Zum Tod von Rainer Löhnert

Wolfgang (Redaktion Gefangenen Info)

„Wichtig bei Knast und Forensik ist immer, dass du nie aufgibst!“ (Aus einem Brief von Rainer im Dezember 2024)

Rainer ist am Mittwoch, den 4. Juni 2025 in der Forensik Bedburg Hau gestorben!
Verhaftet worden ist er schon im Sommer 1986, wegen diverser körperlicher Übergriffe und vieler Sachbeschädigungen. Begründet wird das mit dem Paragraphen 63 des Strafgesetzbuches, der im deutschen Faschismus zur langfristigen oder dauerhaften Aussonderung „psychisch kranker“ und/oder nonkonformistischer Menschen geschaffen wurde.
Es ist wie Knast auf Dauer, Sicherungsverwahrung. Aber für diese Wegsperrten gibt es keine besonders eingerichteten Hafträume, wie es selbst im Knast üblich ist. Viele kommen daher in der BRD gar nicht mehr lebend raus, wie auch jetzt Rainer.

Wir vermissen ihn!

Wie der Kontakt mit Rainer zustande kam

Kennengelernt habe ich ihn 2014 während des Hungerstreikes der Gefangenen in Griechenland gegen die drohende Isolation. Auch er beteiligte sich an deren Protesten. Wir tauschten unsere Nummern aus und telefonierten seitdem mehre Male in der Woche! Weiterhin besuchte ich ihn seit dem mindestens einmal jährlich in Bedburg Hau.
Zusätzlich haben wir zahlreiche Briefe in unserer Zeitschrift „Gefangenen Info“ von ihm veröffentlicht. Er wurde auch mehrere Male für unsere Radiosendung „Wie viele sind hinter Gittern“ interviewt.(1)

Löhni

Wie erwähnt, wurde nur 63 Jahre alt. Über 38 Jahre war er in verschiedenen Forensiken Nordrhein-Westfalens eingesperrt. Zuletzt über 12 Jahre in Bedburg-Hau. Seit seinem 24. Lebensjahr war er in Düren, Lippstadt-Eickelborn und Bedburg Hau. Davon 12 Jahre in Isolation und zuletzt im Sommer 2022 für 71 Tage im Bunker.
Bunker bedeutet: Allein, auf einer neuen Station, mit anderem Personal – das bedeutete zusätzlichen Stress für ihn. Einzelhofgang ist dort nur begleitet von Personal möglich. Alle Kleidung und sonstige Gegenstände – wie etwa ein Radio – sind ins Magazin gebracht worden. Er hat lediglich ein reduziertes Maß an Lektüre. Anträge auf weitere Kleidung, Bücher und ein Album mit Familienfotos wurden einfach abgelehnt. Da war er schon 61 Jahre alt und durch Tabletten sehr geschwächt. Wie seine Schwester Astrid richtig festhielt: „Rainer hatte immer nur die einzige Wahl zwischen Medikamenteneinnahme oder Verweigerung mit totaler Isolation“.
Übrigens wurde mir ein Einblick in seine Krankenakte von der Forensik untersagt, weil ich ja „journalistisch tätig bin“. Öffentlichkeit und damit Transparenz fürchten diese Einrichtungen, denn Rainer war nur einer von über 7.000, die dort vegetieren – oft bis zu ihrem Lebensende.

Die letzten Tage von Rainer

Zuletzt hatte ich mit ihm am Samstag, den 31. Mai telefoniert. Er ging am Rollator und klagte über einen Infekt. Die nächsten Tage ging er nicht mehr ans Telefon und am Mittwoch, den 4. Juni teilten mir seine Schwester und seine Mutter mit, dass er an diesem Tag gestorben ist. Seine Mutter hatte noch am Mittwochmorgen mit ihm telefonieren können!

„Wir müssen hier raus! Das ist die Hölle!, Wir leben im Zuchthaus! Wir müssen hier raus!“(Ton Steine Scherben) Das war sein Motto bis zum Ende seines Leben!

