Interview mit Gianfranco

Gianfranco Castellotti, il veterinario di 53 anni in stato di fermo a Istanbul, dopo il blitz della polizia turca all'interno del circolo culturale Idil, 5 Ottobre 2018. ANSA

Redaktion

Während unserer Teilnahme an der internationalen Prozessdelegation im Rahmen der Prozesse gegen die Anwälte des Volkes Anfang September in der Türkei lernten wir Gianfranco kennen. Ein italienischer Antiimperialist, der sich stets solidarisch gerade mit den Kämpfenden in der Türkei zeigt. So beteiligte er sich auch an der internationalen Prozessdelegation zur Unterstützung der Grup Yorum Gefangenen, denen seit Anfang Oktober der Prozess gemacht wird. Im Zuge der internationalen Solidarität kam es zu Razzien und Festnahmen, wobei u.a. Gianfranco und weitere türkische Genossinnen und Genossen verhaftet wurden. Im Zuge dessen wurde auch das Idyl Kulturzentrum durchsucht und beschädigt. Nach seiner Freilassung am 11. Oktober hatten wir die Möglichkeit ein schriftliches Interview mit ihm zu führen, welches ihr nun im Folgenden lesen könnt.


Hallo Gianfranco, am 3. Oktober begann ein weiterer Prozess gegen Mitglieder der türkischen revolutionären Band Grup Yorum. Wie bereits bei dem Prozess gegen die Anwälte des Volkes wurde zu internationalen Prozessbesuchen aufgerufen. Du bist diesem Aufruf gefolgt und wurdest am 4. Oktober zusammen mit 8 Mitgliedern von Grup Yorum nach einem Übergriff der Polizei auf das Kulturzentrum Idyl verhaftet. Kannst du uns kurz die Situation schildern?

Hallo Freunde! Zuerst möchte ich meinen Dank für eure Solidarität und Unterstützung mir und den anderen Genossen gegenüber aussprechen. So etwas ist unschätzbar!
Am morgen des 4. Oktober war ich im Idyl Kulturzentrum in Okmeydani und trank eine Tasse türkischen Kaffee. Ich wartete, dass wir zum Gericht gehen, mit den anderen Freunden. Plötzlich, es war so gegen 10.00 Uhr, stürmte die sog. „Anti-Terror-Polizei“ das Kulturzentrum und griff uns an. Dutzende von Polizisten kamen mit Waffen in ihren Händen herein, die meisten von denen trugen Sturmhauben. Wir wurden unmittelbar gefesselt und ins Krankenhaus gebracht, um unsere Verletzungen zu checken.
Draußen auf der Straße: gepanzerte Fahrzeuge (Räumpanzer, Wasserwerfer,…) und Helikopter in der Luft. Sie belästigten die Nachbarschaft für mehrere Stunden um Angst zu verbreiten. In dieser Zeit zerstörten die Polizisten viele Sachen im Inneren des Zentrums. Zumindest wurden wir zum Schluss mit einem Polizeibus ins Krankenhaus gefahren. Und danach wurden wir zur „Anti-Terror-Polizeistation“ gebracht. Ich wurde umgehend von meinen Genossen separiert. Ich wurde nach oben zum Verhör gebracht. Nach zwei oder drei Stunden kam ich ins Gefängnis, auf der Polizeistation in Ferrikoy. Acht Tage war ich da.

Mit welchem Grund oder besser gesagt, unter welchen Vorwand hat dich die Polizei festgehalten?

Es gab keine konkreten oder offiziellen Anschuldigungen gegen mich. Nichts dergleichen. Nur ein Polizeioffizier der „Anti-Terror“ Einheit sagte zu mir, „Du bist ein Mitglied der DHKP-C, wir werden dich sofort ins Gefängnis schicken.“
Aber jeden Tag aufs Neue sagten die Kommissare der Polizeistation zu mir und meinen Anwälte: „Du bist ein Gast hier. In ein paar Tagen wirst du in dein Land gebracht mit einem Einreiseverbot für die Türkei!“
Ja, ein Gast! Soviel über die Ziele. Diese „wunderbare Anti-Terror Operation“ wurde für den türkischen Mainstream gemacht. Ich denke, TRT (anm. d. Red.: Bezeichnung der Anti-Terror-Polizei) wollte der Öffentlichkeit zeigen, dass „Menschen im Idyl Kulturzentrum verhaftet wurden, die eine bewaffnete Aktion geplant hatten.“
Genau zur selben Zeit (bleibt aufmerksam) war der Grup Yorum Prozess und die Anwälte wurden im Gericht verhaftet. Das war ein Bild der tiefen Schwäche des türkischen Regimes. Vielleicht ein Zeichen der internationalen Solidarität. Vielleicht auch etwas anderes…

Du warst fünf Tage im Hungerstreik. Wie hat sich dein Hungerstreik entwickelt?

Ich habe mich für diese Widerstandsform entschieden um gegen die Entscheidung mich zu deportieren, zu protestieren und natürlich in Solidarität mit den anderen GenossInnen, die verhaftet wurden. Ich nutzte nur Wasser, Salz, Zucker, Zitronen. Es gab keine Möglichkeit Tee zu trinken. Die Polizei war wütend, aber meine Freunde im Gefängnis schützten mich. Ich beendete meinen Hungerstreik, als alle meine Freunde aus der “Anti-Terror” Polizeistation kamen.

Wie waren deine Haftbedingungen und hattest du Kontakte zu den Genossen, die mit dir verhaftet wurden?

Ich war in einer Zelle mit fünf migrantischen Arbeitern. Manchmal in einer Isolationszelle (Foto) mit jeder Menge Blut an der Tür, auf dem Fußboden, an der Wand. Dort gab es kein Bett, sondern nur ein Stuhl. In der ersten Nacht schlief ich auf dem Boden.
Wir mussten sehr lange warten und „Polizei, Polizei, Polizei“ schreien um mal auf die Toilette gehen zu dürfen. Ich selbst war keiner körperlichen Folter ausgesetzt, aber dafür jede Sekunde psychologischem Druck. In der Zelle brannte das Licht 24 Stunden am Tag, ebenso die Videokamera. Keine Fenster. Ein Raum von 2×3 Meter. Sechs Menschen und vier Betten.

Wie war/ist die Situation der anderen Gefangenen?

Manche von ihnen kamen nach wenigen Tagen in den Gewahrsam (gemäß dem türkischen Gesetz für Massenverhaftungen), wenn wir denn von Gerechtigkeit in der Türkei sprechen können. Die anderen wurden einem Richter vorgeführt. Der Richter wiederum schickte sie ins Gefängnis. Die-se Genossen wurden heftig gefoltert. Sie waren vier Tage auf der “Anti-Terror-Polizeistation”. Nicht in Ferrikoy wie ich. Ich war nur ein „Gast”, wartend auf mein Schicksal: Freiheit, Deportation, Gefängnis. In den Händen des türkischen „Gesetzes“. Zum Schluss entließen sie mich ohne konkrete Anschuldigungen oder Verbote. Für meine Anwälte eine sehr seltsame Situation. Ist vorher nie passiert.
Ich möchte gern meinen herzlichsten Dank an meine türkischen Anwälte #HHB und#CHD senden. Jeden Tag waren sie mit mir. Und auch ein speziellen Dank an den italienischen Anwalt von Giuristi Democratici.

Danke Genossen

Kämpft weiter

Gian