Shorty wird mit Sicherungsmaßnahmen eingedeckt

Thomas Meyer-Falk

Vor ein paar Wochen berichtete ich über Herrn H. aus der JVA Freiburg, der in Einzelhaft landete. Jetzt hat es auch Shorty, einen Verwahrten Anfang 40 und an ADHS erkrankt, erwischt. Er wurde mit umfangreichen Sicherungsmaßnahmen eingedeckt und auf eine andere Station verlegt.

Die Vorgeschichte
Shorty und Herr H. saßen beide auf der Station 2 der Freiburger Sicherungsverwahranstalt, aus den ersten Jahren meiner Berichterstattung als „Todesstation“ bekannt, da hier mehrfach Insassen starben. Sie kochten täglich zusammen, spielten Schach und schauten im Gruppenraum zusammen fern. Beide waren, wie so viele Verwahrte, unzufrieden. Unzufrieden mit den Haftbedingungen, aber besonders mit der fehlenden Perspektive, denn in überschaubarer Zeit frei zu kommen ist für Shorty wie für Herrn H. nicht zu erwarten.
In einem Gespräch der beiden mit dem Vollzugsleiter Thomas G., er zeichnet primär verantwortlich für die Leitung der SV-Abteilung, kam es dann zur Konfrontation. Herr H. bekundete über personenbezogene Details des Vollzugsleiters zu verfügen, darunter Geburtsdatum und Geburtsort. Er fand sich dann alsbald in der Isolationsstation der Strafhaft wieder (https://de.indymedia.org/node/42318) und wurde zwischenzeitlich per Einzeltransport in die bayrische JVA Straubing verlegt.
Bei Shorty brauchte es noch einige Tage bis die Anstalt reagierte. Er setzte in Umlauf, er verfüge über einen Therapiebericht, betreffend den Vollzugsleiter. Dieser solle einmal selbst in Behandlung gewesen sein und er, Shorty, habe dazu einen Therapiebericht. Außerdem wisse er noch viel, viel mehr.

Die erste Reaktion der Anstalt

Man räumte daraufhin alles an Papier aus Shortys Zelle, da wohnte er noch auf Station 2. Nein, nicht alles Papier, das Klopapier, das beließ man ihm, aber ansonsten sämtliche Unterlagen, Akten, selbst Zeitungen nahm man mit und durchsuchte sie, immer auf der Suche nach irgendwelchen „geheimen“ oder „vertraulichen“ Daten. Shorty machte sich auch einen Spaß daraus, das Personal zu foppen. Da geriet ihm ein etwas verschwommener Ausdruck einer Phantasiefigur, nach deren Vorlage Shorty im Rahmen der Arbeitstherapie aus einem Holzklotz selbige nachschnitzt, zu einer „Röntgenaufnahme des Knies“ des Vollzugsleiters. Was auch wieder hektische Klärungsversuche seitens der Anstalt nach sich zog, bis man dann sicher war, diese Bilder zeigen keineswegs das Kniegelenk des Herrn Thomas G., sondern die in der Arbeitstherapie zu schnitzende Figur. Das Gelächter auf den Stationen über diese Episode war vernehmlich. Wenn man aber seitens der Anstalt etwas nicht leiden kann, dann Spott.

Der Fund angeblich brisanter Daten
In einem Kalender von Shorty stieß man seitens der Anstalt auf angeblich vertrauliche Daten, so die JVA. Nämlich Informationen über Fortbildungsveranstaltungen der Bediensteten. Ferner sei ein ausgedruckter E-Mail-Header gefunden worden, aus welchem sich der Verteiler der Anstalt ergebe, mithin auch die Vornamen der entsprechenden Bediensteten. Hierzu fand dann eine Anhörung Shortys statt. Allerdings machte dieser zur Herkunft der Daten keine Angaben. Was ihm dann auch negativ ausgelegt wurde.

Die Sicherungsverfügung vom 30.09.2019 und die Klage hiergegen
Die Anstalt ordnete am 30.09.2019 umfangreiche besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Shorty an. Zum einen müsse er von der Station 2 auf eine andere Station umziehen. In den Hof dürfe er nur noch alleine, und zwar morgens in aller Herrgottsfrühe, und dies auch nur eine einzige Stunde pro Tag. Ferner dürfe er tagsüber an Werktagen zwar vormittags in die Arbeitstherapie, allerdings ab 13 Uhr sei er in seiner Zelle wegzuschließen. Andere Stationen als die seinige dürfe er nicht mehr betreten, also auch keine Insassen mehr im Rahmen des „Stations-Umschlusses“ besuchen gehen. Zu diesen und weiteren Maßnahmen finden sich die Details in dem als PDF angefügten Beschlusses des Landgerichts Freiburg.
Am selben Tag noch wandte sich Shorty an das Landgericht Freiburg und beantragte Eilrechtsschutz. Ferner bat er die Aufhebung der Maßnahmen gerichtlicherseits anzuordnen. Zum einen seien diese nämlich nicht ausreichend begründet worden, zum anderen seien sie auch inhaltlich ungerechtfertigt, da kein Sachverhalt vorliege, der solche Einschränkungen auch nur ansatzweise rechtfertige.

