„Grup Yorum ist das Volk! Ihr könnt es nicht zum Schweigen bringen!“ Ein Interview mit einem Mitglied von Grup Yorum

Im November wurden bei einer Razzia im Kulturzentrum Idil sieben Mitglieder von Grup Yorum verhaftet. Diese Verhaftungen reihen sich einerseits ein in die repressive Situation in der Türkei und andererseits in die lange Reihe der Repression gegen Grup Yorum. In der über 30-jährigen Geschichte der Gruppe gab es dutzende Festnahmen, Konzertverbote, Ausreise- bzw. Einreiseverbote gegen Mitglieder der Gruppe und insgesamt über 500 Verfahren, die gegen Grup Yorum oder die Mitglieder eröffnet wurden. Dies hat aber nicht zur Auflösung, sondern im Gegenteil zur Verstärkung der Aktivitäten geführt. Wir hatten die Möglichkeit mit einem Mitglied von Grup Yorum ein Interview zu führen.

Kannst du zu Beginn kurz Grup Yorum und dich vorstellen?
Grup Yorum ist eine Musikgruppe die seit 1985 in der Türkei Musik macht. Zum geschichtlichen Hintergrund ist wichtig, dass in der Türkei 1980 der Militärputsch war, der ein Wendepunkt in der Geschichte der Türkei ist. Es war ein Putsch gegen die Revolutionäre. Und nach dem Militärputsch war es so, dass die revolutionären Kräfte generell geschwiegen haben.
Grup Yorum war im Kunstbereich in dieser Zeit ein Symbol und die Stimme des Volkes, die gegen diesen Putsch seine Stimme erhoben hat. Yorum ist damals von vier, fünf StudentInnen, die im Konservatorium studiert haben und die einfach nur Musik machen wollten, gegründet worden. Die Bevölkerung hat es gut gefunden und Yorum Konzerte sind zu einer politischen Aktion geworden. Es war damals auch die einzige Gruppe, die im Kunstbereich ihre Stimme gegen den Faschismus erhoben hat. Danach hat sich Grup Yorum zu einer Art Schule entwickelt. Es sind bis heute 50-60 Mitglieder, die ein Teil von Yorum waren. Einige sind wegen der Repression ausgetreten, der andere Grund für Austritte ist die Ideologie von Yorum. Von der Denkweise her ist Grup Yorum Marxistisch–Leninistisch.
Grup Yorum ist in der Türkei sehr populär. Wir haben erreicht, dass im Fußballstadion Besiktas 50.000 Menschen zu einem Grup Yorum Konzert kamen und sich dort gesammelt haben. Es kam danach auch zu einer Demonstration. Dadurch ist die Repression gegen Grup Yorum auch zunehmend härter geworden.
Alle Mitglieder die bei Yorum waren oder sind, haben gelernt wie man Musik macht. Ich z.B bin seit zwei Jahren in Grup Yorum. Ich lebe in Istanbul und spiele Saz. Innerhalb dieser zwei Jahre habe ich viel dazu gelernt und erlebt.

