Solidarität mit RAZ, RL, radikal – von „wir sind alle 129a“ zu „getroffen hat es einen, gemeint sind wir alle“

 

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen

Wenn sich eine Sache so lange zieht, dann gibt es viel Wirrwarr, was zu der Frage führt, was denn aktuell angeklagt ist? Erst §129a, dann §129, letztendlich Brandstiftung, aber wieso? Die Revolutionären Aktionszellen (RAZ) sind laut Ermittlungsbehörden eine Nachfolgeorganisation der militante gruppe (mg). Die mg, ehemals eingestuft als inländische terroristische Vereinigung (§129a StGB), wurde im Jahre 2007 vom Bundesgerichtshof, mangels Potential „die Bundesrepublik erheblich zu schädigen“, zu einer kriminellen Vereinigung (§129 StGB) herabgestuft. In der Konsequenz wurde im Nachfolgeverfahren 2009 gegen die RAZ unter §129 StGB ermittelt. Nun 2021, in der Anklage vor Gericht, bleibt grob gesagt noch Brandstiftung in drei Fällen.

Die juristische Einschätzung kletterte damals in den Keller herunter. Das ist allerdings schon über zehn Jahre her. Eine gegenteilige Tendenz lässt sich in den jüngsten Ermittlungsverfahren gegen Antifaschist:innen erkennen, welche nun doch „Terrorist:innen“ sein sollen. Tja, der Kampf gegen den Faschismus in Deutschland war noch nie besonders leicht … An dieser Stelle senden wir solidarische Grüße!

Es begann also mit einem Organisationsdelikt, dafür braucht man mindestens drei Leute und in diesem Fall waren es sogar mehr. Erst hat es viele getroffen und jetzt wurde einer angeklagt, gemeint sind trotzdem alle. Warum nur einer? Diese Frage wird uns oft gestellt. In der Verfügung des verantwortlichen Staatsanwaltes heißt es im Fachjargon „Die durchgeführten Ermittlungen haben nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit zu der Feststellung geführt, dass ein strafbares Verhalten der Beschuldigten vorliegt“. Das bedeutet, fast ein Jahrzehnt Ermittlungen ohne Erfolg. Relativ willkürlich scheint diese Einschätzung trotzdem. Wir können nur über die Strategie der Gegenseite spekulieren, tun wir aber nicht. Wichtiger ist uns zu sagen – alle für einen und keiner bleibt allein!

Zurück zum Schwerpunktthema dieser Ausgabe. Unseren langjährigen Abonnent:innen werden die Kürzel RAZ und RL noch ein Begriff sein, da wir seit dem Bekanntwerden der Ermittlungen 2013 laufend darüber berichteten. Durch den kürzlichen Beginn des Gerichtsverfahren in Berlin, ist die Zeit gekommen das Thema erneut in die Öffentlichkeit zu bringen.

Chronologien der Repression

Wir befassen uns also folgend mit der staatlichen Repression und führen aus was passierte, in einem zusammenhängenden Zeitstrang, in Korrelation zu den militanten Aktionen und gespickt mit für euch hoffentlich interessanten Zusätzen.

2009 Neuentwicklung im Bereich der Militanz und Reaktivierung der BAW

Los geht‘s – Die radikal Nr. 161 erscheint nach mehrjähriger Pause im Juli 2009, mit einem neuen Reaktionskollektivs, der RL und die Bundesanwaltschaft (BAW) beschließt eine neue Ermittlungsakte nach §129 StGB anzulegen. Anlass der aufgenommenen Ermittlungen im September des selben Jahres sind u.a. die zwei in der Zeitschrift veröffentlichten mg-Texte.

30. Dezember 2009, „Gasaki“ meets Job-Center der Agentur für Arbeit in Berlin-Wedding, Parole „RAZ“ und „Klasse gegen Klasse“ sprechen für sich.

4. Februar 2010, das Haus der Wirtschaft bekommt einen Brandschaden und als Gruß die radikal 162 sowie ein gesprühtes „RAZ“ mit Hammer und Sichel.

