Solidarität Heißt Weiter Kämpfen!

Redebeitrag United we Stand – Solidarität Heißt Weiter Kämpfen! auf der Knastkundgebung in Hamburg am 13. April 2019

Solidarität Heißt Weiter Kämpfen!

Hallo liebe FreundInnen und GenossInnen drinnen und draußen! Erst mal solidarische Grüße an Loic, alle anderen politischen Gefangenen und alle Gefangenen überhaupt. Dies ist ein Redebeitrag von „Solidarität Heißt Weiter Kämpfen!“
Vor knapp 2 Jahren im Juli 2017 gab es den G20-Gipfel in Hamburg, ein Treffen der 19 reichsten Länder der Welt und der EU. Es trafen sich Imperialisten wie Trump und Putin, Diktaturen wie Erdogan, Folterstaaten wie Saudi-Arabien sowie die sog. bürgerlichen Demokratien wie Frankreich und Deutschland. Eine selbst ernannte Weltregierung ohne jegliche Legitimation. Ziel der G20 war die Absprache von Strategien zur Verteilung von Macht und Reichtum, um durch Ausbeutung, Enteignung, Krieg, Umweltzerstörung, Hungerkatastrophen und die Bekämpfung von Fluchtbewegungen den Reichtum der reichsten Länder auf Kosten des Großteils der ärmeren Weltbevölkerung zu sichern und auszubauen. 8 Milliardäre haben mehr Vermögen als 50 % der Weltbevölkerung.
Der Gipfel der Herrschenden traf auf den zigtausendfachen Widerstand der linken Bewegung gegen die Weltherrschaft der G20-Staaten generell und gegen die Abhaltung des Gipfels in einem linken Szeneviertel als Kampfansage und Provokation im besonderen.
Staatliche Repression gab es schon im Vorfeld: Demoverbotszone von 38 qkm, Verbot jeglicher Camps, Observationen, Hausdurchsuchungen, ein Extra-Knast für G20-Gegner mit einem hieran angeschlossenen Sondergericht.
Rund um den Gipfel gab es dann den größten Polizeieinsatz in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg mit 31.000 Bullen, 44 Wasserwerfern, 10 Räumpanzern, 28 Hubschraubern, 30 Booten, 70 Pferden und 185 Polizeihunden.
Dem entgegen stand die Massivität und Vielfältigkeit des Widerstands. Massencornern, Techno-Rave „Lieber tanz ich als G20“ mit 25.000 Leuten, autonome antikapitalistische Demo „Welcome to Hell“ mit 15 bis 20.000 Menschen, die Blockaden des zivilen Ungehorsams rund um die Rote Zone, militante Aktionen wie in der Elbchaussee, Straßenkampf und Riot im Schanzenviertel mit einem für 4 Stunden polizeifreien Gebiet sowie die spektrenübergreifende Großdemonstration mit 80.000 Menschen und vieles andere. Insgesamt waren ca. 200.000 Menschen an den verschiedenen Protesten beteiligt.
Wie erwartet brachte der G20-Gipfel auch aus Sicht der Herrschenden keinerlei konkrete Ergebnisse. Die Kosten beliefen sich auf 300 Millionen EUR. Blockaden zivilen Ungehorsams, militante Kleingruppenaktionen, Massenmilitanz und Riot. Immer wieder verlor der hochgerüstete Repressionsapparat die Kontrolle über das Geschehen. Das staatliche Gewaltmonopol wurde massiv in Frage gestellt und war phasenweise über mehrere Stunden aufgehoben. Barrikaden und Aneignungsaktionen bestimmten das Bild. Polizeieinheiten wurden mehrfach in die Flucht geschlagen.
Unmittelbar nach dem Gipfel begann der staatliche Rachefeldzug. Die massive Repression des Staates nach den Aktionen während des G20-Gipfels hält bis heute an. Eine mehrfach als Öffentlichkeitsfahndung inszenierte Menschenjagd in ganz Europa sowie zahlreiche Hausdurchsuchungen und Festnahmen zeigen einerseits den Verfolgungseifer des Staates, andererseits die Willkür und Schwäche der staatlichen Behörden.