Die Entscheidung des Gerichts und die Reaktion der Anstalt
Nur wenige Tage später entschied Richter Z. vom LG Freiburg (Az.: 13 StVK 738/19, Beschluss vom 12.11.2019), dass sämtliche von Shorty angefochtenen Maßnahmen „aufgehoben“ seien, d.h. er siegte in vollem Umfang. Die JVA müsse, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, neu entscheiden. Wie erwähnt, der Beschluss findet sich anonymisiert als PDF-Anhang zu diesem Artikel. Richter Z. rügte ins besonders, dass die erheblich in die Lebenssituation von Shorty eingreifenden Maßnahmen nicht nachvollziehbar begründet seien.
Shorty verlangte daraufhin sofort wieder wie ein ganz normaler Sicherungsverwahrter behandelt zu werden, also in den Hof zu dürfen, wann er wolle und andere Insassen auf deren Stationen besuchen zu dürfen. Aber es sollte anders kommen!
Am 15.11.2019 wollte der Bereichsdienstleiter Herr W. Shorty eine umfangreiche Verfügung der Anstaltsleitung eröffnen, denn die Anstalt hatte in Folge der Gerichtsentscheidung tatsächlich neu entschieden. Allerdings sollte Shorty mehrere eng bedruckte Seiten durchlesen, auf welchen fast dieselben, eigentlich aufgehobenen Maßnahmen erneut festgelegt wurden. Nunmehr jedoch ausführlich begründet. Lediglich die Zelleneinschlusszeit sei auf nunmehr 17:30 Uhr bestimmt worden, statt wie üblich 22 Uhr, so Shorty. Ansonsten bliebe es bei den schon zuvor angeordneten Einschränkungen.
Angesichts der ADHS-Erkrankung, an der Shorty leidet, war es ihm nicht möglich, den Inhalt des umfangreichen Textes der Begründung der Verfügung zu erfassen und schon gar nicht konnte er sich den umfangreichen Schriftsatz merken. Selbst ein Mensch ohne eine solche ADHS bedingte Einschränkung wäre dazu wohl eher nicht in der Lage gewesen. Herr W. habe, so Shorty, es ausdrücklich abgelehnt, ihm eine Kopie der Verfügung zu überlassen.
Mittlerweile, so Shorty, habe aber sein Vater sich telefonisch und per E-Mail beim Anstaltsleiter, ferner beim Justizministerium und auch bei Richter Z. vom Landgericht Freiburg darüber beschwert, wie sein Sohn in der Sicherungsverwahrung behandelt werde. Des weiteren will Shorty gegen die neue Verfügung ebenfalls vor Gericht ziehen, denn er beharrt darauf, dass ihm hier eklatantes Unrecht widerfahre.

Resümee
Hier wird nicht mit dem Florett gefochten, sondern mit dem Holzhammer. Während die Insassen für die Anstalt zu gläsernen Wesen mutieren, deren Regungen notiert und aktenmäßig erfasst, analysiert und bewertet werden, wird man als Insasse mit massiven Repressionen konfrontiert, sobald das Personal meint es werde seinerseits „ausgeforscht“. Da müssen dann auch banalste Informationen, wie ein E-Mail-Header für die Spekulation herhalten, dass damit „Bedienstete unter Druck“ gesetzt werden könnten. Wie man Bedienstete vermittels Kenntnis ihrer Vornahmen „unter Druck“ setzen können soll, das bleibt wohl ewigliches Geheimnis der talentierten und kreativen Köpfe der Anstaltsleitung, zumal sich das Personal hier im Alltag durchweg mit Vornamen anspricht, diese also allgemein bekannt sind.
Der gerichtliche Sieg von Shorty zeigte erstmal nur geringe Wirkung, vielleicht wird in einem zweiten gerichtlichen Verfahren der Anstalt dann deutlicher ihre Grenze aufgezeigt. Im Fall des eingangs erwähnten Herrn H. ist noch nachzutragen, dass dieser in einem Brief aus Straubing berichtete, er habe gegen die Einzelhaft, die in Freiburg angeordnet war, auch vor dem LG Freiburg geklagt. Er habe dort gewonnen. Nur sei als Konsequenz seines gerichtlichen Sieges die Verlegung nach Straubing erfolgt!
Shorty sagt, er selbst lasse sich jedenfalls nicht unterkriegen und der Umgang mit ihm bekräftige ihn vielmehr in seiner kritischen Haltung, denn während man von ihm verlange, er solle sich an Gesetze halten, erlebe er, dass wenn es um seine Rechte gehe, selbst gerichtliche Entscheidungen zu seinen Gunsten im Alltag wenig helfen würden.
Solange es an einer breiteren gesellschaftlichen Unterstützung von inhaftierten Menschen mangelt, wird sich dort nicht viel verbessern. Da kann das Bundesverfassungsgericht noch so oft betonen, dass im Bereich der Sicherungsverwahrung die Inhaftierten ein „Sonderopfer“ für die Gesellschaft erbrächten, weil sie nämlich lediglich aufgrund von Spekulationen weiterhin in Haft gehalten würden, ggf. bis zum Tod (erst vor wenigen Wochen starb ein weiterer Freiburger Sicherungsverwahrter).
Wie man an den Fällen von Herrn H. und Shorty anschaulich verfolgen kann, nützen gerichtliche Entscheidungen in der Praxis oftmals nicht allzu viel. Wehren sich aber Inhaftierte nicht mit legalistischen Mitteln, sondern mit „illegalen“, werden sie dann dafür verfolgt und bestraft. Im Grunde also eine paradoxe Situation: Egal ob sie vor Gericht ziehen oder sich anderer Mittel bedienen, am Ende läuft es auf dasselbe Ergebnis hinaus.