Knast in Zeiten des Coronavirus

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen

Die Maßnahmen, die gegen die Ausbreitung des Coronavirus von den Herrschenden in allen Ländern beschlossen wurden, treffen die Gefangenen noch um einiges härter, da sie die beschissenen Haftbedingungen noch verschärfen. Ein kurzer und unvollständiger Überblick über die Situation in den Knästen.

Seit die Ausbreitung des Coronavirus am 11. März 2020 von der Weltgesundheitsorganisation zu einer Pandemie erklärt wurde, beschlossen die Regierungen diverse Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung. Spüren wir draußen vor den Knastmauern schon die damit einhergehenden Beschränkungen unserer Freiheiten, die fehlenden Sozialkontakte und die nicht unerheblichen Auswirkungen auf unsere politische Arbeit, so werden die Gefangenen hinter den Knastmauern dank der verschärften Haftbedingungen nun noch stärker als ohnehin schon isoliert und abgeschottet. Dabei sind Knäste in besonderem Maße von der Ausbreitung des Coronavirus betroffen, da hier viele Menschen auf dichtem Raum untergebracht sind und die gesundheitliche Verfassung vieler Gefangener wegen der katastrophalen medizinischen Versorgung im Knast sowieso schon miserabel ist. So wurden in den Gefängnissen der BRD Ausgänge, Freizeitangebote, Gruppenaktivitäten und Gottesdienste gestrichen, Besuchsmöglichkeiten eingeschränkt und in manchen Bundesländern werden Gefangene, die sich im offenen Vollzug befinden, jetzt komplett eingesperrt, in anderen Bundesländern wurden sie beurlaubt. Dementsprechend müssen viele Gefangene nun 23 Stunden am Tag auf ihrer Zelle verbringen. Die Möglichkeit mit anderen Gefangenen vertraulich zu sprechen, besteht natürlich auch nicht mehr, da man sich beispielsweise im Warteraum der Krankenabteilung mit zwei Meter Abstand voneinander – wobei das Abstandhalten in den meisten Fällen überhaupt nicht möglich ist – nur schwer etwas zuflüstern kann, ohne dass es ein Anstaltsscherge auch hört. Auch wurde vom OLG Karlsruhe am 30.03 beschlossen, dass die Untersuchungshaft verlängert werden kann, sollte eine Hauptverhandlung aufgrund der Coronapandemie ausgesetzt werden. Viele Gefangene beschweren sich auch, dass sie nur mangelhaft über die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Pandemie informiert werden und sie sich noch mehr als sonst der Willkür der Wärter ausgesetzt fühlen.
Allerdings gibt es auch zunächst gut klingende Nachrichten: Die niedersächsische Landesregierung hat beschlossen, den Abschiebeknast Langenhagen bis auf Weiteres zu schließen und alle Gefangenen wurden in die Freiheit entlassen. In Halle und Worms wurden alle aus dem Jugendarrest entlassen und die Jugendarrestanstalt Halle bis zum 30.06. geschlossen. Jedoch bleibt anzumerken, dass es sich zwar zunächst gut anhört, wenn die Leute entlassen werden und Ersatzhaftstrafen ausgesetzt werden, die Entlassungen erfolgten aber meist ohne Vorbereitung. Das heißt, die Leute haben unter Umständen keine Wohnung und werden mit quasi nichts einfach auf die Straße entlassen.
Für aktuelle Neuigkeiten über die Veränderungen und Situationen in den deutschen Knästen möchten wir noch auf folgende Internetseite verweisen:
https://criminalsforfreedom.noblogs.org/

