Überarbeitetes Radiointerview mit Bernd Geburtig aus dem Jahre 2009

Guten Abend, liebe Hörerinnen und Hörer!

Dies ist jetzt die zweite Sendung „Wie viele sind hinter Gittern?“ bei Radio Flora in Hannover. Das heutige Thema ist der Kampf gegen Isolationsfolter. Vor 50 Jahren gab es einige Gruppen, bewaffnet oder unbewaffnet, die versucht haben, Isolationshaft aufzuheben und damit die Bedingungen im Knast für die politischen und widerständigen Gefangenen zu verbessern.
Eine Anmerkungen zu Isolationshaft. Wir müssen zurück gehen in die 70er und 80er – Jahre. Die Gefangenen aus der RAF führten mindesten 10 große kollektive Hungerstreiks gegen diese drakonische Bedingungen:
Sensorische Deprivation und soziale Isolation, die auf das Aushungern der Seh- , Hör-, Riech-, Geschmacks- und Tastorgane zielt und dadurch zu lebensgefährlichen Zuständen führen kann. Diese Isolation wird auch weiße Folter genannt, weil sie im Gegensatz zu blutigen Folter keine sichtbaren Spuren hinterlässt. Folgen sind z.B. Kopfschmerzen, Schwindelanfälle, Konzentrationsschwierigkeiten, Müdigkeit, Schlafstörungen, chronischer Schnupfen, Gedächtnisverlust. Diese Sonderhaftbedingungen gehen an keinen der Gefangenen spurlos vorbei. Dazu kommen Langzeitfolgen. Erforscht wurde diese Isolationsfolter auch in Hamburg am dortigen Universitätskrankenhaus Eppendorf. Dienten diese Haftbedingungen anfangs zur Aussageerpressung, zielten sie später auf die Vernichtung der Gefangenen. Selbst die UNO hat die Isolationshaft als Folter geächtet. Insgesamt 9 politische Gefangene überlebten den Knast nicht in den 70er und 80er Jahren.
Heute führe ich ein Gespräch mit Bernd Geburtig aus Hamburg, der für sein Engagement gegen diese Vernichtungshaft bald 6 Jahre weggesperrt war.(0)

Interviewer: Bernd, du bist Jahrgang 1950. Du bist Ende Januar 1975 festgenommen worden und warst mehrere Jahre im Knast. Warum bist du verhaftet worden?

Bernd: Ja, hallo, ich bin Bernd. Ich bin verhaftet worden im Januar ’75, um den 20. Januar herum, wegen der Angriffe gegen den Knastarzt Dr. Mairose und den versuchten Angriff auf den Justizsenator Klug.

Beides geschah in Hamburg. Der Justizsenator Klug war meines Wissens Mitglied der FDP und der Knastarzt Mairose war im Hamburger Untersuchungsgefängnis Holstenglacis für die Gefangenen zuständig. Erkläre bitte genauer diese Punkte: Wofür standen Klug und Mairose? Warum sind die angegriffen worden?

Ja, es hat ja zu der Zeit der große Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF stattgefunden. (1) Der Hungerstreik, bei dem auch Holger Meins starb. (2) Der Knastarzt Dr. Ralf Mairose stand für die Zwangsernährung der Gefangenen und der Justizsenator Professor Klug war natürlich der politisch Verantwortliche.

Also, der Klug stand ja für eine sogenannte linksliberale Positionierung der FDP. Zum Ziel der Folter hat Klug sinngemäß zu einem Gefangenen gesagt: „Ich stecke dich solange in Isolation, bis du das, was, wofür du stehst, nicht mehr machst.“ Mit anderen Worten, dass du die Politik, die du vertrittst, nicht mehr machst, wenn du aus der Isolation herauskommst.
Wegen dieser Aktionen ist kurz vor deiner Verhaftung eine weitere Person ebenfalls verhaftet worden. Euch beiden wurde vorgeworfen, ihr seid Mitglieder der RAF(AO), der Roten Armee Fraktion Aufbauorganisation. Wie wie viele Jahre warst du deswegen inhaftiert?

Ich war 5 Jahre inhaftiert.

Zwangsernährung

Du hast selber Erfahrungen mit der Zwangsernährung (ZE) gemacht. Kannst du für die Hörerinnen und Hörer veranschaulichen, wie die Zwangsernährung in HH vollzogen worden ist!?

