Das BUG-Info | Interview

Interview mit Ariane, einer Mitarbeiterin von BUG (Berliner Undogmatischer Gruppen) – Info

Ariane, von 74 – 77 gab es das Info-BUG. Kannst du was zu der Entstehungsgeschichte sagen? Was für  Gruppen waren beteiligt?

Das Info-BUG erschien in Westberlin von 1974 bis 1977, danach noch einige weitere Ausgaben, die aber nicht mehr öffentlich hergestellt und vertrieben wurden. Das Bug-Info gab es von 1977 bis 1978.
Zur Entstehungsgeschichte des Info-Bugs kann ich nichts sagen, da ich daran nicht beteiligt war. Ich war später sporadisch bei den Herstellungstreffen anwesend, die immer Sonntags waren. Ich selbst war erst kontinuierlich beim Bug-Info dabei.

Was für Themen wurden behandelt?

Es waren Gruppen, Bürger-Initiativen und auch Einzelpersonen aus dem linken undogmatischen Spektrum Westberlins dabei. Dementsprechend waren auch die unterschiedlichen politischen Inhalte in den Infos zum Tragen gekommen.

Vor 40 Jahren gab es noch kein Internet.
a. Wie wurde  deshalb so eine Zeitschrift redaktionell und technisch hergestellt?
b. Wie wurde die Verbreitung organisiert in Westberlin  und  bundesweit?
c. Gab es Differenzen in der Redaktion?

Sonntags wurde die Ausgabe immer hergestellt, von den GenossInnen die dann anwesend waren. Veröffentlicht wurden halt die Sachen, die im Laufe der Woche beim Info eintrudelten oder die die Leute am Sonntag vorbeibrachten. Schreibmaschine, Kleber, Scheren, Stifte und Papier, dies waren unsere wichtigsten Utensilien. Wenn das Exemplar fertig gestellt war, brachte es eine/einer zur Druckerei. War die  Zeitschrift gedruckt, wurde es in den Redaktionsräumen zusammengelegt und gefaltet. Anschließend wurde das Info verteilt, z. B. in bestimmten Kneipen und Buchläden. Es wurden auch etliche Ausgaben in die BRD per Post versendet. Eine feste Redaktion gab es nicht. Natürlich waren einige GenossInnen  oft da, andere  schauten nur ab und zu mal am Sonntag vorbei. Veröffentlicht wurde im Grunde fast alles, was mit unseren Inhalten zu tun und mit unserem Selbstverständnis von linker Politik zu tun hatte. In der Regel wurde wenig zensiert. Es kam schon vor, dass z. B. zu bestimmten Artikeln es keine einheitliche Meinung im offenen Plenum gab.

Kannst du was zu der Repression  und den Verhaftungen sagen?

Seit 1975 wurden verschiedene Ausgaben aus unterschiedlichen Gründen beschlagnahmt. Im Info wurden natürlich auch Erklärungen von verschiedenen Guerilla-Gruppen veröffentlicht. Die Sympathie für die Stadtguerilla war bei etlichen Info-Machern deutlich zu spüren, insbesondere für die Bewegung 2. Juni, die ja ihren Ursprung in Westberlin hatte. Der Staatsschutz hatte dementsprechend ein Auge auf uns geworfen.
Am 17. Oktober 1977 wurden dann vier AGIT-Drucker in Westberlin wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ verhaftet. Sie wollten so das Info gerade im deutschen Herbst sofort  ausschalten. Es sollte nichts mehr  Unzensiertes über die Guerilla berichtet werden. Nach der Schleyer-Entführung durch die RAF gab es in der BRD eine Nachrichtensperre. In meinen Augen war der Zeitpunkt im Nachhinein kein Zufall. Am 18.10.77 wurden die GenossInnen aus der Metropolen-Guerilla RAF, Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan Raspe  (Irmgard Möller überlebte schwerverletzt), in Stammheim tot aufgefunden . Wir hätten die staatlich verordnete Selbstmordversion bezüglich Stammheim hinterfragt,  dass wir  genau deshalb   nicht mehr erscheinen sollten.
Am 23.10.77 gab es ein großes Treffen mit ca 200 Leuten. U. a. ging es auf dieser Zusammenkunft um die Solidarität mit den AGIT-Druckern (sie saßen teilweise bis zu 9 Monaten in U-Haft) und wie kann es weiter mit dem Info-BUG gehen. An diesem Tag schlug der Staatsschutz erneut zu. Die Polizei nahm  ungefähr 40 Anwesende fest.

Kannst du was zum Ende des Projektes sagen?

In den anschließenden Diskussionen gab es unterschiedliche Einschätzungen. Eine Spaltung war die Folge.  Auf jeden Fall war es so, dass das Info-BUG in unregelmäßigen Abständen illegal erschienen und vertrieben wurde. Etliche Leute wollten auch weiterhin eine öffentliche Zeitschrift herausbringen, um bestimmte Inhalte zu transportieren. So wurde aus Info-BUG das Bug-Info. Im deutschen Herbst entstand auch die Diskussion um ein neues Zeitungsprojekt, die Tageszeitung (taz). Liberale und „gemäßigte linke“ Kreise wollten uns, der radikalen und autonomen Szene, das Wasser entziehen. Die Macher wollten die Sperrspitze sein. Sie wollten mit diesem Counterprogramm der Guerilla den öffentlichen Raum entziehen. Um in Zukunft die Drucker zu schützen, gab es jetzt ein Impressum. An der praktischen Herstellung hatte sich nichts verändert. So nach und nach gab es doch kleine Veränderungen. Mit der Zeit wurden wir wieder mutiger und die Solidarität mit der Guerilla war wieder im Bug-Info ein wichtiges Thema. Außerdem kristallisierte sich im Laufe der Zeit eine kleinere Gruppe von Leuten heraus, die sich für das Info verantwortlich fühlten.
Eine Woche nach der letzten Ausgabe des Bug-Info wurde das RAF-Mitglied Willy Peter Stoll von der Polizei in Düsseldorf am 6. 9. 78  erschossen und das Bug-Info  wurde vom Staatsschutz endgültig zerschlagen. In einer groß angelegten Aktion wurden etliche Leute festgenommen, die fast neue fertiggestellte Ausgabe beschlagnahmt, die den Tod von Willy Peter Stoll thematisierte. Später wurde der Versuch unternommen, gegen zwei GenossInnen wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ Anklage vor Gericht zu erheben.