Gekommen um zu bleiben. Forensische Psychiatrie. Bremen-Ost.

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Die Allgemeinpsychiatrie in Bremen-Ost steht seit Monaten im Kreuzfeuer von Vorwürfen – Zwangsbehandlungen, Fixierungen, Fehlbehandlungen, fehlende Therapien außer jener der Pharmakologie. Keine Gespräche mit den PatientInnen, schlechte räumliche Gegebenheiten…
Mit der Kritik an der Forensik ist es schwieriger. Das konstruierte Bild, Forensik schütze die Gesellschaft vor „TäterInnen“, funktioniert in vielen Köpfen und legitimiert die psychiatrische/forensisch-psychiatrische Unterbringung. Was innerhalb dieses abgeschotteten „Soziotops“ passiert, dringt nicht nach außen. Das Material der Arbeit ist die „erkrankte Psyche“. Ein Raum voller Entmündigung, unterworfen den Beurteilungen und Zuschreibungen des Personals. In Konzepten steht viel von Therapie. Damit lässt sich auch der Preis von 10.500 Euro für die Unterbringung eines Menschen pro Monat legitimieren. In Gesprächen mit den „PatientInnen“, wie es so lustig heißt, erfahren wir wenig über sinnvolle Hilfen, Therapien und Resozialisierungsperspektiven (was auch immer das aus einer herrschaftskritischen Perspektive überhaupt sein kann), oder fast nur von schlimmen Erfahrungen damit. Wir hören von einer Lebens-/Alltagsrealität mit Zwangsmedikamentierung, Absonderung im Beobachtungszimmer, Erpressungen, Schikanen etc.. Es wird versucht, „PatientInnen“ über Lockerungsstufen gefügig zu machen (begleiteter Ausgang, Ausgang alleine, dann mehrere Stunden, irgendwann über Nacht, in die forensische WG und dann irgendwann Richtung Freiheit). Dazwischen viele, viele Jahre, auch Jahrzehnte. Willkürlicher auch kollektiver Verlust von „erarbeiteten“ Lockerungsstufen kommen „dazwischen“. Unpassendes Verhalten, Aufsässigkeit, Widerstand gegen die Klinik wird pathologisiert und als „psychotisch“ (oder was das 1×1 der psychiatrischen Diagnostik nach „ICD10“ sonst noch zu bieten hat) diagnostiziert und „geahndet“. Es gibt mehrere Berichte, dass sich bei offiziellen Beschwerden „gerächt“ wurde. Auch reicht ein Vergehen, z.b. ein Joint, und schon finden sich „PatientInnen“ nach einer Freiheit auf Probe erneut in der Forensik wieder und das „Spiel“ beginnt von Neuem. Nur die Karten werden nicht neu gemischt. Alte Gutachten und Bewertungen bleiben an den „PatientInnen“ kleben.
Die „Bremer Praxis“ – darauf ist Bremen stolz, auch in aller Öffentlichkeit. Personenidentisch verurteilt die 5.Strafkammer und ist in den folgenden Jahre ebenfalls für die Unterbringung verantwortlich. 1Mal im Jahr gibt es eine Anhörung, von dieser die Betroffenen 25 von 30 Minuten ausgeschlossen werden. Verurteilt wird nach §63StGB (Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) und §64StGB (Unterbringung in einer Entziehungsanstalt), §126 (Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten) oder §66StGB (Sicherungsverwahrung nach der Haftzeit in der JVA)… Es geht um nicht-Schuldfähigkeit bzw. eingeschränkte Schuldfähigkeit. Gestützt auf vom Gericht gesteuert bestellte Gutachten von „sachverständigen“ PsychiaterInnen. Was da an zerstückelter Wahrnehmungen einer Person zu einem Gutachten verwurstet werden kann, ist schlicht unglaublich. Das Wort – eine Waffe… und wenn es nichts zu finden gibt, dann ist es die „doppelte Buchführung“, in der ein Mensch eine Psychose (oder was auch immer) verstecke. Wenige Stunden Gespräch mit GutachterInnen (die nicht freiwillig sind), können reichen, um langfristig weggesperrt zu werden. Bei den Delikten handelt es sich keinesfalls dem Konstrukt entsprechend, nur um Mord und Totschlag. Vielmehr hat die Forensik das Milieu der Kleinkriminellen, nicht ans System angepasste Menschen etc. in ihr lohnendes Geschäftsmodell eingebettet. Auch passiert es, dass Befürchtungen/Einschätzungen von GutachterInnen, schwere Taten könnten begangen werden, ohne dass die Menschen durch ähnliche Delikte überhaupt auffällig geworden sind, ausreichen, um sie wegzusperren.
Der Knast (jedenfalls in Bremen) wird leerer, die forensischen Unterbringungen steigen dafür drastisch an.