Das war immer eine ziemlich brutale Aktion, wenn wir zwangsernährt werden sollten. Die ZE fand in der Krankenabteilung des Gefängnisses statt. Dort wurden wir auf einer Liege festgeschnallt. Dann stürmten fünf, sechs Schließer in unsere Zelle, schmissen uns auf das Bett oder zu Boden, legten uns dann auf eine fahrbare Bahre und verfrachteten uns dann in die Krankenabteilung des Gefängnisses. Dort wurde uns ein Schlauch durch den Mund eingeführt in den Magen und danach wurde die ZE durchgeführt.

Wie lange dauerte die ZE?

Sie dauerte immer so eine Viertelstunde.

Und ihr habt euch gewehrt…

Wir haben uns gewehrt, aber gegen sechs Schließer war es natürlich schwierig, anzukommen.

Kannst du erklären, wie ihr dann zwangsernährt worden seid?

Ja, im Beisein der sechs Schließer und des Sanitäters oder Arztes, der die ZE durchführte und wir waren bewegungsunfähig, gefesselt oder angeschnallt auf der Liege und hatten keine Möglichkeit, diese Folter zu verhindern.

Nun mal zurück zur ZE: Es war ein Eingriff gegen deinen Willen. Was waren die Ziele des Hungerstreiks?

Der Hungerstreik der RAF-Gefangenen, dem ich mich angeschlossen habe, der fand ja statt gegen die totale Isolation und mit der Forderung, dass die Gefangenen zusammenkommen konnten, also Umschluss bekamen.

Und wie war das bei dir? Du wurdest zwangsernährt und konntest du danach wieder aufstehen?

Die ZE gegen meinen Willen dauerte zirka eine Viertelstunde. Wir Hungerstreikenden waren auf einer Liege festgeschnallt und wir haben uns gesträubt und versucht, uns zu wehren. Das ging natürlich letztlich nicht, aber die Situation war natürlich sehr anstrengend und wenn wir in die Zelle zurück verfrachtet wurden durch die sechs Schließer, die ja auch nicht vorsichtig mit einem umgingen, sondern es konnte schon mal vorkommen, dass man mit der Körperseite gegen die Tür gestoßen wurde und mit dem Kopf gegen die Tür gestoßen wurde, das versuchten sie gar nicht zu verhindern, dass so etwas passierte, dann wir waren natürlich erst mal völlig geschafft und ziemlich fertig. Das dauerte zirka eine Stunde, bis man dann wieder halbwegs beisammen war.

Ich frage noch mal nach wegen der Schließer. War das sozusagen die Rache, weil du dich gegen die ZE gewehrt hast?

Das war nicht nur die Rache, dass ich mich gegen die ZE gewehrt habe, sondern das Verhältnis zwischen Schließern und RAF-Gefangenen war natürlich so, dass es eigentlich kein Verhältnis war. Sie wurden von uns ganz bewusst völlig ignoriert und da sahen sie natürlich die Möglichkeit, sich im Zuge der Zwangsernährung ein bisschen zu rächen.

Sigurd Debus (3)

Ich möchte zu Sigurd Debus noch mal nachfragen … und zwar wegen der Zwangsernährung … du warst ja fast die ganze Zeit von 1975 bis ca. 1980 im Hamburger Untersuchungsgefängnis in der Holstenglacis inhaftiert. Der Gefangene, Sigurd Debus, der ist 1981 während eines Hungerstreiks, den Gefangene aus der RAF initiiert hatten; er wollte damals mit den RAF-Gefangenen zusammenkommen und hat deswegen gehungerstreikt und ist ja dort verstorben. Deswegen frage ich nach, weil, ich bin ein bisschen hellhörig geworden als du sagtest, dass die Schließer dann, wenn du zwangsernährt worden bist – ich denke, das ist eine Art von Folter – ,dass sie sich dann sozusagen gerächt haben. Kannst du was sagen zu Sigurd, den du ja auch kanntest.

Ich hatte im letzten Knastjahr Umschluss mit Sigurd Debus. Das heißt, wir konnten im Laufe eines Tages drei, vier Stunden in einer Zelle zusammenkommen und die Zeit nutzen, um zusammen zu diskutieren, also politisch zu arbeiten. Und ich könnte mir vorstellen – wie gesagt, ich bin 1980, im Januar, entlassen worden und 1981 fand der Hungerstreik statt, bei dem er gestorben ist – und ich könnte mir schon vorstellen, dass die Schließer die Gelegenheit einfach genutzt haben, indem sie bei einem Transport zur Zwangsernährung oder von der Zwangsernährung zurück in die Zelle seinen Kopf gegen irgendetwas geschlagen haben, gegen die Tür oder gegen das Waschbecken in der Zelle oder irgendwie so, wodurch er dann gestorben ist.

