| Nekane Txapartegi
Zurich, 18.Februar 2017
→ Euskal Herria → Sexistische Folter
1999, als ich 26 Jahre war, während einer Hexenjagd gegen die baskische Unabhängigkeitsbewegung wurde ich von der paramilitärischen Guardia Civil (GC) verhaftet, gefoltert und eingesperrt. Wie tausende BaskInnen wurde ich vom spanischen Folterapparat wegen meines sozialen und politischen Engagements brutal gefoltert. Während 5 Tagen „Incomunicada Haft“ in Madrid benutzte die spanische paramilitärische GC meinen Körper als politisches Kriegsfeld. Sie mussten mich wegen meiner politischen und sozialen Überzeugungen bestrafen und als Frau und Feministin haben sie mich in meinem Tiefsten verletzt, weil ich mich gegen die Unterdrückung und Herrschaft wehrte. Weil ich nicht die aufgezwungene Rolle der patriarchalen Strukturen akzeptierte. Die GC ließen ihrer machistischen Gewalt freien Lauf. Die vergewaltigten mich, beschimpften und entwürdigten mich. Die versuchten mich als Frau zu brechen, meine Identität auszulöschen und so meine Ideen zu zerstören.
Obwohl ein Teil von mir in diesem GC Kommissariat blieb, überlebte ich und meine Ideen und Überzeugungen wurden sogar stärker. Ich denunzierte die erlebte Folter und Vergewaltigungen in den Medien und der Kampf gegen die Folter wurde meine Therapie. Mit jeder Anprangerung der Folter wurde es Schritt für Schritt zu meinem persönlichen Kampf und eine politische Aktion gegen die systematische Folter und den gesamten Folterapparat.
Mit der illegalen und „rachsüchtigen“ Dispersionspolitik (Zerstreuung der Gefangenen weit weg von Angehörigen, Anm. d. Redaktion), die der spanische und französische Staat gegen baskische politische Gefangene ausübt, wurde ich 9 Monate in Soto del Real (Madrid) eingesperrt. Zusätzlich zur Dispersion und der ausrottenden Haftpolitik wurde ich als Frau vom herrschenden Heteropatriarchat bestraft.
→ Damals und heute nochmal bestraft
Aktuell sind wir 52 baskische Frauen in 28 Gefängnissen, jede mehr als 500km vom Zuhause entfernt, dispersiert und isoliert.
In Knästen, von Männern für Männer gemacht, mit hierarchischen Strukturen wo unsere Bedürfnisse nicht Ernst genommen werden, sind wir Frauen die unterste Stufe des Systems, des Heteropatriarchats. So, noch zu den alltäglichen Kontrollen und Verboten über unsere affektierten, sozialen, kulturellen und politische Beziehungen, werden wir sexualisiert. Teil von der Transistematischen Gewalt dieser Herrschaft ist der Knast, der versucht unsere Körper zu kontrollieren, zu dominieren. So entscheiden die Wärter oder die Knastleitung, wie wir uns anzuziehen haben, ob wir Make-up tragen können, wie oft wir duschen gehen dürfen oder wann wir, wenn überhaupt, sexuelle Beziehungen haben. Sie müssen gehorsame Frauen produzieren. Zu der politischen Strafe kommt noch die soziale Bestrafung.