Situation in Europa

Im Folgenden beziehen wir uns auf die Veröffentlichung des European Prison Observatory vom 10. April 2020, um eine Übersicht der allgemeinen Lage in den Knästen Europas zu liefern, wo in den meisten Fällen ähnliche Verschärfungen der Haftbedingungen erfolgten wie in der BRD.
In Belgien, dass die am stärksten überbelegten Gefängnisse innerhalb der EU hat (122 Gefangene pro 100 Plätzen), sind bereits 32 Wärter positiv auf den Virus getestet worden und sieben Gefangene wurden in Krankenhäuser verlegt, während 53 andere isoliert wurden und medizinisch überwacht werden, nachdem sie moderate Symptome zeigten, allerdings wurden sie noch nicht auf den Virus getestet.
In Frankreich gibt es so gut wie keine hygienischen Maßnahmen, die Gefangenen dürfen keine Masken tragen und hydro-alkoholisches Desinfektionsgel ist aufgrund des Alkoholverbots nicht erlaubt. Es sollen 5.000 Gefangene entlassen werden. Bisher (28.03.) gibt es einen bestätigten Todesfall aufgund des Coronavirus in Fresnes. 21 Gefangene wurde positiv auf den Virus getestet und einige hundert sollen sich in präventiver Isolation befinden.
In Kroatien gibt es noch keinen Fall von COVID-19 (Stand 06.04.20) innerhalb der Gefängnisse. Auch hier wurden Besuche und Ausgangserlaubnisse sowie Gruppenaktivitäten massiv eingeschränkt.
In den Niederlanden gelten ähnliche Einschränkungen, die Kommunikation mit den Anwälten darf nur noch telefonisch erfolgen, die Gefangenen erhalten hierfür zusätzliches Geld. Alle Gefangenen mit einer Körpertemperatur über 38 Grad dürfen ihre Zellen nicht verlassen, das betrifft momentan (02.04.20) fünf Menschen, wovon vier positv auf den Virus getestet wurden. Als weitere Maßnahme wurde die Anzahl von Gefangenen mit Fußfesseln von bisher 700 auf 900 erhöht, um die Knäste zu entlassen.
In Rumänien sind drei Gefangene gestorben und zwei schwer verletzt worden, nachdem Gefangene begonnen hatten ihre Matratzen anzuzünden, um gegen die Einschränkung der Besuchszeiten zu protestieren.
Bis zum 08.04. sind in Spanien eine Gefangene und zwei Knastbeamte am Coronavirus gestorben, 34 Gefangene und 177 Knastbeamte wurden positiv auf den Virus getestet, während sich 245 Gefangene in präventiver Isolation befinden. Dutzende Organisation haben angeprangert, dass die Gefängnisinstitutionen in Spanien nicht den Empfehlungen der WHO und des Europarates gefolgt sind und nicht genug getan haben, um Gefangene zu entlassen. Die Zahl der über 65-jährigen in spanischen Gefängnissen lag im Januar 2019 bei 1.466, eine sehr hohe Anzahl verglichen mit anderen europäischen Ländern.
In der Schweiz, wo Familienbesuche durch Plexiglasscheiben noch erlaubt sind, starteten Gefangene in Champ-Dollon Anfang April einen fünfstündigen Protest gegen die restriktiven Maßnahmen, indem sie sich weigerten auf ihre Zellen zurückzukehren. Die vermeintlichen Aufrührer wurden in Sicherheitszellen gesperrt.
In der Türkei wurde vom Parlament ein Gesetzentwurf bewilligt, der die Freilassung von rund 90.000 Gefangenen vorsieht, um die überfüllten Gefängnisse (300.000 Gefangene bei 120.000 Plätzen) zu leeren. Ausgenommen von dem Gesetz sind politische Gefangene sowie Gefangene, die wegen Verbrechen gegen den Staat, Mordes, Sexualstraftaten oder Drogendelikten veruteilt wurden. Drei Gefangene sind in der Türkei bereits am Coronavirus gestorben und 17 Gefangene aus fünf Gefängnissen seien nach offiziellen Verlautbarungen mit dem Virus infiziert.
Im Vereinigten Königreich hat das Justizministerium angekündigt, dass in England und Wales 4000 und im besetzten Nordirland 100 Gefangene freigelassen werden sollen, wobei die Entlassenen aber elektronisch getagged werden und im Verdachtsfall wieder eingeknastet werden können. Sechs schwangere Gefangene wurden seit dem 31. März entlassen, nachdem das Justizministerium sagte, dass schwangere Frauen und Frauen, die mit ihren jungen Kindern eingesperrt sind, zu ihrem Schutz temporär entlassen werden. Derzeit (09.04.20) befinden sich noch 35 schwangere Gefangene und 34 Gefangene in Mutter-Baby-Zellen verteilt auf zwölf Frauengefängnisse in England in Haft. Bisher wurde bestätigt, dass zehn Gefangene gestorben sind, nachdem sie sich mit dem Coronavirus infiziert hatten. Laut einer Studie vom 05.04. wurden 107 Gefangene in 38 verschiedenen Gefängnissen positiv auf den Coronavirus getestet.

Weltweit

Im Iran wurden 85.000 Gefangene vorübergehend freigelassen, von denen die Hälfte politische Gefangene sein sollen, 10.000 Gefangene sollen eine Amnestie erhalten haben. Nachdem in mindestens acht Gefängnissen tausende Gefangene für bessere Sicherheitsmaßnahmen gegen den Virus demonstriert hatten, sind laut Amnesty International mehr als als 30 Gefangene von Sicherheitskräften, die die Aufstände mit scharfer Munition und Tränengas niederschlugen, getötet worden.
Im Libanon gab es seit Mitte März immer wieder Aufstände in den Gefängnissen und einige Gefangene sind in Hungerstreik getreten, um eine zumindest zeitweise Freilassung aus den Knästen zu erwirken. Im Zahle-Gefängnis wurde ein einige Meter langer Tunnel gegraben, der von den Sicherheitskräften entdeckt wurde, was zu einer Razzia führte, bei der mehrere Gefangene und ein Beamter verwundet wurden. Die Regierung ließ verlautbaren, dass bis zu einem Drittel der Gefangenen freigelassen werden könnten, bisher (09.04.20) seien 559 Gefangene in die Freiheit entlassen worden.
In Chile hat das Verfassungsgericht die Begnadigung von 1.300 Gefangenen bewilligt, wobei die Freigelassenen unter Hausarrest gestellt werden sollen. Betroffen sind Gefangene über 75 Jahren, Schwangere und Mütter von Kleinkindern.
In Kolumbien gab es Knastaufstände in Bogotá gegen die miserablen hygienische Bedingungen in deren Folge es zu 23 Toten und 83 Verletzten kam.
In Brasilien sind hunderte Gefangene aus vier halboffenen Gefängnissen in Sao Paulo geflohen, nachdem der Gefängnisurlaub über Ostern abgesagt und Besuchsregelungen verschärft worden sind.

Unsere Forderungen
Rücknahme des Besuchsverbots!
Transparenz gegenüber den Gefangenen!
Freilassung der Gefangenen!
Unbezahlter Wohnraum für alle!
Gewährleistung einer menschenwürdigen Gesundheitsversorgung!
Knäste zu Baulücken!