Unterstützer*innen aus Nürnberg
Schlimmer Ausgang des Münchner TKP/ML-Prozesses
Über das skandalöse TKP/ML-Verfahren in München haben wir schon öfters berichtet. Nur, weil sie Mitglieder der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten Leninisten (TKP/ML) sind, wurden zehn türkisch- und kurdischstämmige Aktivist:innen zu drakonischen Haftstrafen verurteilt. Eine von ihnen ist die Genossin Dr. Banu Büyükavci aus Nürnberg. Seit 2005 lebt die Ärztin und Psychiaterin schon in Deutschland. Sie arbeitet am Klinikum Nürnberg, wohin sie auch nach dem Alptraum von Haft und Prozess dank viel kollegialer Unterstützung wieder zurückkehren konnte. Schon 2020 drohte der engagierten Kommunistin die Ausweisung aus Deutschland – in die Türkei Ergogans, in die Hand ihrer Feinde! Doch ein breites Bündnis von Genoss:innen über Autonome, ver.di, Grüne, Linkspartei, Feministinnen, Christen bis hin zur SPD kämpfte für sie. Wöchentlich fanden Kundgebungen statt, der Nürnberger Stadtrat bewegte sich. Letztlich war die Kampagne „BanuMussBleiben“ erfolgreich und die Stadt Nürnberg setzte das Ausweisungsverfahren gegen sie im August 2021 aus. Ein Sieg, weil das Nürnberger Ausländeramt für seine harte Haltung berüchtigt ist.
Doch wer gedacht hatte, nun sei es geschafft, lag falsch und hat die Rechnung ohne das Bundesland Bayern gemacht. Anfang August 2023 erhielt Banu plötzlich einen Ausweisungsbescheid, und zwar von der Landesbehörde für „Asyl und Rückführung“ (LfAR) aus München. Der aktuelle Stand: Sie musste ihren Pass bereits abgeben und ist gezwungen, sich jetzt wöchentlich bei der Polizei melden. Derzeit liegt ihre Klage gegen den Ausweisungsbescheid beim Verwaltungsgericht in Ansbach, sollte diese abgelehnt werden, muss sie innerhalb von 30 Tagen Deutschland verlassen. Das LfAR erklärte gegenüber Medien, in diesem Fall sei das Interesse einer Ausweisung besonders groß, weil Banu wegen einer vorsätzlichen Straftat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden sei. Das stimmt und ist doch falsch, die größte denkbare Ungerechtigkeit.
Der Hintergrund zur Erinnerung: Am 15. April 2015 wurden die zehn türkischen Genoss:innen festgenommen, darunter auch Banu und ihr Partner, der Arzt Dr. Sinan Aydin in Nürnberg. Der Vorwurf lautete „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Organisation“ nach § 129b StGB in Bezug auf die TKM/ML. Und das, obwohl diese kommunistische Partei in Deutschland gar nicht verboten ist und auch auf keiner internationalen Terrorliste steht. Nur Erdogan in der Türkei verfolgt sie hart. Dem schloss sich mit der Verhaftung der Aktivist:innen die BRD an und erfüllte Erdogans Wünsche – obwohl die Angeklagten in Deutschland überhaupt keine strafbaren Handlungen begangen hatten. Worum es ging, waren konkret die Organisation von Veranstaltung oder die Sammlung von Spenden. Normale Vereinstätigkeiten also. Kurz: Es war einzig und allein ihre kommunistische Gesinnung, weshalb die Angeklagten in München vor Gericht standen. Der Prozess lief vom 17. Juni 2016 bis 28. Juli 2020. Ein absurdes Mammut-Verfahren, das mehr als vier Jahre lang dauerte und von etlichen Skandalen geprägt war. Die Betroffenen erhielten Freiheitsstrafen zwischen zwei Jahren und neun Monaten sowie sechs Jahren und sechs Monaten. Banu wurde zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, genauso wie ihr Partner Sinan. Die härteste Strafe traf Müslüm Elma mit sechs Jahren und sechs Monaten, weil er zum „Rädelsführer“ stilisiert wurde. Ein deutlicher Ausdruck politischer Klassenjustiz, wurden doch keine kriminellen Handlungen abgestraft, sondern eine politische Haltung. Natürlich legte die Verteidigung dagegen Widerspruch ein. Im Juni 2023 wies der Bundesgerichtshof (BGH) die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil als unbegründet zurück. Damit war der Weg für die Abschiebebehörde LfAR frei, Banu erneut anzugreifen. Sie war nach 34 Monaten in Untersuchungshaft – einer überlangen Zeit – mit dem Urteil freigekommen, weil damit die Haftstrafe abgegolten war. Seither kämpfte sie für ihre Freiheit, sprach auf Kundgebungen und Veranstaltungen, veröffentlichte ein Buch zu ihrem Fall. Nun überlegt Banu, Deutschland zu verlassen. Auch wenn ihre Anwälte meinen, dass ein Antrag auf Asyl gute Chancen hätte, ist sie skeptisch, ob sie das möchte. Denn es wäre unklar, ob sie während eines Asylverfahrens weiter am Klinikum arbeiten könnte. Zudem befürchtet sie, dass der deutsche Staat sie niemals in Ruhe lassen würde.
Die Bündnisse und Kampagnenmitglieder jedenfalls werden auf alle Fälle weitermachen. Damit Banu bei uns bleibt!