Er verklebte antifaschistische Flyer und rief Parolen wie „Freiheit von Abdullah Öcalan und Daniela Klette!“, auch das lautstarke Protestieren gegen das Einsperren abends in seinem Schlafbereich, wurde bis zuletzt mit Arrest in „seine Zelle“, wie er seinen Aufenthaltsraum nannte, geahndet.
Auch wehrte er sich körperlich, zusätzlich mit Brandstiftungen und Fluchtversuchen gegen das lebenslange Eingesperrtsein. Das war war sein lebenslanger Widerstand gegen sein Weggesperrtsein und Ausdruck seines Drangs nach Freiheit und einem selbstbestimmten Leben. Dafür gab es sprichwörtlich was auf die Mütze, überdosierte Medikamente im Überfluss und Isolation!
Eine Gutachterin bescheinigte noch im Januar diesen Jahres, trotz Rollator, Schwindelanfällen und kaputtem Rücken weiterhin „Gefährlichkeit“. Somit gab es keine Verlegung in die Nähe seiner Angehörigen, die über drei Stunden Fahrzeit allein für die Hinfahrt zum Besuch benötigten. Mit einem neuen Anwalt wollte er da noch gegen angehen!
Als „Anarchist und Sozialist“ war er immer solidarisch zu vielen Kämpfen weltweit: So trat er 2000/2001 in einen 11-tägigen Solihungerstreik für türkische revolutionäre Gefangene, die sieben Jahre erfolgreich gegen die Isolationszellen „Made in Stammheim“ kämpften. Aus gesundheitlichen Gründen konnte er selbst keine Streiks mehr führen, aber er fühlte sich weiter mit Gefangenen wie Mumia Abu Jamal, Leonard Peltier, Andreas Krebs und Daniela Klette verbunden!
Bis zuletzt verfolgte er den Prozess in Verden gegen Daniela. Eine Bambule in der Forensik Bedburg Hau am 10. Mai diesen Jahres, nahm er selbstverständlich wohlwollend zu Kenntnis, denn er wollte immer noch raus!

Auch wir müssen hier raus …!

Zur Zeit existiert keine starke Bewegung, die diese Verhältnisse ins Visier nehmen könnte! Da viele von Rainers frühen Tod betroffen sind, wäre das ein Anlass, das endlich zu ändern!
Es gibt Berührungsängste und Unwissenheit gegenüber Menschen aus der Psychiatrie, denn sie werden im Gegensatz zu uns „Normalen“, von den Herrschenden oft als Monster dargestellt die weggesperrt werden müssen. Das hält schlussendlich selbst progressive Zeitungen und linke Strukturen davon ab, sich solidarisch zu ihnen zu verhalten.
Diese Fragen müssen wir uns stellen: Sind die gesellschaftlichen Normen richtig? Sollen die Menschen abgesondert werden, die „psychisch krank“ und/oder sich nonkonformistisch verhalten? Wir verdrängen dabei oft unsere eigene Isolation und Kaputtheit. Verursacht durch die Folgen der Pandemie, durch Existenz- und Kriegsangst machen sich oft Frustration, Resignation, Hoffnungslosigkeit und psychische Krankheiten breit. All dieses Leid und die Schwierigkeiten werden immer mehr von uns individualisiert und auch atomisiert, durch die herrschende Klasse.
Ein Schritt aus dieser Lage gemeinsam heraus zu kommen, wäre sich mit dem SPK (Sozialistisches Patientenkollektiv) aus einander zu setzen. Das SPK hat vor 50 Jahren die These vertreten, dass Krankheit Voraussetzung und Resultat der kapitalistischen Produktionsverhältnisse ist.
Ich selber litt natürlich auch unter diesen kapitalistischen Verhältnissen. Sie machten mich auf der einen Seite traurig, wütend, hilflos, anderseits lähmten und deprimierten sie mich. Diese Erkenntnis machte mir bewusst, dass meine Lage nicht nur persönlich bedingt war, sondern gesellschaftlich verursacht: „Aus der Krankheit eine Waffe machen!“ Mir wurde dadurch bewusst, dass eigentlich alle Menschen davon betroffen waren.

Rainer kämpfte unter drakonischen Bedingungen durch die Forensik sein ganzes Leben!

Wir wollen doch auch raus!


(1) Radiointerviews mit Rainer:
https://www.freie-radios.net/108895
https://www.freie-radios.net/70360
Interviews über ihn:
https://www.freie-radios.net/117966
https://www.freie-radios.net/117416
https://www.freie-radios.net/113090