Februar 2010 radikal Nr. 162 erscheint

Im Mai 2010 werden die Ermittlungen erstmalig gegen vier namentlich benannte Personen geführt. Ausgewählt wurden die damaligen Beschuldigten u.a. wegen ihrer Zugehörigkeit zur „militanten linksextremistischen Szene“, diese Erkenntnis speiste sich aus polizeilichen Erkenntnissen sowie nachrichtendienstlichen Erkenntnissen, welche der Verfassungsschutz proaktiv lieferte. Klar zeigt sich hier, dass einzelne der Betroffenen schon vorher mittels G10-Maßnahmen überwacht wurden (Artikel 10 des Grundgesetzes garantierte Brief, Post und Fernmeldegeheimnis. Das „G10 Gesetz“ zur Einschränkung des Artikels 10 GG entstand im Zuge der Notstandsgesetze 1968. Es regelt die Befugnisse deutscher Nachrichtendienste zur Einschränkung dieses Grundgesetzes). Polizeiliche Maßnahmen werden anschließend beantragt, welche Observationen, Überwachung von Telefon- und Email-Kommunikation, sowie Videoüberwachung der Hauseingänge beinhaltet. Die Dauer solch einer Anordnung beläuft sich in der Regel auf drei Monate und wird im Laufe der Zeit permanent verlängert werden und sich in den Folgejahren auch auf weitere Personen erstrecken.

Im Sommer 2010 erscheint dann die radikal Nr. 163 und zum Winter hin erfolgt am 18.11.2010 eine militante Aktion gegen das Bundesinnenministerium.

Im September 2010 wird eine weiter Personen in den Kreis der Beschuldigten aufgenommen.

Im März 2011 werden Briefe mit beigelegten Patronen an die Extremismusforscher Uwe Backes und Eckhard Jesse, an den Bundesanwalt Rainer Griesbaum und den Innenminister Hans-Peter Friedrich versendet.

Am 27. April 2011 erfolgen zwei weitere militante Aktionen in Berlin – eine gegen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die andere gegen das Amtsgericht Wedding. Im Herbst 2011 erscheint dann die radikal 164.

Die fünfte und bis dahin letzte Ausgabe unter dem Reaktionskollektiv RL, die Nr. 165 der radikal, erscheint im Jahr 2012.

Im Dezember 2012 wird die Liste der Beschuldigten abermals um einen und im April 2013 um weitere drei Menschen ergänzt. Ausschlaggebend ist auch hier ein vom Verfassungsschutz verfasstes Behördenzeugnis, welches vermeintliche Tatsachen aus verdeckten Bespitzelungsmaßnahmen an die Polizei übermittelt und die zusätzliche Überwachung dieser legitimiert.

2013 – Der Sprung in die Öffentlichkeit

Im Jahr 2013 entscheiden sich die Ermittlungsbehörden dafür, mit einer groß angelegten bundesweiten Durchsuchungsaktion am 22. Mai, das Ermittlungsverfahren öffentlich zu machen. Es richtet sich mittlerweile gegen neun Personen. Unter den 21 an diesem Tag durchsuchten Objekten befanden sich Privatwohnungen der Beschuldigten oder ihrer Angehörigen, Garagen, Infoläden, Büros und Arbeitsstellen.
Mitgenommen wurde alles was elektronisch ist, ob Drucker, Festplatte oder Handy. Von Interesse waren auch Bücher, Papiere, Handschriftliches und alles was nicht zugeordnet werden konnte und gegebenenfalls verdächtig erschien.
Olli, einer der Beschuldigten, der sich zu diesem Zeitpunkt im Offenen Vollzug befand, wegen einer Verurteilung im mg-Verfahren, bekommt ebenfalls eine Zellenrazzia und wird bis zum Ende seiner Haftzeit im geschlossenen Vollzug eingesperrt. Im September 2014 wird er aus der Haft entlassen.
Im Anschluss erfolgte eine ausführliche Auswertung der Beschlagnahmten Gegenstände und es folgen weitere „Durchsuchungen“ bei Mailprovidern um an weiteres Material zu gelangen.
Auch der Verfassungsschutz wurde in den Folgemonaten auf der Straße aktiv und belästigte Angehörige und Bekannte von Beschuldigten mit Anquatschversuchen.

Gegen die Datensammelwut

Weil es eine DNA-Spur an einem Stück Papier gab, welches bereits im Rahmen einer Observation im April 2011 aus einem Mülleimer gefischt wurde, sollten mit richterlichem Beschluss von Juni 2013 alle männlichen Beschuldigten, deren DNA nicht bereits offiziell gespeichert wurde, diese abgeben. Aus Protest und als Ausdruck der Unversöhnlichkeit mit der Klassenjustiz entschieden sich einige von ihnen nicht „freiwillig“ zur Polizeiwache zu gehen um das dortige Datenmonster zu füttern und kamen der Aufforderung nicht nach. Die widerständigen Genossen wurden dann im Zeitraum Ende 2013 bis Anfang 2014 von der Polizei abgeholt und zur DNA-Abgabe gezwungen. Erwähnenswert ist noch, das 2010 bereits versucht wurde DNA zu sammeln, indem einerseits eine auf den Boden geschmissenen Zigarette aufgesammelt wurde und andererseits beantragt wurde, eine im Rahmen einer Polizeikontrolle erfolgten Blutentnahme als DNA-Probe zu verwenden (beide Anträge wurden Ende 2010 vorerst zurück genommen).