Die eigens für die G20-Repression gegründete Soko „Schwarzer Block“ mit 180 Beamten leitete bis jetzt ca. 3.500 Ermittlungsverfahren gegen 900 namentlich bekannte Personen sowie gegen Unbekannt ein. Grundlage war oftmals die Auswertung von Foto- und Videodateien unter Anwendung von Gesichtserkennungssoftware. Es gab bisher 5 Öffentlichkeitsfahndungen mit Lichtbildern von 400 Personen, von denen angeblich 110 Personen identifiziert worden sein sollen. Die Justiz kommt nicht hinterher, erst 143 Gerichtsverfahren waren (Stand Januar 2019) abgeschlossen, davon 9 Haftstrafen ohne Bewährung, 51 Freiheitsstrafen mit Bewährung, der Rest sind Geldstrafen, Einstellungen und Freisprüche. Immerhin liegt die Freispruchquote von 10 % in G20-Verfahren weit über dem Durchschnitt von 2 %.
Ein Ende des juristischen Nachspiels ist noch lange nicht in Sicht.
Seit dem 18.12.2018 läuft der sog. „Elbchausseeprozeß“ gegen 4 Leute aus Frankfurt/Offenbach und Loic aus Frankreich. 2 Leute aus Frankfurt/Offenbach saßen nahezu 8 Monate in Untersuchungshaft, bevor die Haftbefehle im Februar diesen Jahres endlich aufgehoben wurden. Loic aus Frankreich wurde im August 2018 aufgrund eines von Deutschland erwirkten internationalen Haftbefehls in Frankreich festgenommen, im Oktober 2018 nach Deutschland überführt und ist als einziger noch immer in Untersuchungshaft. Loic muss raus aus dem Knast! Liberté pour Loic!
Am frühen Morgen des ersten Gipfeltages machten einige 100 AktivistInnen ihrer Wut über die herrschenden Verhältnisse Luft und verdeutlichten ihre Unversöhnlichkeit mit dem kapitalistischen System durch das Entglasen von Konsulaten, Banken, Geschäften und Ämtern und das Anzünden von Autos in der im Villenviertel gelegenen Elbchaussee. Angesichts der verhältnismäßigen Stille, ja Gleichgültigkeit, bei Angriffen auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte ist es dennoch nicht verwunderlich, welche Empörung ein paar zerstörte Scheiben und Autos hervorrufen. Noch immer gilt: „Scheiben klirren und ihr schreit, Menschen sterben und ihr schweigt!“ Den in der Elbchaussee Geschädigten wurde eine Zahlung von bis zu 40 Millionen EUR zugesichert, den Angehörigen der Opfer des NSU insgesamt eine Million EUR Entschädigung gewährt. Dies verdeutlicht die massive Diskrepanz bei der Wahrnehmung des Wertes von Menschenleben im Vergleich zu Waren und Konsumgütern. Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind!
Die 5 Beschuldigten werden als vermeintliche Täter präsentiert, konkrete Taten werden ihnen nicht vorgeworfen, sie sollen vor Ort gewesen sein. Auf diese Weise konstruiert die Staatsanwaltschaft eine strafrechtliche Mithaftung für Alles! Bereits die bloße Anwesenheit auf einer Demo, aus der heraus strafbare Aktionen stattfinden, soll für jeden Teilnehmer strafbar sein, selbst wenn er erst später hinzugekommen ist oder sich vorzeitig entfernt haben sollte. Aus juristischer Sicht ist es sicher sinnvoll und notwendig, dieses Konstrukt der Kollektivschuld anzugreifen.
Nach unserem Verständnis der Solidarität ist es völlig egal, ob jemand bei einer solchen Aktion aktiv oder lediglich anwesend ist. Unsere Solidarität gilt allen an der Aktion Beteiligten! Widerstand ist vielfältig und unteilbar, unsere Solidarität gilt allen von Repression Betroffenen, egal was sie nach den Anschuldigungen der Klassenjustiz gemacht haben sollen. Solidarität ist unteilbar!
Es ist offensichtlich, dass es nach der Anklage darum gehen soll, Menschen von künftigem politischen Protest abzuhalten und eine ganze Bewegung einzuschüchtern, in dem einzelne drakonisch bestraft werden. Polizei und Staatsanwaltschaft wollen nach mehr als 1 ½ Jahren Arbeit der eigens eingerichteten Soko „Schwarzer Block“ endlich Ergebnisse vorweisen, „Schuldige“ präsentieren und mit Hilfe der Gerichte ein Exempel statuieren.
