Anti Knast Tage Orgagruppe
Am 08.10.2017 hat das Solikomitee eine Veranstaltung zum K.O.M.I.T.E.E. Verfahren gemacht und konnte uns darüber berichten, wie die aktuelle Situation ist. In diesem Text wird versucht, die Sachen so wiederzugeben, wie sie gesagt wurden.
Seit 22 Jahren sind Bernd, Thomas und Peter auf der Flucht, viele der Sachen sind inzwischen verjährt, jedoch nicht alle, weswegen das Verfahren noch läuft. Die Soligruppe, die sich gegründet hat, besteht nicht nur aus Genossen, sondern auch aus Freunden, die sich zusammengefunden haben. Sie haben früher unterschiedlich Politik gemacht. Autonome Politik, radikal und militante Politik, Hausbesetzungen, die Solidarität mit der Befreiungsbewegung, Auseinandersetzung mit Patriarchat, Geschlechterverhältnis zwischen Mann und Frau, da die Gender-Bewegung damals noch nicht so stark war, dies waren alles Felder, die von ihnen beackert wurden.
1995 mussten die drei von einem auf den anderen Tag weg. Nachdem 1990 der Ostblock zusammen gebrochen ist, stellte man sich die Frage, woran orientiert man sich? Die materielle und auch die ideelle Unterstützung brach weg. Es wurde viel Antifa Arbeit gemacht, was richtig und auch notwendig war, jedoch sollte dies nicht alles für sie sein. Wegen der Militanz ist man in der gesamten Linken nicht immer auf Gegenliebe gestoßen, was es nicht einfach machte.
1995 hat das K.O.M.I.T.E.E sich aufgelöst. 1994 hatte die Gruppe das noch anders eingeschätzt, es sei der richtige Zeitpunkt um unter einen Namen zu arbeiten. Es gab damals die RZ, die RAF, autonome Praxis waren Aktionen von Kleingruppen, deswegen hatte man 1994 probiert eine Diskussion anzuregen und eine Linie zu verfolgen.
Am 27.10.1994 gab es einen Brandanschlag auf ein leerstehendes Gebäude der Bundeswehr in Bad Freienwalde, das Gebäude ist ausgebrannt, Personen wurden nicht verletzt. Warum die Bundeswehr? Von 1992-1994 wurden 1500 kurdische Dörfer zerstört, Wälder niedergebrannt durch Luftangriffe, 4 Millionen KurdInnen waren auf der Flucht, viele wurden in der BRD verhaftet. Die Aktion hatte erstmal nicht so viel Relevanz.
Im April 1995 gab es dann die Vorbereitung zur Sprengung der Baustelle des Abschiebeknastes in Berlin Grünau, eine Polizeistreife ist auf zwei Autos aufmerksam geworden, diese durchsuchten sie. Aufgrund von persönlichen Gegenständen und Dokumenten, die in einem der Autos gefunden wurden, wurde die Fahndung nach den Personen möglich. Seitdem sind Bernd, Peter und Thomas auf der Flucht. Eine vierte Beschuldigte, die die Schwester von einem der drei ist, ist untergetaucht, hat sich dann aber gestellt. Der Abschiebeknast stand kurz vor der Eröffnung. Die Gruppe wurde in der Öffentlichkeit unheimlich aufgebauscht, – „Die Sprengung hätte Leute Verletzen und Töten können!“ – es wurde ein Verglich zu dem Bombenanschlag in Oklahoma gezogen, bei dem Neonazis 80 Menschen töteten. Die drei Gesuchten kamen auf Platz 1 der meist gesuchten Personen.
Dann fing die Repression an. In Berlin gab es zwei Hausdurchsuchungen, da es sich ja um ganz gefährliche Leute handelte. Gegen die vierte Person, die hochschwanger war, wurde Untersuchungshaft angeordnet, nach mehreren Wochen kam sie raus. Es war klar, dass sie damit nichts zu tun hatte, die Bundesanwaltschaft hatte jedoch gehofft, dass die anderen drei zurück kommen oder sich melden würden. Es wurden mehr als 20 ZeugInnenvorladungen versendet, einige sind zu Stande gekommen. Durch diverse Aktionen, wie z. B. dadurch, dass man sich ständig ummeldete, konnte man sich jedoch manchmal dieser entziehen. Auch wurden durch die Staatsanwaltschaft Vorladungen versendet. Eine Frau hat 4 Monate in Beugehaft gesessen, eine Person wurde vom Zeugen zum Beschuldigten, eine Person hat eine Aussage gemacht, er wurde unter Druck gesetzt, im Nachhinein hat er sich sehr geärgert, jedoch konnten sie mit der Aussage nichts anfangen. Bis zum Jahr 2002 sind sieben Beschuldigte bekannt geworden.
Mit AnwältInnen wurde probiert alles zu verhindern, da durch die Repressionsorgane versucht wurde, einigen Menschen DNA-Proben abzunehmen, zwei Männer mussten dies dann auch tun. Die Familien der drei Gesuchten wurden in Sippenhaft genommen, in den Jahren kam es bei ihnen zu mehrfachen Durchsuchungen, sie mussten viel mitmachen. Im Juli 2014 wurde Bernd dann festgenommen.