Dazu möchte ich auch noch erwähnen, dass gerade die Krankenakten, die darüber Auskunft geben könnten, wie Sigurd gestorben ist, verschwunden sind. Und deshalb habe ich dich noch mal gefragt, weil du ja aus eigener Erfahrung diese ZE erlebt hast und auch die zugespitzte Situation im Gefängnis miterlebt hast, dass wir so etwas nicht ausschließen können.

Haftbedingungen der politischen Gefangenen

Wir sollten jetzt mal darauf eingehen, wie die Situation der Gefangenen aus der RAF war. Es gab ja politische nicht nur Gefangene aus der RAF, sondern es gab ja auch diverse Gruppen wie z.B. von der Bewegung 2. Juni und weiterer Zusammenhänge, die bewaffnet, bzw. militant gekämpft haben. Wie war denn die Situation dieser Gefangenen?

Die Situation der Gefangenen war so, dass sie alle total vom übrigen Gefängnisalltag isoliert waren. Sie waren in ihren Zellen eingeschlossen, 23 ½ Stunden am Tag. Eine halbe Stunde gab es Hofgang, der auch alleine stattfand. In dieser Zeit waren wir total isoliert, nur unterbrochen durch gelegentliche Besuchen von Anwält:innen und Angehörigen, die ein Mal bis zwei Mal im Monat für eine Stunde stattfinden durften. Das heißt, einen Großteil der Zeit hatte wir keine Möglichkeit, mit anderen Menschen, mit anderen Gefangenen zu sprechen. Es gab praktisch nichts außer der Zelle und einem selbst.

Hinzu kam bei den Gefangenen aus der RAF, dass sie auch nur Kontakt, zu ihren nächsten Angehörigen, also Eltern oder Geschwistern haben konnten. War das bei dir auch so?

Das war auch so, zumindest in den ersten zwei Jahren. Danach konnten wir dann auch Besuche von anderen Menschen bekommen, z.B. von Freunden und Freundinnen, die draußen politisch arbeiteten, so dass wir auch mal eine Stunde mit solchen Menschen Kontakt haben konnten. Aber die ersten Jahre war es wirklich so, dass nur die nächsten Angehörigen – Mutter, Vater, Geschwister – einen besuchen durften.

Hinzu gab es ja auch noch eine besondere Isolation, die so genannte sensorische Deprivation, d.h. gewisse Gefangene wie Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin oder Astrid Poll waren in einem Toten Trakt (4) eingesperrt, vor allem in Köln-Ossendorf. Die Gefangenen aus der RAF waren also überwiegend, wie du sagtest, einzeln isoliert und hatten auch keinen Kontakt zu anderen Gefangenen, die nicht aus politischen Zusammenhängen kamen. War das bei dir auch so?

Ja, das war auch so. Also, die schärfsten Bedingungen hatten, wie du schon sagtest, Ulrike Meinhof, Astrid Poll usw. im Toten Trakt in Köln. Nun war es ja auch so, dass die RAF-Gefangenen und die anderen politischen Gefangenen über die ganze BRD verteilt waren. Und in den anderen Knästen gab es solche Einrichtung wie den Toten Trakt nicht. Das heißt, es wurde sich bemüht von den Sicherheitsbehörden, dann einen Gefängnistrakt freizumachen, um dort einen Gefangenen ‚reinzulegen, so dass die Situation ähnlich wie in einem Toten Trakt war. In Hamburg ist es z.B. so gewesen, dass ich lange Zeit – ich glaube, ein Jahr war es ungefähr – in Fuhlsbüttel war. Dort war die so genannte Sicherheitsstation, die einst freigemacht worden ist von anderen Gefangenen, so dass ich dort eben alleine war, bzw. später, nach einem Hungerstreik, mit Werner Hoppe (5) zusammen dort war.

Politisierung von Bernd

Ich glaube, die Situation der politischen Gefangenen ist ganz anschaulich geschildert worden. Kannst du erzählen, aus welchen politischen Zusammenhängen diese Gruppen kamen – Stichwort 68er Bewegung. Wie war das denn bei dir?

