Aus einem Brief vom 22. Juni 2017 über Probleme der Gefangenenorganisierung
Musa Aşoğlu
Lieber …, an Yusuf (Taş) habe ich drei Briefe geschrieben. Adressiert nach Hohenasperg. Meine letzte Sendung vom 2. Juni kam mit der Begründung zurück, sie sei nicht auf Deutsch verfasst worden. Inzwischen habe ich seine neue Adresse in Freiburg von einem Brieffreund erfahren.
Kürzlich habe ich einen langen Artikel von der Gefangenengewerkschaft (GG/BO) in der „jungen Welt“ gelesen. Leider habe ich auf Grund meiner unvollständigen Deutschkenntnisse nicht alles verstanden. (Inzwischen hat er auch einen türkischen Text von der GG/BO erhalten.) So wie ich es verstanden habe, ist die Ausbeutung und die damit verbundene geringe Bezahlung durch die Knastindustrie der Gefangenen ein wichtiger Ansatzpunkt, sich als Betroffene dagegen zu organisieren.
Aber für einige Inhaftierten bedeutet Arbeiten im Gefängnis auch ein kleines Stück Freiheit, da sie ihre Zelle deshalb verlassen können. Zusätzlich benötigen viele Eingesperrte Geld, da sie keine Unterstützung von Familie und FreundInnen erhalten. Viele soziale Gefangene sammeln deshalb auf Grund dieser materiellen Not Zigarettenreste vom Boden auf.
Sich gegen diese kapitalistischen Verhältnisse zu wehren ist wichtig, aber es müssen weitere Missstände thematisiert werden. Die GG/BO oder ein Kollektiv müssen alle anstehenden aktuellen und konkreten Probleme im Knast zum Punkt machen. Für die Weggesperrten geht es auch um weitere Kontakte, damit meine ich eine Vernetzung nach draußen mit den Angehörigen, Bekannten, AnwältInnen, ÄrztInnen, PsychologInnen usw.
Bewusstseinsveränderungen können nicht nur von außen in die Knäste getragen werden, sondern das müssen die Betroffenen auch selbst in die Hand nehmen.
Aber lass uns beim Besuch noch mal drüber reden.
Revolutionäre und liebe Grüße,
(Anmerkungen: Musa ist dreiundzwanzig Stunden isoliert in seiner Zelle und beim einstündigen Hofgang.)