Gefängnis Palästina

Anlässlich unseres Schwerpunktes und der folgenden Beiträge zu Palästina möchten wir zum besseren Verständnis und zur Ergänzung mit diesen zwei Seiten eine kurze Einleitung in dieses Thema vornehmen.

Das Interesse zur Aufrechterhaltung der geostrategischen Hegemonie im Nahen Osten veranslasste die westlichen, imperialistischen Mächte – allen voran die USA – dazu, den Zionismus und ihre Bestrebungen hinsichtlich der Gründung eines jüdischen Staates zu unterstützen. Laut dem UN-Teilungsplan von 1947 war vorgesehen, dass ca. 55% des ehemaligen Mandatsgebiets Palästina ohne Jordanien an Israel gehen sollten. Dies mündete schließlich darin, dass am 14. Mai 1948 – dem Nakba-Tag (Tag der Katastrophe) – über 700.000 PalästinenserInnen aus ihrer Heimat vertrieben wurden.
Nachdem es unmittelbar nach der Staatsgründung zum Palästinakrieg kam, beanspruchte Israel 1949 nach dem Waffenstillstandsabkommen mit Ägypten, Jordanien, Libanon und Syrien ca. 77% des ehemaligen Mandatsgebietes für sich. Die durch das Abkommen geschaffene Linie stellt die de-facto-Grenze des heutigen Israel dar, die aber praktisch durch die im Jahr 2000 von Israel gebaute Mauer überschritten wurde, da diese sich zum größten Teil jenseits der Grünen Linie, das heißt auf palästinensischem Gebiet befindet. Dies liegt daran, dass die israelische Regierung die Siedlungen im Westjordanland natürlich auf ihrer Seite der Mauer haben will, was zur Schaffung vieler eingemauerter Enklaven führte und auch die Konsequenz hat, dass – sollte es zu einer Zwei-Staaten-Lösung kommen – das Gebiet eines zukünftigen Palästinas noch um einiges kleiner sein wird, während Israel wieder etwas an Fläche dazugewonnen hätte. Zusätzlich wurde vielen palästinensischen Dörfern durch den Bau der Mauer der Zugang zu ihren Brunnen verwehrt, weshalb auch ein nicht bindendes Gutachten des Internationalen Gerichtshof zu dem Schluss kam, dass die israelischen Sperranlagen gegen das Völkerrecht verstoßen. Seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 befinden sich die palästinensischen Gebiete im Westjordanland und im Gazastreifen ebenfalls unter israelischer Besatzung.

Folter und die Facility 1391
Es kann davon ausgegangen werden, dass seit 1967 mehr als 800.000 PalästinenserInnen von israelischen Kräften verhaftet worden sind. In diesem Zeitraum sind ungefähr 200 palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen gestorben. Diese Zahl allein zeigt schon, dass die von israelischer Seite propagierten guten Haftbedingungen, die die palästinensischen Häftlinge angeblich genießen sollen, nicht ganz der Wahrheit entsprechen können.
Folter durch Isolation, Schlafentzug und die Verlegung von palästinensischen Gefangenen auf israelisches Gebiet, um Besuche zu erschweren, sowie das Verbot von Telefonaten mit Familienangehörigen, da diese angeblich zur Planung von Terroranschlägen genutzt werden, gehören zu den Maßnahmen die gegen die politischen Gefangenen eingesetzt werden.
Hinzu kommt noch mindestens ein Geheimgefängnis, das direkt dem Militär untersteht, die berüchtigte Facility 1391 oder Camp 1391, in dem nach mehreren Aussagen ehemaliger libanesischer Häftlinge systematisch gefoltert wurde. Ehemalige Insassen berichten davon, dass weder ihnen noch ihren Angehörigen mitgeteilt wurde, wo sie sich befanden. In 2mx2m großen, schlecht beleuchteten und komplett schwarz gestrichenen Zellen mussten sie ausharren, bis sie dann zu Verhören gebracht wurden, die in einem anderen Raum stattfanden und in den meisten Fällen mit physischer Folter, die nach unterschiedlichen Aussagen von Schlägen bis zu Vergewaltigungen reichte. Zusätzlich wurde ihnen eine Art Sack gegeben, mit dem Befehl sich diesen über den Kopf zu ziehen, sobald ein Wärter oder Schließer die Zelle betritt.
Die Existenz dieses Gefängnisses, das auf keiner offiziellen Karte verzeichnet und von Luftbildern wegretuschiert ist, wurde 2003 von der israelischen Regierung bestätigt, aber der genaue Standort wurde weiterhin geheim gehalten. Der Historiker Gad Kroizer stieß bei Forschungen auf eine alte Karte, auf der 62 Polizeiposten aus der Kolonialzeit verzeichnet waren. Der Posten Meretz war auf keiner modernen israelischen Karte verzeichnet, so veröffentlichte Kroizer in einer akademischen Zeitschrift einen Artikel, worin er die Vermutung äußerte, dass es sich bei Meretz um Camp 1391 handele. Daraufhin erhielt der Verlag der Zeitschrift einen Anruf vom Militär, das wissen wollte, weshalb der Artikel nicht zur Zensur vorgelegt worden ist.