Der Staat schickt Grüße

Im selben Zeitraum, um Weihnachten 2013 herum, gab es besondere Geschenke für Bekannte, Angehörige und Freund:innen der Beschuldigten. Die BAW und der VS verschickten Briefe an Drittbetroffene von ihren Überwachungsmaßnahmen. Die Vielzahl der verschickten Briefe zeichnete ein deutliches Bild der umfangreichen Überwachung.

Der zweite Juni 2014

An diesem Tag traf uns der schwerste Schlag dieser Zeit, wir verloren unsere Mitstreiterin, unsere Freundin, Schwester und enge Genossin im Kampf und auf dem Weg in eine bessere Welt. Alex hat uns verlassen, indem sie sich das Leben nahm. Es gab viele Faktoren die dazu führten, dass es ihr immer schlechter ging und der Repressionsdruck war ein gewichtiger Faktor. Wir haben es nicht geschafft ihr diese Last abzunehmen, damit sie ein freies Leben haben kann. Es ist aber auch das ganze herrschende System, wie es die Gesellschaft kaputt macht, wie es die Menschen und das soziale Miteinander kaputt macht und den Druck zu groß werden lässt.
Die Ausgabe 386 vom Juli/August 2014 des Gefangenen Info würdigten wir ihr und ihrem Leben. Alex bleibt unvergessen!

August 2014 – eine Trennung

Das Ermittlungsverfahren gegen sechs Beschuldigte wird im August 2014 abgetrennt und unter einem neuen Aktenzeichen, weiterhin nach §129 StGB, geführt. Hier ließ sich schon vermuten, dass es keinen großen Gerichtsprozess gegen alle geben würde. Aufgrund der Informationslage war es jedoch damals noch nicht klar.

2015 und 2016 Polizeiliche Zeugenvernehmungen und ein Ende der Ermittlungen?

Anfang 2015 macht das BKA eine Rundreise und nimmt sich Zeit um bei einigen Leuten an die Haustür zu klingeln, um ihnen persönlich einen Brief zu überreichen, in welchem sie eine Benachrichtigung erhalten, in diesem Ermittlungsverfahren als Zeug:in befragt zu werden. Die betroffenen Leute waren sowohl aus dem persönlichen als auch aus dem politischen Umfeld und bis auf eine Person hat keine:r auf die Vernehmungseinladung reagiert. Trotz Drohung einer Vorladung, durch die Generalbundesanwaltschaft, wurde damals keine:r offiziell vorgeladen.
Ende 2015 folgt die Abgabe der Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft Berlin. Diese versuchte, 2016 erfolglos mittels Verständigungsversuchen, ein schnelles Ende herbeizuführen.

