Zuckerbrot und Peitsche um die proletarische Jugend zu brechen

Tim Hilgendorf

Genossinnen und Genossen, mit diesem Artikel möchte ich euch einen kurzen Einblick in das Leben eines Jugendknastes gewähren, mit welchen Methoden versucht wird hier die proletarische Jugend zu brechen.

Es fängt schon bei dem Weg in die „Aufnahmeabteilung“ an, denn es gibt einen bestimmten Weg für Gefangene und einen für die Schließer*innen. Den Weg des Personals zu benutzen ist strengstens untersagt, dies wird mit Disziplinarmaßnahmen bestraft. Diese „D-Maßnahmen“, wie sie hier genannt werden, können je nach Befinden des Personals 1 Tag Isolation oder 1 Woche ,sogar 2 Wochen, Isolation sein. Dies kann eine Wachtel frei heraus entscheiden und dir gegenüber aussprechen. Es gibt auch 10-wöchige Isolation, hierfür müssen jedoch alle Wachteln der hiesigen Abteilung an einer Konferenz teilnehmen, wo der Sachverhalt eines schwerwiegenden Vergehens „geprüft“ wird. Solch ein schweres Vergehen fängt bei „unangemessenem Verhalten“ gegenüber Wachteln an und hört bei einer Schlägerei auf. Eine sichere Quelle berichtete mir, dass bei solch einer Konferenz befangenen geurteilt wird. Meistens muss nur eine Wachtel dafür sein, die anderen widersprechen nicht und stimmen der Isolation zu. Wir halten an einem kurzen Beispiel fest: Ein 14-jähriger Gefangener, der im Knastalltag unterdrückt wird und sich aufmüpfig gegenüber den Personal verhält, fängt an sich gegen die Unterdrückung anderer Gefangener zu wehren. Er wird angegriffen, weil er sich nicht mehr unterdrücken lässt. Dieser 14-jährige bekommt wie der Täter eine „D-Maßnahme“. Also Isolation für 10 Wochen, weil er sich gewehrt hat. Dazu ist hinzuzufügen, dass in manchen Fällen die Opfer mit milderen Strafen davon kommen als die Täter, dies hängt dann davon ab, wie sich das Opfer gegenüber dem Personal in der Haftzeit verhalten hat. In der sogenannten Aufnahmeabteilung soll der junge Gefangene nach dem Kriterium „durchsetzungsfähig“ oder „nicht durchsetzungsfähig“ eingeschätzt werden. Es gibt für diese dann auch jeweils spezielle „VZA´S“ („Vollzugsabteilungen“ auf welche mensch verlegt wird. In der Aufnahmeabteilung und auch auf de anderen VZA´S gibt es „Freizeitmaßnahmen“, sprich von 19-21 Uhr darf der oder die junge Gefangene sich auf der Piste und im Gemeinschaftsraum aufhalten oder das Freizeitangebot der Abteilung nutzen. An einer solchen Freizeitmaßnahme dürfen sich jedoch nur junge Gefangene beteiligen, die vom diensthabenden Beamten/in ausgewählt wurden – sprich es wird willkürlich entschieden! Bsp.: Wenn dich das Personal nicht leiden kann wirst du nicht an einer solchen „Freizeitmaßnahme“ teilnehmen können, weil die Zellentür dann halt zu ist!
Da wir in einem vom Christentum geprägten Land leben, ist der 24. Dezember auch ein besonderer Tag im Knast. An diesem Tag gibt es für jeden genug zu Essen und sogar einen „Christstollen“ und Schokomilch, sonst gibt es nur Essen von dem mensch nicht satt werden soll. Es soll nur zum Überleben reichen, doch nicht am 24. Dezember. Dort soll jeder genug haben. Mir wurde berichtet, dass es zu Ostern wohl auch so ähnlich laufen wird, viel Essen und längere Aufschlusszeiten.

