir jemand einen Brief schreibt. Man kann mir außerdem in der deutschen Sprache schreiben, ich spreche und lese Deutsch, ich habe nur Schwierigkeiten mit dem Schreiben, wegen der Grammatik. Ich spreche außerdem Niederländisch, Englisch, Kroatisch und natürlich Italienisch.

Ich wünsche euch alles Gute
Emanuele De Maria

Emanuele De Maria
Via Roma verso Scampia no 250
cap 80144 Napoli-Secondigliano
Infermeria Centrale 4 sez-st 10