Gefangenbrief von einem Mann, der seit über 15 Jahren im forensischen Vollzug untergebracht ist – nun auf der „Long-Stay-Station“ 18A in Bremen-Ost

„Ich bin ein Patient, der zur Zeit verwahrt wird, da ich kein Geständnis zu einem eingestellten Verfahren bei der Klinik (Forensik) ablege. Mein ehemaliger Fallmanager der Station hat mir bereits am 30.9.15 gesagt, wenn ich keine Aussage mache, werde ich auf Station 18A verlegt. Diese Äußerung steht auch in der Krankenakte, wurde aber nie an die Strafvollstreckungskammer weitergeleitet. Vielmehr wird der StVK eine falsche Aussage vorgegaukelt. Falsche Gesprächsinhalte wurden als Tatsachenberichte umgeschrieben und auch wurde vom Recht einer Falschaussage vor Gericht Gebrauch gemacht.“…
„Psychologisch und psychiatrisch ist da nicht viel Sinnvolles zu Hören gewesen. Menschlich ist auch nicht viel in dieser Klinik auf den neuesten Stand gebracht worden. Die Station 18A wurde schon bereits im März 2006 als „Long-Stay“-Station bezeichnet und dies wurde auch im Internet so kenntlich gemacht. Diese Station wird von Patienten bewohnt, die mindestens 12 Jahre in dieser Klinik untergebracht sind. Dazu wurden dann PsychologInnen genommen, die für andere Stationen nicht geeignet sind. Seit Eröffnung dieser „Long-Stay“ beherrscht eine Psychologin diese Station mit 16 Patienten mit unterschiedlichen Krankheitsbildern. Auf dieser Station befinden sich noch mindestens 4 Patienten, die länger als 20 Jahre in dieser Klinik leben oder vegetieren. Denn eine Behandlung nach dem Gesetz wird von Seiten der Klinik abgelehnt. Vielmehr werden diese PatientInnen weitestgehend isoliert. Einige Patienten dürfen arbeiten gehen und Kontakt zu anderen PatientInnen aufnehmen, sonst nichts. Keine gemeinsamen Aktivitäten wie Sport, Freistunde oder Treffen im Hofkiosk.“ … „Es wird Zeit, dass das Pflegepersonal ihre Arbeitszeit für PatientInnen nutzen, denn es gibt PatientInnen, die Unterstützung brauchen. Auf Station 18A gibt es ca. 10 PatientInnen die nicht therapiert werden, sondern viel mehr hospitalisiert. Warum ist das so? Weil das Personal lieber mit Tablets, Smartphones oder mit dem Computer der Station ihre Arbeitszeit verbringen. In den Nachtschichten wird mit mitgebrachten Spielkonsolen am Fernseher, der extra dafür angeschafft wurde, gespielt. Bei diesen Konsolen handelt es sich hauptsächlich um für PatientInnen verbotene Konsolen. Auch eine beantragte DVB-T2 HD-Zimmerantenne wurde abgelehnt. Es wird sich berufen, auf einen zusätzlichen Reciver und auf die Hausordnung. Beides sind erfundene Gründe. Letztendlich ist es ein Abschneidung von Kommunikations- und Informationswegen.“…
„Offene Fragen an den nun be-renteten Klinikleiter und seine ebenbürtige Nachfolgerin der forensischen Psychiatrie Bremen-Ost, zu einem Zeitungsinterview: „Bremen kann stolz sein.“
Ex-Klink-Chef: „ Bremen wollte die Forensik neu aufstellen und Mittel dazu bereit stellen…Dann kam der Neubau, der besten Standards entspricht…“
Offene Frage: Sind die neuen Standards auf den neuesten Stand der Gesundheitspolitik gerichtet, oder ist der Standard fragwürdig? 1 Fensterablage, 1 Stuhl, 1 Bett, 1 Schrank. Die Ablage macht den Raum nicht wohnlicher, denn dadurch werden 6m2 des Zimmers nicht nutzbar.“…
„Seit Anfang März läuft eine Sanierung der Fenster auf Station 15D. Hatten die Patientenzimmer bis dato noch Fenster mit Luftzufuhr, haben die neuen Fenster lediglich eine Lochluftzufuhr. Ein Austausch von Frischluft ist nicht möglich, was einer Abschottung gleich kommt“…
„Ex-Klinik-Chef:„ Die Bremer forensischen Psychiatrie ist eine der ersten forensischen Kliniken mit einer offenen Rehabilitations-Station, einer Wohngruppe, außerdem einer Ambulanz und einer Tagesklinik.“
Offene Frage: Warum werden dann keine Rehabilitations-Angebote bereit gestellt? Können Sie die Reha-Maßnahmen benennen, bei denn die Klinik aktiv war? Warum wurden in der Tagesklinik keine Patienten angetroffen? Und wo soll sie sein?“
„Ab dem 1.1.17 ist ein neue Gesetzgebung zum §63 StGB in Kraft getreten (dass Schutz vor zulangen Unterbringungen bieten und eine Verhältnismäßigkeit regeln soll). Mal sehen, ob die Klinik das alles auch umsetzten kann.“