Nun vom Zuckerbrot zurück zur Peitsche.
Bist du als junger Gefangener „besonders aufmüpfig“ kann es sehr gut möglich sein, dass du „Arrest“ bekommst. Arrest heißt Isolation und der Entzug von Strom und der sogenannten „HaftHartz4“,welches im Beamtenmund Taschengeld heißt. Ist sozusagen Sozialhilfe, die du als junger Gefangener beantragen kannst. Diese „Sozialhilfe“ beträgt in der Regel 30€ für 1 Monat. Also halten wir kurz fest, wenn du in den Arrest kommst und du keine Menschen hast, die dich von draußen unterstützen könnten, dann kannst du dir nicht ein mal Duschbad oder Zahncreme kaufen zum Einkaufstag, der nur 1x im Monat stattfindet. Neben den Arrestzellen gibt es auch noch den sogenannten „besonders gesicherten Haftraum“, kurz „BGH“. Dort kommst du hin, wenn du dich mit dem Personal schlägst oder ein physisches Wrack bist. Dies ist eine Gummizelle, wo du an dein Gummibett gefesselt wirst. Du bekommst einen Kittel als Kleidungsstück, ob im Hungerstreik oder nicht, wirst du dort zwangsernährt. Natürlich geht niemand freiwillig mit. Wenn es heißt, du sollst in den „BGH“, wird die Sicherheitsgruppe gerufen. In der Knastsprache heißen sie „Die Schwarzen“ (auf Grund der schwarzen Uniform).
Diese Gruppe besteht aus auffallend autoritären, besonders geschulten Beamten/in. Diese gibt es in jeder JVA. Doch es ist dazu zu sagen, dass es auch „Schwarze“ gibt, welche ihre Position nutzen, um Gefangenen zu helfen oder sie zu schützen, da sind wir dann wieder bei der Überschrift Zuckerbrot und Peitsche, um die proletarische Jugend zu brechen getreu dem Motto „Guter Beamter/in böser Beamte/in…“
„Die Schwarzen“ sind auch diejenigen, die Razzien organisieren und vollziehen. Neben einer Razzia gibt es auch noch wöchentlich stattfindende „Haftraumkontrollen“, bei denen die normalen Schließer alles auf den Kopf stellen wie bei einer Razzia. Der einzige Unterschied ist der Name und dass bei einer Razzia Hunde mit dabei sind. „Die Schwarzen“, wie sie hier genannt werden, sind auch Beamte, die in Aufstandsbekämpfung geschult sind. Bei einem Aufstand bzw. einer „Meuterei“ ist den geschulten und befugten Beamten der Gebrauch von Schusswaffen nach §96 im „Justizvollzugsgesetzbuch LSA“ erlaubt. Der Gebrauch von Schusswaffen ist auch erlaubt, wenn der oder die Gefangene einen Ausbruchversuch unternimmt oder um ihn/sie wieder einzufangen. Auf Schwangere und minderjährige Gefangene darf nicht geschossen werden. Dies ist wortlaut des Justizvollzugsgesetzbuches von Sachsen-Anhalt. In diesem Buch stehen auch noch mehr Details zum „Arrest“, dem „BGH“ und den „D-Maßnahmen“.

Aufgrund dessen, dass ich mich in einer Jugendstrafanstalt für Menschen männlichen Geschlechts befinde, ist in diesem Artikel oft aus dieser Sicht geschrieben wurden. Ich hoffe, euch einen kurzen Einblick in das Zuckerbrot und Peitsche-System geben zu können, welches hier Anwendung findet. In meinem nächsten Artikel werde ich versuchen, euch die Brutalisierung der jungen Gefangenen und das soziale Gefüge hier zu schildern. Bis zum nächsten Mal.

Proletarische Grüße an alle Genossinnen und Genossen vor den Mauern – der Kampf geht auch hinter den Mauern weiter

Adresse:

Tim Hilgendorf
Jugendstrafanstalt Raßnitz
Gröbersche Straße
06258 Schkopau