Ein Batzen Akten

Aus den polizeilichen Ermittlungsakten, die rund 140 Bände umfassen, die jeweils mehrere hundert Seiten haben, ließen sich einige Erkenntnisse darüber gewinnen, wie die Ermittlungen geführt wurden. Ohne sagen zu können, wir hätten alles zu 100% gelesen und analysiert, was ein schwieriges Unterfangen bei diesem Ausmaß ist, können wir doch ein paar Informationen mitteilen. Informationen wie und was der Verfassungsschutz gesammelt hat, können wir nicht geben, da diese ausschließlich als sogenannte Behördenzeugnisse vorliegen, die trotz ihrer enormen Relevanz für das Bundeskriminalamt (BKA) recht dürftig sind.
An Zielorten von militanten Aktionen wurden Mantrailinhunde eingesetzt. Diese verfolgen anhand einer vor Ort aufgenommenen Geruchsspur vermeintliche Täter:innen. Peilsender wurden an Autos angebracht und abgebaut und Stimmenanalysen von Telefonaten wurden gefertigt. Die bereits erwähnte Videoüberwachung von Hauseingängen, wurde auch auf Objekte angewandt, welche entweder von den Beschuldigten aufgesucht wurden oder von denen es die Prognose gab aufgesucht zu werden.
Auch wurden technische Tests durchgeführt, welche die Wirkung des eingesetzten Modells „Gasaki“ untersuchten.
Von Beschuldigten wurden Personenprofile angelegt. Inhalt waren politische und persönliche Lebensläufe, Kompetenzen, Zugang zu Literatur, Wissen, technische Fähigkeiten, Nutzungsmöglichkeiten von Fahrzeugen, Führerschein, Kontakte zu weiteren Beschuldigten und soziale Kontakte im Allgemeinen.
Es wurden politische Aktivitäten, die Bezug zu den Beschuldigten hatten, überwacht und ausgewertet, dabei spielten auch ideologische Konflikte eine Rolle. Mehrere öffentliche Veranstaltungen wurden observiert und nahezu jede:r Besucher:in wurde mit Fotoaufnahmen und ggf. Name dokumentiert. Von Relevanz war hier, wie auch in vorhergehenden Ermittlungsverfahren, die Linguistik. Sprache ist so individuell wie ihr:e Sprecher:in selbst, denkt sich das BKA und versucht anhand von bspw. grammatikalischen Auffälligkeiten eine Autor:in zu identifizieren. Zusätzlich kommt hier der Aspekt des Wissen oder Nichtwissens ins Spiel. Deutlich machen lässt sich das, indem die Ermittler ein Indiz darin sehen, dass wenn jemand in einem Bereich vermutlich ein bestimmtes Wissen besitzt oder sich mit diesem Thema beschäftigt, dann auch den bestimmten Text XY verfasst haben muss.
Zur Kommunikationsüberwachung gehörte neben der Dokumentation, die Auswertung aller Telefongespräche, inklusive dessen Einstufung als „verfahrensrelevant“ oder nicht. Stille SMS wurden genutzt, um den aktuellen Standort zu übermitteln. Ebenso Funkzellenabfragen, um etwaige neue oder alte Telefone zu lokalisieren oder alles zusammen, gepaart mit Personenobservation, um wiederum irgendwelche vermeintlichen Erkenntnisse über irgendetwas zu bekommen.
Kaum zu glauben, aber wenn du am Telefon sagst du gehst irgendwo hin und deine Überwacher sehen, dass sich dein Handy nicht in diese Richtung bewegt, wird es verdächtig. Genauso verdächtig ist es allerdings, irgendwo hinzugehen ohne es vorher am Telefon angekündigt zu haben. Dank Etablierung von Smartphones und Insta-Stories müssen 2021 die Geodaten etc. der meisten Menschen wohl nicht mehr mühselig angefragt werden.
Die Überwachung ist ein Gemisch aus Personenobservationen, aufgezeichneter Kommunikation, darunter auch das Bewegen im Internet und dem Abgleich aller Komponenten.

Von 2018 bis zur jetzigen Anklage

Im September 2018 werden die Ermittlungen offiziell abgeschlossen. Es folgen die Neuigkeiten Schlag auf Schlag, bei sieben der Beschuldigten flattern die Einstellungen der Ermittlungsverfahren ins Haus.
Nur einer, der Erhält den Antrag, des Berliner Staatsanwaltes Dr. Brocke, die Anklage vor dem Landgericht Berlin zu erheben. Dann ist es erst mal ruhig. Mehr als zwei weitere Jahre des Wartens vergehen und Anfang 2021 wird bekannt, dass es einen Prozesstermin gibt. Es steht fest, das Gerichtsverfahren wird nach über 8 Jahren beginnen.
Vorgeworfen wird unserem Genossen die vermeintliche Beteiligung, oder wie es schwammig in der Anklage formuliert steht: „Der Angeschuldigte […] war an der Durchführung und/oder Planung der Brandanschläge in den Fällen 1 bis 3 jeweils unmittelbar und wesentlich beteiligt. “ Aha, entweder das ein oder das andere oder beides oder nichts? Spielt für uns keine Rolle, interessanter ist vielmehr die Herleitung, denn bekannt ist, dass es sich um einen politisch motivierten Indizienprozess handelt. Vermeintliche Feststellung der Anklage Nummer eins: der Genosse wäre seit 2009 Mitglied der „Revolutionäre Linke“ (RL) / “Revolutionäre Aktionszellen“ (RAZ) und diese, so heißt es weiter

„verstand sich als militante, sozialrevolutionäre und antiimperialistische Gruppierung und erstrebte auf der ideologischen Grundlage des Kommunismus-Leninismus auch durch die Begehung erheblicher Straftaten über den sogenannten “Klassenkampf“ und “revolutionären Aufbauprozess“ den Umsturz des politischen und gesellschaftlichen Systems der Bundesrepublik Deutschland und die Errichtung einer klassen-, staatenlosen undherrschaftsfreien Gesellschaftsordnung.“

Fälle 1 – 3 sind, das Haus der Wirtschaft, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und das Amtsgericht Wedding. Die nun angeklagten Aktionen wären passiert, um die vorher genannte Zielsetzung zu erreichen. Und weiter :

„In der Tatbekennung zu den beiden Anschlägen in den Fällen 2 und 3 bezogen sich die „Revolutionäre(n) Aktionszellen (RAZ)“ auf den „Klassenkampf gegen den kapitalistischen Staat“ und bewerteten die Anschlagsobjekte als legitimes Angriffsziel „klandestin-militanter Politik der revolutionären Linken“. “

Das reicht der Staatsanwaltschaft als Begründung, um anzuklagen. Für uns ist es ein deutlicher Grund Solidarität zu üben.
Über die weiteren glorreichen Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden und darüber was in diesem Prozess als Indiz angeführt wird, über die Rolle des Verfassungsschutzes und vieles mehr werden wir euch auf dem Laufenden halten.