Der bisherige Gipfel waren dann die Verhaftungen im November 2016. Kannst du die Verhaftungen schildern? Wann kam es dazu? Wie hast du sie erlebt?
Vor ca. 1,5 Monaten kam es in der Nacht, zwischen 3-4 Uhr morgens zu einer Razzia im Idil Kultur Zentrum1. Ich hatte mit jemandem zusammen im Zentrum übernachtet. In dieser Nacht bin ich festgenommen worden. Ich war 13 Tage in Untersuchungshaft. Bei der Festnahme bin ich erst zusammen geschlagen worden. Das machen sie mit Absicht so, um dich von vornherein zu brechen. Mein rechtes Auge ist bis heute angeschwollen und noch blau. Nach 13 Tagen bin ich mit dem anderen Genossen zusammen freigelassen worden.
Zwei Wochen später gab es dann nochmal eine Razzia gegen das Kultur Zentrum. Diesmal2 aber nachmittags um 15 Uhr rum. An dem Tag war ich zufällig nicht im Zentrum. Bei der Razzia sind dann elf Leute festgenommen worden.
Von diesen 11 Leuten waren 4 Bauarbeiter, die zu dem Zeitpunkt im Idil Kulturzentrum gearbeitet haben bzw. im Café Tee trinken wollten. Drei von den vier Bauarbeitern wurden zwar aus dem Gefängnis entlassen, aber sie haben Hausarrest bekommen. Der vierte Bauarbeiter ist inhaftiert. Fünf Tage nach der Razzia sind die Yorum Mitglieder dem Haftrichter vorgeführt worden und seitdem sind sie inhaftiert.
Zu der Festnahme von Yorum Mitgliedern hat die Gesellschaft sehr solidarisch reagiert. Daraufhin haben die AKP-nahen-Medien nach der Festnahme neue Szenarien konstruiert, in denen sie schrieben, dass die Grup Yorum Mitglieder bei einer wichtigen Versammlung der DHKP-C3 festgenommen worden sind. Dabei wurde auch behauptet, dass der eine Arbeiter, der festgenommen wurde und weiterhin inhaftiert ist, ein wichtiger Parteifunktionär sei. Damit wollte die Presse die Solidarität bremsen. Das hat allerdings aber nicht viel genutzt, denn die Menschen waren trotzdem sehr solidarisch.
In der Türkei finden Razzien, in der Regel mitten in der Nacht statt. Da die Festnahme tagsüber stattgefunden hat, konnten die Nachbarn und Ladenbesitzer alles beobachten. Natürlich durften sie keine Fotos machen, filmen oder zuschauen. Teilweise haben sie aber von Fenstern aus gefilmt, und damit konnten sie dann auch aufnehmen, wie unsere Freunde und Genossen während der Festnahme zusammengeschlagen worden sind. Einige Nachbarn haben  uns dann weinend erzählt, was vorgefallen war. Von den Anwälten haben wir dann erfahren können, wie es den Festgenommenen geht.

Was sind denn die Vorwürfe gegen die Verhafteten?
Was ihnen vorgeworfen wird ist lächerlich. Der Vorwurf lautet, dass die Yorum Mitglieder im Idil Kultur Zentrum waren, dass das Idil Kultur Zentrum verboten ist, dass das Idil Kultur Zentrum mit  der DHKP-C verbunden ist, dass in dem Kultur Zentrum Gasmasken, Hammer und Sichel, sowie Zeitschriften wie Yürüyüs und Kurtulus gefunden worden sind und dies verboten sei.

Bei der Razzia im November sind 7 Yorum Mitglieder festgenommen worden. Sind noch weitere Grup Yorum Mitglieder inhaftiert?
Insgesamt sind es acht. Sieben aktive Mitglieder von Grup Yorum und Muharrem Cengiz. Er ist vor drei Monaten festgenommen worden. Er ist nicht festgenommen worden, weil er ein Grup Yorum Mitglied ist, also nicht wegen der revolutionären Kunst, sondern viel mehr wegen revolutionärer Arbeit und dem revolutionären Gedankengut.
Muharrem Cengiz war 20 Jahre lang ein Teil von Grup Yorum. Die letzten 10 Jahre war er ein passives Mitglied.
Die Organisierung von Grup Yorum Konzerten war ja auch in der BRD in Verbindung mit der Angehörigkeit zu Vereinsstrukturen ein Anlass für Terrorprozesse.
Ja. Auch in Deutschland gibt es Angriffe gegen Yorum.  In den letzten Jahren haben wir in Deutschland Konzerte unter dem Motto „Eine Stimme gegen den Rassismus“ organisiert. Zu diesen Konzerten kamen 12.000 – 15.000 Menschen. Das war auch ein Rekord für uns. Es gab schon immer Konzerte hier in Deutschland. Noch nie hatten wir aber so eine hohe Zahl erreicht gehabt. Nachdem mehr als 15.000 Leute zu uns kamen, wurden unsere Konzerte in Deutschland verboten. Allein das ist sehr fragwürdig.
Dennoch machen wir auch hier weiter Konzerte, z.B. in Gladbach haben wir dieses Jahr im Juni ein Konzert organisiert und durchgeführt. Es gab im Vorfeld Angriffe des Staatsschutzes. Wir wollten das Gelände von der alevitischen Gemeinde benutzen und der Staatschutz hat versucht dies zu verhindern. Die haben der Gemeinde gedroht.
Dennoch konnten wir dank der DKP das Konzert durchführen. Wie vorhin erwähnt, haben wir auch Mitglieder hier in Deutschland. Da bringen dann Verbote auch nichts. Mit dem Motto „Lieder kennen keine Grenzen“ wollen wir in der BRD eine weitere Kampagne starten.
Die Mitglieder von uns, die verhaftet worden sind, durften wegen „Terrorgefahr“ nicht nach Deutschland einreisen. Gegen sie wurde ein „Schengener-Verbot“ verhängt. Grup Yorum hat die letzten 25-30 Jahre Konzerte hier in Deutschland gemacht. Hin und wieder wurden keine Visa ausgeteilt, es wurden „Schengener-Verbote“ verhängt, wegen angeblicher „Terrorgefahr“ gab es das aber noch nie. Das ist peinlich für Deutschland.

