Von freien Gefangenen und selbsteingesperrten Freiheitsberaubern

Anonym

Was willst du mir schon von Freiheit erzählen? Was weißt du schon davon? Klar, du kannst jeden Tag die Mauer überqueren, deine Familie sehen, dich relativ unbegrenzt bewegen, aber den Knast in deinem Kopf nimmst du immer mit dir mit, hast dich schon so sehr an ihn gewöhnt, dass du ihn vermissen würdest, kriegst Angst wenn etwas neues oder fremdes passiert, etwas dass du nicht berechnen oder kontrollieren kannst, etwas dass über deine imaginäre Regel verstößt oder größer als du selbst bist und dass du nicht verstehst.
Damit du dich auch nicht so alleine fühlst, kommst du sogar freiwillig jeden Tag hier in diesen greifbaren Knast zurück, sagst dir selbst dass es eben dein Job ist, dass du keine andere Wahl hättest, dass du ja deine Familie ernähren musst. Dabei erträgst du es einfach nicht, dass Menschen auch frei sein können, selbst wenn ihr Körper eingesperrt ist, aber ihr Geist, ihr Verstand und ihr Herz einfach nicht zu bändigen sind. Du hingegen sehnst dich nach den Gitterstäben, den Stacheldrahtzäunen, den Videokameras. Sie sollen dir die Ruhe geben, dass die Welt draußen doch noch klein, eng und geregelt sei. Dass der Mensch sich entweder ins System zwängt oder eingesperrt gehört. Und sein eigenes Ich verliert. Doch das wird nicht passieren. Selbst wenn du die Tür hinter mir verschließt, sperrst du nicht mich ein, sondern dich selbst – und deine große Angst vor der Welt.

Ich bleibe ein freier Mensch, sogar hier drinnen, aber du? Du bleibst einfach nur ein kleiner Gitterstab – gefangen in seinem eigenen System.