Brüssel: Eine palästinensische Demonstration als Meilenstein

Rote Hilfe Belgien

Die Demonstration, die am Samstag, den 29. Oktober, in Brüssel stattfand, war eine besondere, sie zeugt von wichtigen Veränderungen und ihre Lehren sind zahlreich für die palästinensische Sache in Europa.
1500 Menschen nahmen an dem von der palästinensischen Bewegung Masar Badil („Alternativer Weg“) organisierten „Marsch für die Rückkehr und die Befreiung Palästinas“ teil. Die Demonstration betonte das Recht auf Rückkehr der seit 1948 vertriebenen palästinensischen Flüchtlinge, die Befreiung ganz Palästinas vom (Jordan-)Fluss bis zum Meer, die Legitimität des Widerstands in all seinen Formen, einschließlich des bewaffneten Widerstands, die Freilassung aller palästinensischen Gefangenen und den Kampf gegen den Imperialismus, den Zionismus, die reaktionären arabischen Regime und die korrupte und kollaborierende Palästinensische Behörde.

Die drei Hauptblöcke dieser Demonstration waren der Block von Masar Badil und Samidoun (das Solidaritätsnetzwerk mit politischen Gefangenen). Der internationalistische Block, der sich um die Delegationen der Roten Hilfe International gruppierte und an dem mehrere andere Kräfte teilnahmen. Der dritte Block wurde von der französischen Bewegung Europalestine organisiert, die sich seit langem für die Beendigung der seit mehr als 15 Jahren andauernden Blockade des Gazastreifens und für die Freilassung von Georges Ibrahim Abdallah einsetzt, einem libanesischen kommunistischen Kämpfer, der seit 38 Jahren in Frankreich inhaftiert ist. Die Befreiung von Georges Abdallah wurde zudem von den drei Blöcken, aus denen sich die Demonstration zusammensetzte, massiv thematisiert.

Diese Demonstration hatte eine große Auswirkung, weil sie die Rückkehr der historischen Thesen der palästinensischen revolutionären Linken auf die politische Bühne realisierte. Das bedeutet die Verbindung zwischen nationaler Befreiung und sozialer Befreiung. Es bedeutet die Anprangerung Israels als europäisches koloniales Faktum und die Ablehnung der These „zwei Völker, zwei Staaten“ zugunsten des Projekts eines säkularen demokratischen Palästinas, das in seiner Gesamtheit frei ist und in dem die Bürger unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Glauben gleiche Rechte haben. Schließlich bedeutet es die Konzeption eines Kampfes gegen den Zionismus, der untrennbar mit dem Kampf gegen die arabischen reaktionären Kräfte und gegen den Imperialismus verbunden ist.

Die Bekräftigung dieser Thesen ruft sehr starke Reaktionen hervor. Wir wissen, dass die Zionisten und ihre Verbündeten die Idee durchsetzen wollen, dass die einzig zulässige Existenzform für die Juden in Palästina ein Staat der Apartheid zu ihren Gunsten ist. Jede Infragestellung dieses kolonialen Projekts wird als „Antisemitismus“ und jeder Widerstand als „Terrorismus“ oder „Komplizenschaft mit dem Terrorismus“ bezeichnet. Dies ist das Narrativ, das gegen die Demonstration verwendet wurde. Der israelische Botschafter in Brüssel forderte ein Verbot, zionistische Milizen drohten mit Anschlägen. Die europäischen Behörden ließen zwei Anführer von Masar Badil am Amsterdamer Flughafen verhaften, als sie aus Kanada kamen, um an der Demonstration in Brüssel teilzunehmen. Khaled Barakat und Charlotte Kates wurde die Einreise in den Schengen-Raum untersagt und sie wurden in ein Flugzeug nach Kanada gesetzt.
Einer der Schwerpunkte der Masar-Badil-Bewegung ist die radikale Kritik an der Palästinensischen Autonomiebehörde (mit einem Aufruf zum Boykott ihrer Wahlen). Diese Behörde, aber auch die PLO und generell alle palästinensischen politischen und gesellschaftlichen Kräfte, die im Gegenzug für ihre Zustimmung zu den Olso-Abkommen und ihre Zusammenarbeit mit Israel von der Europäischen Union, den USA und den Golfstaaten finanziert werden, versuchten, diese Demonstration zu verhindern. Ihre Verleumdungskampagnen und Boykottaufrufe erschwerten die Organisation der Demonstration zusätzlich. Schließlich riefen auch die arabischen antiimperialistischen Kräfte, die das baathistische Syrien unterstützen und die Solidarität Masar Badils mit den Kurden als Verrat an der arabischen Sache betrachten, zum Boykott des Marsches auf.