Du hast vorhin gemeint, dass die Gesellschaft, auch die Ladenbesitzer und Nachbarn, sehr solidarisch waren. Wie hat das Stadtviertel/Okmeydani auf die Razzia und die Verhaftungen reagiert? Wie waren die Reaktionen darauf?
Wie gesagt, die Razzien werden in der Türkei normalerweise nachts gemacht. Es geht dabei auch um die Sicherheit der Sicherheitskräfte. Seit ca. einem Jahr macht die Regierung auch tagsüber Razzien in Kurdistan und in den revolutionären Vierteln. Damit möchte der Staat auch zeigen, wie stark er ist.
In den letzten Monaten war die Polizeipräsenz in den revolutionären Vierteln wie Gazi Mahallesi, Okmeydani und in den anderen Vierteln sehr stark gewesen. Deshalb waren wir auch nicht schockiert, als wir hörten, dass eine Razzia tagsüber im Idil Kulturzentrum stattfindet. Vor zwei Jahren hätte uns das geschockt. Vor zwei Jahren hätten die Sicherheitskräfte auch keine Razzia machen können, da die Bevölkerung auch sehr sensibel auf solche Razzien reagierte. Heute ist es aber so, dass der Ausnahmezustand und die vielen Festnahmen zu einer Akzeptanz in der Bvölkerung gegenüber solchen Maßnahmen geführt hat. Die Präsenz der Polizei führte also eher zu einer Einschüchterung. Ein paar Jugendliche waren trotzdem da und haben die Polizei mit Flaschen beworfen. Das hat aber nicht gereicht, um die Festnahmen zu stoppen.
An dem Tag der Razzia war ich auf dem Weg in das Kulturzentrum. Auf dem Weg habe ich einige Freunde getroffen, von denen ich dann erfahren habe, dass eine Razzia stattfindet. Ich dachte kurz darüber nach was ich tun soll, denn wenn ich hingehe würde ich auch festgenommen werden. Ich bin dann trotzdem hingegangen und hab von Weitem beobachtet was geschieht. Die Polizei war als ich eintraf nicht mehr vor Ort. Es standen nur noch ein paar gepanzerte Fahrzeuge vor dem Kulturzentrum, die dann aber auch abgezogen sind. Nachdem diese weg gefahren sind, waren plötzlich viele Menschen da. Viele aus dem Stadtviertel. Wir sind dann gemeinsam in die Räumlichkeiten vom Idil Kulturzentrum gegangen, haben aufgeräumt, geputzt und es dann wieder geöffnet.
Das Idil Kulturzentrum ist also weiterhin offen und nicht verboten?
Nein, nein. Das Idil Kulturzentrum ist auch formell nicht geschlossen. Zumindest noch nicht. Dazu möchte ich gerne noch was sagen. Viele Vereine wurden – vor allem auch in letzter Zeit – abgestempelt und von der Regierung aus geschlossen. Besonders fortschrittliche Vereine und Vereine in revolutionären Stadtvierteln sind betroffen. Die Linken gehen trotzdem hin und schließen die Vereine nochmal auf. Sie erkennen diese Maßnahme der Stadt nicht an.

Es ist ja auch nur ein Schreiben mit einem Siegel was an die Tür von Vereinen angebracht wird, das einfach wieder zu öffnen ist.
Ja. So ist es. Es ist auch wichtig die Vereine zu öffnen. Die Regierung schließt Vereine. Wir machen sie wieder auf und gehen rein. Gerade in diesen Zeiten, in denen Vereine geschlossen werden, Demonstrationen, Presseerklärungen verboten sind, gilt es dagegen zu kämpfen. Wenn wir jetzt schweigen, wissen wir zu was in naher Zukunft führen wird. Wir geben immer das Beispiel von Hitler. Hitler ist ja auch „demokratisch“ gewählt worden. Er hat teilweise mit Kommunisten begonnen, dann waren die Demokraten an der Reihe, danach hat er alle Schichten einzeln, nicht alle auf einmal, sondern alle einzeln, getötet. Es hat dazu geführt, dass sich niemand mehr wehren konnte.