→ Isolation als Waffe des Herrschaftssystem
Der Knast nimmt uns nicht nur die Freiheit, sondern alle mögliche Autonomie und Kontakte zur Außenwelt. So isoliert ist es schwierig das Subjekt zu bleiben, in einem No Person-No Land Alltag und das macht uns verletzbar. Deswegen ist es wichtig, solidarisch zu bleiben und alle Gefangene als kollektiv zu halten. Aktuell ist es mein Kampf, Bewusstsein zu verbreiten und zusammen zu halten gegen das System, welche Gefangene annulliert und designiert – das ist zu bekämpfen. In Zürich befinde ich mich in der „Spezial-Abteilung“, nicht etwa weil ich speziell bin, sondern einzig aus dem Grund eine Frau zu sein. Die Abteilung teile ich mit anderen Frauen, Transsexuellen und psychisch angeschlagenen Männern. Ein Teil von diesem Heteropatriarchat ist es, wo „andersartige“ Personen keinen Platz haben, sie werden hier parkiert. Aus einer Mischung aus Kloster, Militär und Kindergarten werden wir sexualisiert, kontrolliert, infantilisiert und ausgebeutet. Nur mit einer Spazierstunde pro Tag, 2 Duschen in der Woche, keine Aktivität oder Sportmöglichkeiten … Diese Isolation zwingt uns in dieses System reinzupferchen, zumindest Hygieneartikel kaufen zu können oder eine kurze Arztvisite beantragen zu können oder Gesund zu bleiben. Weil es so die einzige Möglichkeit ist, einige Stunde aus der Zelle raus zukommen. Am Wochenende sind wir 23 Stunden eingesperrt und unter der Woche, wenn man arbeitet, ca. 20 Stunden. Weist die Auslieferungshaft keinen strafrechtlichen Charakter auf, bin ich mit strikten Haftbedingungen eingesperrt, weil ich eine baskische politische Gefangene bin. Und meine Familienangehörigen, FreundInnen und im speziellen meine Tochter sind auch mit bestraft. Der spanische Folterstaat und auch der französische instrumentalisieren das Leiden unserer Familie, um uns zu unterdrücken und die Schweiz macht mit. Ich durfte fast 3 Monate nicht meine Tochter umarmen. Ich konnte sie nur mit Trennscheibe sehen. Als ich mich dagegen wehrte und die Anwälte sich bewegten, durfte ich sie eine Stunde pro Woche treffen und 10 Minuten mit ihr auf deutsch telefonieren. Aber meine Familie muss von Arbeit frei nehmen, um mich besuchen zu können und das bedeutet wiederum ökonomische Bestrafung, zu den schon affektiven Einschränkungen. Aber meine sozialen, politischen und feministischen Überzeugungen geben mir Kraft gegen die alltäglichen Schikanen, Verletzungen, Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen weiter zu kämpfen. Meine körperliche Situation ist eine andere aber meine Ideen sind die gleichen!
→ Auf der Flucht
Ich wurde 2006/2007 in einem politischen Prozess zu 11 Jahren Knast verurteilt. Ohne juristische Garantien wurde ich nur mit Folteraussagen, die ich in „Incomunicado Haft“ machte, verurteilt. Die Folterer waren Experten während des Prozesses und ich erkannte ein Paar als die GC, die mich folterten. Aber wieder mal untersuchten die Richter und Tribunalen, als Teil des Folterapparats, nicht meine Anzeigen. Trotzdem denunzierte ich in der Audienca Nacional die Folter. Die systematische Folter ist ein politischer Akt, welcher seit Jahrzehnten gegen BaskInnen als Kriegswaffe genutzt wird. Ich bin die Stimme aller Gefolterten und im speziellen von uns Frauen. Nach mehr als 18 Monaten Prozess fiel ein politisches Urteil und ich floh. Einerseits weil ich Angst hatte, wieder gefoltert zu werden und andererseits weil ich nicht das Urteil akzeptierte. Damals, heute und später werde ich kein Urteil basierend auf Folteraussagen akzeptieren. Auf der Flucht wurde ich Mama und gemeinsam mit meiner Tochter versuchte ich, frei zu leben bis die Bundespolizei mich am 6. April 2016 in der Schule verhaftet.
Im Januar 2015 nahm mich die spanische Polizei in einer illegalen Operation in der Schweiz fest. Die schweizer Bullen drohten mir, dass sie meine Tochter in ein Heim bringen würden wenn ich nicht kollaboriere. Die hielten mich 3 Tage in „Incomunicado Haft“ und ich musste Hand- und Fußfesseln von Zelle bis Hof tragen, auch im Transport. Die neue Verhaftung und Erniedrigungen öffneten wieder meine Folterverletzungen und ich meine Erinnerungen, Ängste haben wieder angefangen. Jeden Tag konfrontieren mich die „neutralen“ Schweizer Behörden mit Situationen, die mich an meine erlebte Folter erinnern, und sie beziehen keine Stellung gegen die Folter! Seit mehr als 10 Monaten versuchen die (Schweizer Behörden, Anm. d. Redaktion) eine politische Entscheidung als eine juristische zu verkleiden und ein Folterstaat als Rechtsstaat zu bezeichnen.
Deswegen ist es wichtig, ein kollektives, internationales und feministisches Netzwerk aufzubauen um alle politischen Gefangenen zu befreien und alle Knäste zu zerstören!
Nekane Txapartegi
Gefängnis Zürich
Rotwandstrasse 21
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8036 Zürich