Die Häufung dieser Anfeindungen verleiht dem Erfolg des Brüsseler Marsches besonderes Gewicht. Dieser Erfolg markiert die Ablehnung der Politik der Kollaboration durch einen großen Teil der palästinensischen Diaspora in Europa: Die Demonstranten jubelten lange Zeit den Widerständlern der „Höhle des Löwen“ zu. Der Erfolg des Marsches machte nicht nur den Einfluss der Thesen von Masar Badil in dieser Diaspora deutlich, sondern auch die Veränderungen, die in den letzten Jahren in dieser Diaspora stattgefunden haben.

Die Diaspora, die einst aus Studenten und Intellektuellen bestand, hat sich durch die Ankunft von Zehntausenden von Palästinensern syrischer Nationalität, die vor dem Krieg nach Europa geflohen sind, und von vielen Menschen aus dem Gazastreifen, die vor dem Elend in der Enklave geflohen sind, zu einem Massenpublikum entwickelt. Diese Entwicklung hat nicht nur das politische Profil dieser Diaspora verändert, sondern auch ihr Gewicht auf der palästinensischen politischen Bühne.

Der Marsch markierte den ersten Jahrestag der Gründung der Masar Badil Bewegung. Die Bewegung versteht sich nicht als politische Organisation (wie z.B. die PFLP oder die DFLP), sondern als Volksbewegung, die alle palästinensischen politischen und gesellschaftlichen Kräfte dazu aufruft, sich für ein echtes nationales Befreiungsprojekt zusammenzuschließen und die Kapitulationen von Oslo sowie die Kollaboration mit Zionismus und Imperialismus zu verurteilen.

Der Marsch bildete auch den Höhepunkt der „Woche der Befreiung und Rückkehr“. Diese umfasste ein Dutzend Konferenzen, Versammlungen, Ausstellungen (die von Marc Rudin) und Veranstaltungen, die von verschiedenen Kräften organisiert wurden und verschiedene Aspekte des palästinensischen Widerstands beleuchteten. Hunderte von Menschen nahmen an diesen Aktivitäten teil.

Zu diesen Initiativen gehörte eine Konferenz der Roten Hilfe International, die sich mit der Frage beschäftigte, warum der Kampf des palästinensischen Volkes in den 1970er Jahren Vietnam als zentrales Anliegen der Revolutionäre in aller Welt abgelöst hat. Internationalisten kamen aus der ganzen Welt, von Nicaragua bis Japan, um an der Seite des palästinensischen Widerstands zu kämpfen. Ehemalige Mitglieder der RAF, der Volksmudschaheddin des Iran (marxistisch) und der dänischen KAG sprachen zu diesem Thema vor 150 Zuhörern.

Schließlich wurde die Brüsseler Demonstration von Initiativen in Vancouver, Wien, Beirut und Gaza unterstützt, wo die Teilnehmer Schilder mit der Aufschrift „From Gaza to Brussels, the March for Return and Liberation Continues“ trugen.