Durch den „versuchten Militärputsch“ am 15. Juli hat sich ja einiges verschärft, darunter auch der Umgang mit den Gefangenen. Wie ist die Situation der Gefangenen? Habt ihr Kontakt zu ihnen?
Wir waren vor dem Militärputsch auch ein Ziel des Staates und waren mit Repression konfrontiert. Seit einem Jahr können wir z.B. keine Konzerte mehr in der Türkei machen. Konzerte wurden verboten. Nach dem versuchten Militärputsch und dem verhängten Ausnahmezustand hat sich für uns nicht viel verändert. Für die Gesellschaft hat sich aber viel verändert.
Über unsere Anwälte wissen wir, dass es unseren Freunden und Genossen gut geht. Die Folterspuren kann man bei einigen Genossen noch sehen z.B bei Helin. Helin hat gebrochene Rippen. Inan`s linke Gesichtshälfte ist blau angelaufen. Ansonsten geht es ihnen gut. Sie sind weiterhin sehr motiviert. Körperlich geht es einigen nicht so gut. Psychisch geht es ihnen aber sehr gut.

Sie machen wahrscheinlich auch im Knast Musik?
Als ich noch in der Türkei war, haben sie von uns Instrumente verlangt. Ich bin seit vier Tagen hier in Deutschland. Bevor ich hierher kam, haben wir ihnen Baglamas, Saz und Gitarren geschickt. Ob Sie die Instrumente bekommen haben, weiß ich leider nicht.

Kannst du noch allgemein etwas zur aktuellen Situation in der Türkei sagen?
Was in der Türkei herrscht, nennen wir Faschismus. Jede oppositionelle Gruppierung wird angegriffen. Parteivorsitzende der HDP wurden angegriffen und verhaftet. Kurdische Politiker sitzen in Knästen. Die Cumhuriyet, die eine linksorientierte Zeitung ist, wurde angegriffen. Viele Redakteure von Cumhuriyet wurden verhaftet. Sogar die CHP, die Republikanische Partei in der Türkei, die sozialdemokratisch orientiert ist, wird angegriffen. Wir sind bereits seit Jahren Ziel der Angriffe dieser Regierung und von Recep Tayyip Erdogan.
Die Lage wird sich in der Türkei noch mehr verschärfen. Ein Teil der Bevölkerung möchte Recep Tayyip Erdogan nicht haben. Dieser Teil hasst ihn. Das ist der fortschrittliche Teil der Bevölkerung. Es sind Kurden, Aleviten, Linke und Kemalisten. Auch viele StudentInnen sind gegen ihn. Der andere Teil unterstützt ihn, sieht ihn als starken Mann, weil er sich von Zeit zu Zeit gegen die USA und Europa stellt und sich wehrt. Das ist die konservative Bevölkerung. Diese Polarisierung wird von Erdogan innerhalb der Gesellschaft mit Absicht vorangetrieben.
Wir denken, dass in naher Zukunft, so etwas wie der „Geziaufstand“ bzw. die „Juli Revolte“ entstehen kann. In der Türkei kann im Moment keiner seine Stimme erheben, da er sonst sofort festgenommen und inhaftiert wird. Es geht nicht nur darum, wenn auf die Strasse gegangen wird. Nicht mal auf Facebook kann man etwas posten, was sich gegen die Regierung stellt, weil immer die Gefahr droht festgenommen zu werden. Es ist wie eine Hexenjagd, die gerade läuft und die Bevölkerung hat Angst davor. Wir denken aber, dass genau das sich zum Guten wenden kann.
Es ist so, dass in der Türkei eine sehr starke Polarisierung stattfindet. Diese Polarisierung wird auch zu einem radikalen Bruch führen. Der Bevölkerung ist es klar, dass Recep Tayyip Erdogan seinen Posten nicht so einfach aufgeben wird. Das ist klar. Deshalb denken wir, dass in naher Zukunft eine Revolution stattfinden wird, stattfinden muss. Deshalb singen und kämpfen wir dafür. Es sind gute Voraussetzungen dafür da.
In Syrien war es ähnlich. In der Türkei wird gesagt, dass eine Demokratie herrscht. Der Bevölkerung ist aber klar, dass es keine Demokratie ist. Wer seine Stimme erhebt, wird zum Schweigen gebracht. Zeitungen, die du liest, werden geschlossen; du möchtest eine Presseerklärung abgeben, die wird von der Polizei massiv angegriffen, du wirst festgenommen und kommst in Untersuchungshaft. Menschen werden bei Razzien umgebracht. Die Lage ist schwer einzuschätzen. Aber morgen kann es schon ganz anders aussehen in der Türkei.

