Für die Zeit von Anfang November bis Mitte Dezember 2016 haben wir – das sind etwa fünf anarchistische Straßenmusiker_innen/Liedermacher_innen – uns vorgenommen, vor Knastmauern in Deutschland und der Schweiz zu spielen, um die Isolation ein wenig ins Wanken zu bringen und zumindest ein paar Gefangene wissen zu lassen, dass sie nicht vergessen sind. Wir wollen damit die unterstützen, die keine Möglichkeit auf Selbstbestimmung und freie Bewegung haben und die jede Solidarität brauchen, in einer Gesellschaft, die diesen Scheiß nicht nur zulässt, sondern die Betroffenen auch noch diffamiert und beschimpft.
Etwas später als ursprünglich geplant, fangen wir damit am 16. November in Köln/Bonn an. Hier gibt es zunächst zwei Solikonzerte und anschließend am 18. ein Knastkonzert in Ossendorf. Hierfür stellen uns großartige Supporter_innen eine Soundanlage zur Verfügung, die tatsächlich laut genug ist, um damit auf die andere Seite der Mauer durchzudringen. Autonome Kleingruppen, die mit einem Megafon bewaffnet um den Knast ziehen, berichten uns später, dass sie uns auf allen Seiten hören konnten. Von drinnen kriegen wir nen Haufen positive Reaktionen in Form von lautem Jubeln mit. Besonders bei der Ansage, auch hinter Gittern für Sachen, an die mensch glaubt, aufzustehen und „auch mal was kaputt zu machen“, wird es richtig laut. Mit einem guten Gefühl im Bauch verlassen wir nach etwa 1 1/2 Stunden den Knast wieder, um weiter nach Aachen zu fahren.
Dort angekommen findet nach einem vergleichbaren Organisationschaos am 22.11. ein Konzert vor der JVA statt. Unsere Anlage ist dieses Mal nicht so gut und wir sind uns nicht sicher, ob bei den Leuten drinnen überhaupt was ankommt. Wir nehmen jedenfalls keine Reaktionen von drinnen wahr.
Als spontane Idee fahren wir als nächstes nach Stuttgart-Stammheim. Wir halten auf einer kleinen Straße direkt neben der Außenmauer des Knasts. Als wir aus dem Auto aussteigen, können wir direkt Gespräche von Gefangenen zwischen den Zellenfenstern hören und verstehen. Nachdem wir unsere Anlage aufgebaut haben und kurz erklärt haben, wer wir sind und was wir machen, werden wir sofort mit lautem Jubel und „Antifa“-Rufen begrüßt. Die Leute drinnen scheinen sich überwiegend sehr über das Konzert zu freuen und schwenken teilweise Feuerzeuge aus ihren Gittern. Nach etwa 20 Minuten kommen Zivicops an, halten unser Mikrofon zu und wollen Personalien aufnehmen. Die Gefangen, die uns vorher zugehört haben, werden jetzt richtig laut, rufen Sachen wie „Bastarde“ und „Fuck the Police“ und machen ordentlich Krach mit Gegenständen und Gitterstäben. Ca. 15 Minuten später bekommen wir einen Platzverweis und verlassen den Platz des Geschehens unter immer noch andauerndem Support schließlich wieder. Wir sind tief gerührt, da wir durch die lauten Reaktionen den Eindruck haben, den Leuten tatsächlich Kraft und Solidarität geben zu können.
Am nächsten Tag fahren wir nach Ebrach, wo auch unser Compa Tur*tel eingesperrt ist. Dort haben wir eine Kundgebung angemeldet. Leider ist der Hotelparkplatz, der uns als Kundgebungsort zugeteilt wurde, lediglich in Sichtweite und nicht vor dem Knast und die Cops lassen auch nicht mit sich reden, die Kundgebung an einem geeigneteren Ort stattfinden zu lassen. Da wir auch die Auflage haben, nicht laut sein zu dürfen, sehen wir nicht wirklich eine Chance, für jemand anderes als Cops und Jäger_innen, die vor dem Hotel rumstehen, zu spielen und fahren wieder weiter.
Zwei Tage später, am 27. November, stehen wir vor den Mauern in Leipzig. So wirklich nah ran kommen wir zwar auch nicht, aber dank der Akustik kommt trotzdem etwas auf der anderen Seite an. Am Anfang gibt es etwas Jubel, später dann nicht mehr. Ab und an wird etwas gerufen, das wir nicht genau verstehen können.
Am 29. November sind wir dann in Cottbus. Der Knast hier ist sehr weiträumig umzäunt, nah an die Mauer kommen wir leider nicht. Ähnlich wie in Aachen sind wir uns auch hier nicht sicher, ob drinnen etwas ankommt, glauben aber, zumindest einmal Jubel gehört zu haben. Nach einer Weile kam sogar der Anstaltsleiter rausgetapert und hat uns angeboten, dass wir doch mal im Knast spielen könnten. Nach „Gesetzestreue lohnt sich nicht my darling“ hat er dann aber doch ganz schnell seine Meinung geändert, denn nur Lieder, die zum deutschen Rechtsstaat passen, seien drinnen erwünscht. Er ist dann (eine gefühlte Schleimspur hinter sich her ziehend) wieder im Knast verschwunden.
Die Tour ist noch nicht vorbei… Wir haben noch ein paar Termine in Zürich (06.12. & 07.12.), Bern (10.12.), Freiburg (17.12.) und Berlin (21.12. Lichtenberg) und vielleicht noch ein paar Überraschungstermine!!!
Wir hoffen, noch ein paar mehr Leuten einen schönen Tag machen zu können. An alle, bei denen wir nicht vorbei schauen können… das war bestimmt nicht die letzte Tour. Wenn sich jemand ein Konzi wünscht, dann schreibt doch einfach an das Gefangenen Info, die können es uns dann weiter leiten. Wir kommen bestimmt – auch wenn die Tour schon vorbei ist. Macht eh viel mehr Laune und Sinn als für die ewig bedudelten Szenekneipen zu spielen 🙂
Wir wünschen euch das Allerbeste, was euch in der Stahlbetonwüste passieren kann!
Gruß und Kuss
Flabbergasting Groker
Bonbonleger_in
Yuppiescheuche
Ash Ludd
Jonte
und viele viele mehr