Rede der europäischen Mitorganisatoren des Marsches

Liebe Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

Als Masar Badil die Rote Hilfe und „Klasse gegen Klasse“ bat, zu dieser Demonstration beizutragen, haben wir die Verantwortung mit Freude und Stolz übernommen.
Die palästinensische Frage ist zentral für alle, die Imperialismus, Kolonialismus und Rassismus ablehnen. Jeder Tag, buchstäblich jeder Tag, bringt neue, oft blutige Beweise dafür, dass die Palästinenser in ihrem eigenen Land als Menschen zweiter Klasse behandelt werden.

Die palästinensische Frage ist auch deshalb wertvoll, weil sie die Heuchelei nicht nur der Europäischen Union, sondern auch eines Großteils der europäischen Linken entlarvt. Sie behaupten, eine „gerechte Lösung“ auf der Grundlage der Schaffung zweier getrennter Staaten zu wollen, aber sobald es um die Befreiung ganz Palästinas und nicht nur einiger Konzentrationsenklaven geht, werden sie nicht mehr gesehen oder gehört. Sie behaupten auch, die großen Episoden des bewaffneten antifaschistischen, antiimperialistischen und antikolonialen Widerstands zu würdigen, aber sobald es heute um bewaffneten Widerstand geht, sind sie nicht mehr zu sehen und zu hören.
Schande über die, die bei dieser Demonstration nicht dabei waren!
Wir sind mit drei Porträts zu dieser Demonstration gekommen.
Da ist zunächst das Porträt von Georges Habash, denn dieser Pionier des Widerstands, der Gründer der PFLP, hat immer diesen wesentlichen Grundsatz vertreten: Es gibt keine wirkliche nationale Befreiung ohne soziale Befreiung. Georges Habash wusste, dass es nur dann sinnvoll ist, einem Volk ein Land zu geben, wenn man das Land denen gibt, die es bearbeiten. Er wusste, dass die Befreiung eines Volkes die Befreiung der Arbeiter aus der wirtschaftlichen Knechtschaft voraussetzt.

Wir haben auch das Porträt von Shadia Abu Ghazaleh mitgebracht, denn diese Palästinenserin organisierte 1967 die erste Gruppe von Frauen, die bewaffneten Widerstand leistete. Shadia Abu Ghazaleh erinnert uns an den Platz der Frauen im Befreiungskampf, an ihren Beitrag und ihre Opferbereitschaft. Sie erinnert uns auch an die Notwendigkeit, die Befreiung der Frauen mit der nationalen Befreiung zu verbinden. Der Kampf gegen das patriarchalische System und alle seine Formen der Herrschaft ist eine notwendige Dimension in diesem Befreiungskampf.
Und schließlich kamen wir mit dem Porträt von El Houssine Benyahia. Dieser junge marokkanische Kommunist fiel im Kampf in den Reihen der PFLP. El Houssine Benyahia erinnert uns daran, dass die Befreiung Palästinas mit der Befreiung der gesamten arabischen Nation verbunden ist. Die reaktionären arabischen Regime, vom Königreich Marokko bis zum Sultanat von Oman, sind die schlimmsten Feinde Palästinas. Sie verkaufen die Palästinenser an den Imperialismus und Kolonialismus, so wie sie ihr eigenes Volk und ihr eigenes Land an dieselben Peiniger verkaufen. El Houssine Benyahia zeigt uns, dass den arabischen Völkern im Gegensatz zu den verschiedenen Regimen die palästinensische Sache immer am Herzen lag.

El Houssine Benyahia hat seine Pflicht als Internationalist bis zum Ende erfüllt. Er ist ein Beispiel für die notwendige Solidarität zwischen allen unterdrückten Völkern gegen alle Unterdrückungsregime. Ein Volk, das sich an der Unterdrückung eines anderen Volkes beteiligt, kann nicht behaupten, selbst frei zu sein. Entweder gibt es Freiheit für alle, oder es gibt Freiheit für keinen!

Liebe Freunde, liebe palästinensische Kameraden:
Siege für eure Kämpfer
Ehre für eure Märtyrer
Gesundheit für eure Verwundeten
Freiheit für eure Gefangenen!
Es lebe die Internationale Solidarität!
Hoch die Internationale Solidarität!