Wie geht es denn jetzt mit Grup Yorum weiter?
Wir haben einen Slogan, den wir seit Jahren benutzen und den die türkische Bevölkerung auch sehr oft benutzt: „Grup Yorum ist das Volk, ihr könnt es nicht zum Schweigen bringen!“. Im türkischen hört sich das besser an, dort reimt es sich auch: „Grup Yorum Halktir, Susturulamaz“.
Das ist nicht einfach nur ein Slogan, sondern da steckt mehr dahinter. In den 90er Jahren sind z.B. alle Mitglieder von Grup Yorum festgenommen worden. Dennoch gab es im Süden der Türkei, in der Stadt Mersin, ein Konzert von Grup Yorum.
So machen wir das auch heute. Sieben Mitglieder von Yorum sind verhaftet worden. Das ist mehr als die Hälfte der Musikgruppe, dennoch machen wir in der Türkei oder auch hier in Europa Konzerte, indem wir Chöre bilden. Wir haben z.B. letztes Jahr, sowie dieses Jahr im März Chor-Konzerte durchgeführt. Über 100 ChoristInnen von uns haben gesungen und standen auf der Bühne. Wenn ein Yorum Mitglied verhaftet wird, der z.B. Saz spielt, haben wir fünf andere Saz-Spieler, die seinen Platz einnehmen und auf der Bühne stehen können. Ich bin z.B. gerade der einzige Saz-Spieler von Grup Yorum in der Türkei. Es gibt noch einen weiteren, aber wir sind beide gerade hier in Deutschland und dennoch geben wir Konzerte. Z.B. haben wir letztes Wochenende in einem kleinen Verein gespielt.
Um unsere Freunde und Genossen freizubekommen, haben wir eine Kampagne gestartet, die weltweit laufen soll. Damit, denken wir, dass wir unsere Freunde und Genossen freibekommen können. In der Kampagne sammeln wir zunächst Unterschriften. Außerdem werdenwir und unsere ChoristInnen, überall wo es möglich ist, unsere Stimmen erheben und singen. Zudem gibt es weitere Projekte, die wir angehen werden:
Was wir die letzten Jahren gemacht haben, was ich auch vorhin bereits erwähnt habe, das große Konzert in Besiktas war z.B. ein Erfolg für uns. Danach haben wir in der Türkei unter dem Motto „unabhängige Türkei“ viele Konzerte gemacht. 2014 haben wir mit diesen Konzerten über eine Million Menschen erreicht. Seitdem sind die Konzerte in der Türkei verboten. Diese Konzerte, die verboten wurden, werden wir versuchen, trotz Ausnahmezustand ins Leben zu rufen und durchzuführen.
In den letzten Jahren haben wir angefangen ein Kinderorchester aufzubauen. Wir haben Kindern Instrumente beigebracht, die sie oder die wir haben. Dabei haben uns Schüler aus dem Konservatorium geholfen. Aus diesen Kindern, denen wir Instrumente beigebracht haben, entstand das Kinderorchester. Es sind mehr als 20 Kinder die verschiedene Instrumente spielen können.
In der Türkei sind die Musikschulen und Instrumente sehr teuer. Viele Eltern können sich das nicht leisten. Deshalb haben wir eine Kampagne übers Internet gestartet unter dem Motto: „Gebt uns eure Instrumente, wir bilden damit kostenlos Kinder aus“. Es kamen innerhalb kurzer Zeit hunderte von Instrumenten aus der Türkei und Europa zusammen, mit denen wir die Kinder ausbilden. Ziel ist es ein riesiges Kinderorchester zu schaffen.
Letztes Jahr haben wir unser letztes Album „Ruhi Su“ rausgebracht. Ruhi Su war ein revolutionärer Sänger, der vor über 30 Jahren gestorben ist. Seine Lieder haben wir neu interpretiert. So entstand das Album.
In den nächsten Monaten werden wir auch ein neues Album mit eigenen Liedern herausbringen.
Demnächst werden wir nochmal einen Film veröffentlichen. Vor fünf Jahren haben wir ein Film über die F-Typ Gefängnisse gedreht4. Dabei ging es um die Lage der politischen Gefangenen. Diesmal geht es um die Situation in den revolutionären Vierteln wie in Okmeydani oder Gazi Mahallesi. Das Szenario ist schon fertig.
Ansonsten haben wir noch viele andere Ideen. Wir möchten weitere Chöre bilden. Vielleicht können wir damit eine „Grup Yorum Armee“ schaffen. Ich bin z.B. jetzt wegen dem neuen Album hier. Danach werde ich zurück fliegen. Ich weiß nicht, was auf mich dann wartet. Wenn wir eine „Yorum Armee“ bilden können, dann spielt es keine Rolle mehr, ob ich festgenommen werde. Wir hätten 10, 50, 100 andere Saz-Spieler, die mich dann ersetzen könnten. Grup Yorum hat viele Gesichter. Viele von uns wurden festgenommen und inhaftiert. Die werden mit anderen Musikern ersetzt. Das hat die Bevölkerung akzeptiert. Manche Mitglieder sind seit über 20 Jahren dabei. Manche sind sehr neu. Manchmal stehen ganz neue Gesichter auf der Bühne und das ist mittlerweile auch normal.  Deshalb hat sich Yorum auch zur einer Legende und einer Schule entwickelt. Über 500 Verfahren sind gegen Yorum eröffnet worden. Yorum singt aber trotzdem. Ein Genosse z.B. hat eine Haftstrafe in der Türkei. Deshalb lebt er auch seit Jahren hier in Deutschland. Er ist aber trotzdem ein Teil von Grup Yorum. Und trägt von hier aus seinen Teil bei.