Nach einer Teilakteneinsicht wurde bekannt, dass im Jahr 2002 Zielfahnder eine Liste aufgestellt haben mit Leuten, die die drei evt. Unterstützen. Auf dieser Liste war das nähere Umfeld. Beschlüsse wurden besorgt, um die Telefone/ Handys abzuhören, e-mails wurden mitgelesen und es gab Beschlüsse, dass die Briefpost gelesen werden darf. Betroffen davon waren mehr als 30 Personen. In der Presse wurde wieder gesagt, wie gefährlich diese Leute seien, es gab einen Fernsehauftritt, eine Internetseite wurde erstellt. Viele Bürger meldeten sich und meinten, die drei gesehen zu haben, das füllt ganze Aktenordner, raus gekommen ist dabei allerdings nichts. Das BKA hat eine Schaltung gemacht, um sehen zu können, wer sich die Internetseite anschaut. Daraus hat sich ergeben, dass sich jemand von einem der Rechner im Deutschen Historischen Museum zwei Mal innerhalb von zehn Minuten die Seite angesehen hat, woraufhin sechs Wochen lang Polizisten vor dem Museum abgestellt wurden. Natürlich gab es auch illegale Aktionen vonseiten der Polizei, es gab fingierte Anrufe, einer Person wurde nach Ägypten nachgereist, weil sie dachten, dass diese Person einen der Beschuldigten träfe.
In der letzten Zeit gab es wieder Vorladungen, eine Person hat Aussagen gemacht, welche sie aber nicht verwerten konnten. 2012 gab es dann Ermittlungen zu einer Person, die bei der Postbank ein gemeinsames Konto mit einem der Beschuldigten hat. Hierbei handelte es sich aber um das WG-Konto und sie konnte sich gar nicht mehr an dessen Existenz erinnern. Sie erhielt zunächst eine Vorladung wegen Geldwäsche, die Begründungen der Vorladungen änderten sich später jedoch immer wieder. Im Februar 2016 kam dann eine Vorladung von der Bundesanwaltschaft, da stand dann klar drin worum es geht, nämlich um den Verbleib der Beschuldigten. Ein Demozug begleitete die Person. Im Oktober 2016 sollte sie dann nach Karlsruhe kommen, in der Hoffnung, dass sie diesmal alleine kommt, jedoch gab es auch da eine Demo und eine Kundgebung vor Ort. Sie hat keine Aussage gemacht, auch nicht nach der Androhung von Beugehaft und Ordnungsgeld.
Im Juli 2014 wird Bernd in Venezuela verhaftet, da es ein Auslieferungsersuchen von Deutschland gab, im Oktober 2015 wurde diesem nicht stattgegeben, er wird nicht ausgeliefert, da die Straftaten in Venezuela schon verjährt sind. Jedoch ist Bernd erst im Juli 2016 aus dem Knast gekommen, obwohl sie keine rechtliche Grundlage hatten ihn drin zu behalten, es war für alle unklar was los ist. Nachdem er aus dem Knast gekommen ist, hat er Asyl beantragt. Der Antrag läuft noch, bisher gibt es darüber noch keine Entscheidung, es sieht aber ganz gut aus, dass es klappt. Im März haben sich dann Peter und Thomas gemeldet und haben bekannt gegeben, dass sie ebenfalls in Venezuela einen Asylantrag gestellt haben. Sie leben nun ganz offen, sie können besucht werden, man kann ihnen schreiben, es hat sich einiges geändert. Aber das Verfahren läuft noch immer. Als Soligruppe waren sie sich unsicher, was gemacht werden kann. Es wurden alle Sachen veröffentlicht, Geld gesammelt, der Anwalt ist hin gereist, um Bernd zu besuchen und die Zusammenarbeit ist gut zwischen den beiden. Es wurde ein Anwalt in Venezuela gefunden, da ihn ein deutscher Anwalt in Venezuela nicht vertreten kann. Bei Demos wurden Redebeiträge verlesen, Veranstaltungen wurden organisiert, es gab Kontakt zu linken ParlamentarierInnen (die Linke und Ströbele), Petitionen wurden verfasst, es wurden Knastbesuche organisiert, materielle Unterstützung für ihn und seine Frau. Durch die Venezolanische Botschaft in Deutschland wurde probiert, die Sachen dort zu beschleunigen. Eine Person war ein Jahr vor Ort, was sehr geholfen hat. Viele Leute haben sich solidarisiert. Bernd hat 9 Monate ohne Begründung im Knast gesessen, in Venezuela warten die Gefangenen ewig im Knast und verschimmeln dort. Weiterhin wird natürlich probiert, dass das Verfahren hier eingestellt wird. Der Brandanschlag in Bad Freienwalde ist verjährt, auch die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129 a. Es gibt aber einen neuen Haftbefehl gegen die drei. Alle Vorwürfe sind darin trotzdem aufgeführt, begründet durch den § 30 STGB, Verabredung zu einer Straftat. Dies wird genauso verfolgt, wie wenn man einen Knast tatsächlich in die Luft sprengen würde. Die Vorbereitung zu einem Sprengstoffanschlag ist auch verjährt, aber die Verabredung, die besteht immer noch. Die Verjährung und die Verfolgung geht somit bis April 2035, dass heißt also 40 Jahre. Juristisch wurde über die Anwälte alles probiert, bis in die oberste Instanz. In Deutschland sitzen viele nach diesem Paragraphen im Knast. Die Presse ist darauf nicht eingegangen, über die eigenen Medien wurde viel veröffentlicht. Wären sie in einem anderen Land, müssten sie damit rechnen ausgeliefert zu werden, jetzt können sie sich frei bewegen.
Wir senden solidarische Grüße an die Drei und hoffen, dass es ihnen gut geht!