Was folgt

Mittlerweile hat der Gerichtsprozess begonnen und verschiedene Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen stehen solidarisch an der Seite von Cem. Wir als Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und Teil der Soligruppe, die nach den Razzien am 22.05.2013 entstanden ist und sich in diesem Jahr 2021 neu formiert hat, werden uns an der Berichterstattung über die Verhandlungstage beteiligen und den Prozess politisch begleiten.
Unsere Aufgabe als Antirepressionsstruktur ist, den Angriff der herrschenden Klasse, der permanent ist und sich in Gerichtsverfahren wie diesen, fast schon symbolisch hervortut, so weit wie möglich abzuwehren und seine Resultate zu minimieren. Wir tun das auf verschiedenen Ebenen, in dem wir zum einen auf der sozialen Ebene für einander da sind, uns Unterstützung auf der juristischen Ebene holen und auf der politischen Ebene aktiv werden.
Als Teil der unterdrückten Klasse konfrontiert uns das Leben im Kapitalismus tagtäglich mit schwierigen Situationen, diese können dazu führen uns zu entzweien, vom Handeln abzuhalten oder ewig nur zu buckeln. Was können wir dagegen tun, denn zu handeln wie der Kapitalismus es uns vorgibt, wie wir unser Leben in dieser Gesellschaft zu führen hätten, bedeutet Gegeneinander statt Miteinander, Konkurrenz statt Kollegialität, Individualisierung statt Kollektivität, … diese Aufreihung könnte endlos weiter gehen. Darum heißt das für uns, ohne die praktische Arbeit untereinander, das Leben von Kollektivität und Solidarität, gehen wir dem auf den Leim und zerstören die Menschlichkeit untereinander. Wir leben stolz die Alternative zu der täglichen Entfremdung, sind füreinander da und schützen uns. Auch das ist keine leicht Aufgabe jedoch unabdingbar in unserer Arbeit.
Die Klassenjustiz gibt uns eine stumpfe Waffe in die Hand, die der juristischen Verteidigung. In einem von der herrschenden Klasse dominierten Justizsystem, welches um das nochmal deutlich zu sagen – Diener der herrschenden Klasse und nicht der Menschen oder der Gerechtigkeit ist – Kann, bei einem politisch motiviertem Prozess, kein juristisches Ergebnis zu unseren Gunsten erzielt werden. Schon allein deshalb, weil das Gericht offiziell die Existenz politischer Prozesse nicht anerkennt, jedoch politische Urteile fällt. Anderenfalls wäre das Gericht ein Casino, wie sonst wäre es zu erklären, dass die Urteile wie die Würfel bei einem Glücksspiel fallen? Trotzdem benötigen wir die Anwält:innen, die auf dem Terrain der Gegenseite mit dessen Spielregeln für uns kämpfen. Wenn gewünscht, kann in solchen Fällen die Öffentlichkeit im Gerichtssaal genutzt werden, um die „Demokratie“ bloßzustellen, ihr Methoden offen zu legen und unsere politischen Ideen vorzutragen.
Zuletzt ist politisch aktiv zu werden ein Kernaspekt unserer Arbeit, als Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen. Mit unserem Verständnis von Solidarität und dem was Repression bedeutet, halten wir es nach dem Motto „Linke Politik verteidigen – Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen“ und übernehmen die politische Verteidigung der betroffenen Strukturen, stellen ihre Konzepte und Ideen vor, ordnen sie in den Kontext des Widerstandes gegen das herrschende System ein und erklären ihre Existenz als notwendiger Teil im globalen Kampf um Befreiung.
Folgend werden wir in den nächsten Ausgaben einzelne Beiträge veröffentlichen, welche sich inhaltlich intensiver mit den kriminalisierten Projekten beschäftigen und damit womit sich die Projekte beschäftigt haben. Wir stellen also die Frage was und warum wird hier kriminalisiert und lassen uns nicht darauf ein, die Anklage vor Gericht, als Brandstiftung zu entpolitisieren.