Für uns ist natürlich auch interessant: Was können wir hier tun?
Wir haben eine Unterschriftenaktion gestartet. Leider konnten wir, durch die ganzen Angriffe in der Türkei, mit der Kampagne noch nicht richtig starten. Wir haben viele Mitglieder, auch hier in Deutschland, die Unterschriften sammeln.
Nicht nur in der Türkei, sondern auch hier in Deutschland wird versucht Grup Yorum zu kriminalisieren. Das ist lächerlich. Yorum singt. Und Yorum singt ihre Lieder. In den Liedern wird eine gewisse Weltanschauung vermittelt. Es ist eine revolutionäre Musikgruppe, die ihre Meinung durch Singen zum Ausdruck bringt.
Trotz dieser Repressalien singt sie in der Türkei und Deutschland weiter. Das hat man bei unserem letzten Konzert in Gladbach auch gesehen. Trotz Drohungen und schlechtem Wetter,  haben sich tausende von Menschen versammelt.
Mit unseren Konzerten, Demonstrationen, Presseerklärungen und Unterschriften werden wir gegen diese unmenschliche Unterdrückung weiterhin kämpfen.


[1] Das Kulturzentrum befindet sich im Stadtteil Okmeydani und ist sowohl eine kulturelle, wie soziale Anlaufstelle für das Stadtviertel. Grup Yorum arbeitet seit Jahren in dem Kulturzentrum. Die Razzia war am 21. Oktober 2016.
[2] Hier ist die Razzia am 18. November gemeint.
[3] Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front. Die DHKP-C gründete sich 1994 und steht in der marxistisch-leninistischen Tradition. Neben der Arbeit an der Basis in den Elendsvierteln der türkischen Großstädte bekannten sich bewaffnete Einheiten der Organisation zu Aktionen auf folternde Polizisten und Industrielle, sowie zu Sprengstoffanschlägen auf Gebäude des türkischen Staates und auf repräsentative Wirtschaftsorganisationen. Sie kämpft für eine revolutionäre Umwälzung der Gesellschaft in der Türkei und musste für diesen Kampf viele Tote und Gefolterte in Kauf nehmen. Die Behörden sagen Grup Yorum eine inhaltliche und strukturelle Nähe zur DHKP-C nach.
[4] F-Typ zeigt den Alltag in einem F-Typ Gefängnis. Aktuell ist er noch nicht als DVD veröffentlicht.