Administrativhaft
Im Sommer 2015 saßen – laut dem Justiziar der israelischen Gefängnisdienste Ehud Chalevy – 5686 PalästinenserInnen in israelischen Knästen in Haft, von denen rund 4000 rechtskräftig verurteilt worden sind. Die palästinensische Nichtregierungsorganisation Addameer veröffentlichte für das Jahr 2016 die Zahl von 7000 politischen Gefangenen, von denen sich 700 in sogenannter Administrativhaft befinden. Administrativhaft bedeutet, das PalästinenserInnen ohne Anklage, ohne Prozess und ohne Urteil zunächst für sechs Monate inhaftiert werden. Der Haftbefehl der Sicherheitskräfte wird dann nachträglich einer richterlichen Überprüfung unterzogen, wobei weder den Inhaftierten noch deren AnwältInnen der Grund für die Verhaftung mitgeteilt wird; ausreichend ist ein Verweis auf „Gründe der regionalen- oder öffentlichen Sicherheit“. Auch das Geheimhalten von Beweisen oder belastenden Materialien vor den VerteidigerInnen und dem Häftling ist zulässig, wenn dafür „Sicherheitsgründe“ vorliegen, was meist der Fall ist. Somit können die AnwältInnen die Vorwürfe nicht nachvollziehen, geschweige denn anfechten, was ihnen kaum Möglichkeiten lässt, ihre MandantInnen zu verteidigen.
Nach Ablauf der sechs Monate kann die Administrativhaft durch dieselbe Prozedur wieder verlängert werden, was dazu führt, dass sich viele PalästinenserInnen seit Jahren in Administrativhaft befinden, ohne zu wissen, wann sie wieder freigelassen werden. Andererseits werden in der Praxis auch viele Freigelassene kurze Zeit später erneut in Administrativhaft gesetzt. So befand sich der Palästinenser Mazen Natsheh nach mehreren Verhaftungen für insgesamt fast zehn Jahre in Administrativhaft.

Gefangenenwiderstand
Gegen diese Form der Haft, aber auch gegen die von den Israelis praktizierten Formen der Folter oder die willkürliche Verlegung von Gefangenen gibt es zahlreichen Widerstand, außerhalb wie auch innerhalb der Gefängnisse. Während sich der Widerstand im Knast vor allem durch Hungerstreiks der Gefangenen artikuliert, gibt es draußen palästinensische und israelische Menschenrechtsgruppen, die das Vorgehen der israelischen Repressionsorgane und den Umgang mit palästinensischen Häftlingen verurteilen.
Die ersten größeren Hungerstreiks palästinensischer Gefangener fanden 1998 – als insgesamt neun Hungerstreiks in verschieden Gefängnissen durchgeführt wurden – und 2001 statt. Am 1. Mai 2001 beteiligten sich nahezu 1000 Häftlinge an einem monatelangen Hungerstreik gegen die miserablen Haftbedingungen. Unterstützt wurden sie von Solidaritätsdemonstrationen in den palästinensischen Autonomiegebieten, die schließlich zu einem Massenprotest am Nakba-Tag, den 15. Mai führte und der am 18. Mai endete, nachdem 7 PalästinenserInnen getötet und 1000 verletzt wurden. Der Hungerstreik endete am 31. Mai, als die israelische Gefängnisbehörde versprach, den Beschwerden nachzugehen und die Besuchsregelungen zu lockern. Im Februar 2012 traten ca. 1.800 Gefangene in einen Hungerstreik, um gegen die Administrativhaft zu protestieren. Vier der Hungerstreikenden verweigerten über zwei Monate lang die Nahrungsaufnahme. Auch sie wurden draußen von Demonstrationen unterstützt, u.a. in Nazareth und Haifa. Der Hungerstreik wurde am 14. Mai beendet, als die israelische Regierung zustimmte, die Administrativhaft auf sechs Monate zu beschränken und mehr Besuche durch Angehörige zu ermöglichen, sowie Gefangene aus der Einzelhaft in normale Zellen zu überstellen.
Bis heute setzt sich der Widerstand der palästinensischen Gefangenen gegen die Administrativhaft fort.