Im Juli berichtete die „Soligruppe Gülaferit Ünsal“ über die anhaltenden Schikanen gegen die revolutionäre Gefangene Gülaferit Ünsal in der JVA für Frauen Lichtenberg. Obwohl sie sich im Mai 2015 erfolgreich gegen die Ungerechtigkeiten im Frauenknast Pankow (wo sie damals und bis zu deren vorübergehender Schließung saß) mit einem Hungerstreik wehrte, werden nun weitere Hebel gegen die widerständige Gefangene in Bewegung gesetzt.
Um ihr den Haftalltag zu erschweren und sie zu zermürben, wird sie durch Mitgefangene und unter der Duldung der JVA permanentem Lärm ausgesetzt. „Über Gülaferits Zelle waren/sind Inhaftierte, die die ganze Zeit laut Musik hören, sie lassen Fernseher mit überhöhten Lärmpegel rund um die Uhr laufen, unterhalten sich auch nachts brüllend, obwohl ab 22 Uhr Ruhezeit ist. Eingaben, Beschwerden – das alles bringt nichts“ schildert die Soligruppe die Situation.
Gülaferit bezeichnet diese intensive Belästigung zu Recht als psycholowww.gefangenen.infosche Folter. Um zu verdeutlichen, was sie damit meint, vergegenwärtigen wir uns noch mal ihre Haftsituation: In der Türkei war sie schon über 10 Jahre eingesperrt und hier in der BRD wurde sie wegen des § 129b (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland) zu 6,5 Jahren verurteilt, davon befand sie sich die ersten 3 Jahre in Isolation.
Was passiert bei Isolation und psycholowww.gefangenen.infoscher Folter mit den Gefangenen? Wir wollen auf das Thema und dessen drastische Bedeutung ausmerksam machen und geben aus diesem Grund Ralf Binswanger, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aus Zürich, wieder (Gefangenen Info Nr. 349).
“Bei längerer Einzelhaft sind Gefangene von folgende Beeinträchtigungen bedroht: eine allgemeine psychische Labilität, wobei die Betroffenen ihren Stimmungen und Triebimpulsen verstärkt ausgesetzt sind und sie schlechter kontrollieren können. Da die Aussenwelt monoton ist, dringen die Impulse und Phantasien aus der Innenwelt verstärkt ins Bewusstsein. Scheinbar geringfüwww.gefangenen.infoge Anlasse können Verstimmungen und Angstzustände auslösen. Die Konzentrationsfähigkeit über längere Zeiträume lässt nach. Die Fähigkeit, komplexere gedankliche Zusammenhänge zu erfassen, nimmt ab. Störungen des Körpergefühls und Angstzustände sind häufig, aber es kann auch zu Sinnestäuschungen kommen. Licht- und Geräuschempfindlichkeit nehmen zu. Es kommt zu einer Labilität des vegetativen Nervensystems mit Schlafstörungen, Störungen der Temperaturregulation, abfallenden Blutdruckwerten mit Neigung zu Schwindel, Schweissausbrüchen, feines Zittern der Hände etc. Psychosomatischen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Würgen im Hals, Herzflattern, Atemstörungen, Magen-Darmbeschwerden und Störungen der Harn- und Stuhlentleerung und Menstruationsstörungen können vorkommen. Häufig sind Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme.“
„Der menschliche Organismus und das menschliche Bewusstsein sind – abgesehen von einer tragfähigen sozialer Beziehung – für ihre Entwicklung auf die Einwirkung von verschiedenartigen Sinneseindrücken angewiesen – Sehen, Hören, Tasten, Riechen, Schmecken … Zuwenig Reizvariabilität (Reizentzug) führt ebenso zu Schädigungen wie zuviel (Reizüberflutung).“
„Die Perfidie … über Reizentzug resp. über die Manipulation der individuellen Reizzufuhr liegt darin, dass sie noch tiefer in die Stabilität der Persönlichkeit eingreift als die soziale Isolation allein. Sie kann langfristig und irreversibel destruktiv wirken.“
Seine Worte machen deutlich, was für eine Schädigung, was für einen Angriff es für Weggesperrte nach totalem Reizentzug durch Isolation oder Reizüberflutung bedeuten kann.
Die Erfahrung, dass diese Verletzungen und Zerstörungen aus der Isolation nicht im sogenannten Normalvollzug (NVZ) behoben werden können, haben schon die Eingesperrten aus der RAF gemacht und sind nichts neues. Es wurde gegen sie ebenfalls Lärm eingesetzt: so gab es bei Einigen angebliche dringende Reparaturarbeiten direkt neben ihren Zellen um sie mit einer heftigen Geräuschkulisse zu belästigen.
So kann dieses Haftprogramm der Isolation, was in den sechziger und siebziger Jahren u.a. im Universitätskrankenhaus in Hamburg-Eppendorf erforscht worden ist, die Betroffenen nicht nur schädigen, also foltern, sondern auch zerstören. Auch wenn die Gründe vielfältig sind, wird somit ein Stück deutlicher warum über 100 Gefangene jährlich hier diese unmenschlichen Verhältnisse nicht aushalten und sich um bringen.
Der Kampf gegen das Knastrewww.gefangenen.infome wird vom Staat mit Sanktionen, Schikanen und Intrigen beantwortet. Einige überlebten diesen Kampf und die Haft nicht, wie 9 politische Gefangene aus bewaffneten Gruppen.
Um dem zu entgegnen sind wir für ein solidarisches Miteinander unter den Gefangenen und einem gemeinsamen Kampf gegen Isolation und Folter.