Die Angeklagten haben einen langen Prozess vor sich, inzwischen wurden weitere Verhandlungstage bis in den September 2019 angesetzt. Der Show-Prozess Elbchaussee muss weiterhin begleitet und kritisiert werden. Die ersten beiden Prozesstage fanden vor einem überfüllten Zuhörerraum statt, die Angeklagten wurden mit minutenlang anhaltendem Beifall, Victory-Zeichen und erhobenen Fäusten begrüßt und verabschiedet. Am 3. Prozesstag wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit für die gesamte Dauer der Beweisaufnahme ausgeschlossen, dies gilt bis zu den Plädoyers und der Urteilsverkündung. Der beabsichtigte „Geisterprozess“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit ist ein Angriff auf die kritisch-solidarische Prozessbegleitung, auf uns als Solidaritätsbewegung insgesamt. Der Ausschluss erfolgte gegen den erklärten Willen der – auch jugendlichen – Angeklagten und ihrer Verteidiger. Zur Begründung wurde doch tatsächlich behauptet, Solidarität sei „erziehungsschädlich“, die Jugendlichen könnten nicht frei und unbeeinflusst entscheiden, ob sie aussagen und Reue zeigen wollen, dies unter anderem aufgrund der Empfehlung zur Aussageverweigerung durch die Rote Hilfe und die Unterstützung durch United we Stand sowie infolge der Solidaritätsbekundungen aus dem Publikum. Der wahre Grund für den Ausschluss der Öffentlichkeit ist das kämpferische Verhalten der solidarischen Bewegung, die sich weder distanziert noch einschüchtern läßt und dies auch deutlich zum Ausdruck bringt. Die Angeklagten wollen und brauchen weiterhin unsere volle Solidarität, insbesondere Loic, der immer noch im Knast ist.
Schon zu Prozessbeginn gab es in mehreren Städten, auch in Frankreich, Aktionen, Kundgebungen und Demonstrationen, so auch die kraftvolle Demo am Vorabend des ersten Prozesstages in Hamburg mit ca. 500 Teilnehmern, später dann am 16.3.19 zum Tag des politischen Gefangenen eine weitere Demo mit ca. 400 Personen. An den einzelnen Prozesstagen gab es immer wieder Kundgebungen vor dem Gerichtsgebäude mit Redebeiträgen und Musik. Außerdem gibt es vor jedem Prozesstag von 7.00 bis 8.00 Uhr Radiosendungen auf FSK zum aktuellen Prozessgeschehen. Das wird so weitergehen, die nächsten Prozesstermine sind am 26.April sowie am 2. und 3.Mai, jeweils um 9.30 Uhr, immer noch ohne Öffentlichkeit im Gerichtsgebäude, aber mit Kundgebung ab 9.00 Uhr davor.
Solidarität ist vielfältig. Es hat auch direkte Soli-Aktionen gegeben, auch in letzter Zeit. In einer auf Indymedia erschienenen Erklärung vom 29.3.19 heißt es: „In der Nacht vom 28. auf den 29.3 wurden an der Randalehauptstraße Elbchaussee bei zwei Immobilienbüros die Scheiben zerstört. Gegen die Stadt der Reichen! Mit Freude war festzustellen, dass in der gleichen Nacht andere Wütende das Amtsgericht in Barmbek angegriffen haben. Keine Ruhe den G20-Schauprozessen, unterstützt die Gefangenen, Anna und Arthur halten das Maul! Solidarität heißt weiter kämpfen!“ (soweit diese Erklärung).
Wir werden weiterhin Demos machen, wir werden weiterhin Kundgebungen machen, zu den Prozessterminen beim Gericht und auch hier am Knast. Zeigen wir den Angeklagten, dass sie nicht alleine sind. Schreibt massenhaft Postkarten und Briefe an Loic. Lasst uns die Isolation durchbrechen! Für Loic: Solidarität heißt weiter kämpfen, für dich und gemeinsam mit dir!

Wir lassen uns nicht spalten in „Gut“ und „Böse“, der Widerstand gegen den G20-Gipfel in Hamburg war legitim.

Unsere Solidarität gegen ihre
Repression!
Solidarität ist eine Waffe!
Solidarität heißt weiter Kämpfen!
United we stand!
Power durch die Mauer bis sie bricht!
Liberte pour Loic!