Ja, wie war das bei mir!? Ich habe mich 1970 politisiert. Gewohnt habe ich damals in Flensburg und dort haben natürlich auch diverse Vietnam-Demos, Berufsverbots-Demos usw. stattgefunden. Daran habe ich mich die ersten Male beteiligt und habe gemerkt, dass das eine Sache war, mit der ich mich identifizieren konnte, wo ich mitmachen wollte und das habe ich dann auch.
Bin nach Hamburg 1973 gezogen, habe dort auch politisch weiter agiert.

Berufsverbote und Vietnam, das waren Aktionen, die dir wichtig waren, also Demonstrationen, auch Veranstaltungen. Sage doch als erstes Mal, was waren diese Berufsverbote? (6)

Das betraf hauptsächlich – nicht nur – Leute, die in den diversen kommunistischen Parteien und sonstigen linken Gruppen waren, die z.B. als Lehrer:innen arbeiteten oder als Postbot:innen und deren politische Position nicht mit der herrschender Ordnung für vereinbar gehalten wurde mit ihrem Beruf, d.h. die zuständigen Behörden sagten, der und der ist ein Linker und der darf nicht in diesen Funktionen arbeiten.

Das betraf Zehntausende.(6) Teile der 68er Bewegung hatten ja propagiert, den Marsch durch die Institutionen. Das betraf also diese Menschen, die gesagt haben, wir wollen Positionen im System übernehmen, um die Menschen besser zu erreichen und um das kapitalistische System so zu stürzen. Insgesamt hatte das die Dimension von Millionen, ich glaube, es gab auch Leute, die sprachen von zwei oder drei Millionen Menschen, die damals überprüft worden sind. Und das hat natürlich viele Menschen eingeschüchtert.
Das andere war das Stichwort Vietnam. Das war ja damals auch ein ganz zentraler Aspekt für viele, die sich politisiert haben, die protestierten. Kannst du kurz ausführen, Vietnam, was war das genau?

Das vietnamesische Volk kämpfte gegen die USA, die ihr Land besetzt hatten und für eine kommunistische Perspektive und die USA setzten alles daran, diese vietnamesische Freiheitsbewegung zu zerschlagen, militärisch zu besiegen. Der Krieg fand viele Jahre lang statt und die BRD als eifriger Verbündeter der USA hat die USA natürlich massiv unterstützt.

Und was hatte das mit der BRD zu tun?(7)

Die BRD, also zum einen war es so, dass militärische Hilfe dadurch geleistet wurde, dass hier stationierte US-Soldaten in Vietnam eingesetzt wurden, dass sie andererseits die BRD als Ruheraum betrachteten und wenn sie in Vietnam gekämpft hatten, wer hierher zurückkam, um sich auszuruhen und dann wieder nach Vietnam zurück zu gehen.
Die RAF 1972 hatte mit ihren Attacken gegen das US-Hauptquartier in Heidelberg und in Frankfurt öffentlich gemacht, dass diese Unterstützung seitens der BRD stattfindet und dass von hier aus z.B. die Bombenangriffe in Vietnam koordiniert wurden.

Also über Computer!?

Über Computer vorbereitet und koordiniert wurden.

Es war auch so, dass in Vietnam auch Bilder von den den Militanten der RAF-Angehörigen gab. Es wurde dort positiv aufgenommen.

Genau.

Vor 50 Jahren gab es viele Gruppen, die bewaffnet gekämpft haben. Das war überall in der Welt, das war in Europa, das war in Lateinamerika, das war in Nordamerika so, das war in Asien, das war in Afrika so. Laut der bürgerlichen Emnid-Umfrage billigten 1971 40% der Bundesbürger:innen der RAF „politische Motive“ zu. Weiterhin äußerten Menschen nach „Allensbach“ 12% „Verständnis wenn jemand sie aufnimmt“ und 6% wäre bereit, „sie selber zu unterstützen“. Der Kampf hatte damals im „Herzen der Bestie“ eine gewisse politische Resonanz und Verankerung.

Kampf gegen die Isolationsfolter

Ein anderer Punkt, den du schon erwähnt hast: die Isolationshaftbedingungen der politischen Gefangenen, speziell der RAF-Gefangenen waren sehr drakonisch. Es gab verschiedene Gruppen, wie auch die „Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD“, die organisierten sich Anfang 1973 und davon warst du auch ein Teil. Was hatten die für eine Funktion?

Ja, die hatten die Funktion, die Haftbedingungen gegen die politischen Gefangenen, gegen die RAF-Gefangenen und andere politische Gruppen öffentlich zu machen und diese Haftbedingungen anzugreifen. Dazu gehörte neben „Komitees gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD“, genauso Gruppen, wie die Schwarze Hilfe und die Rote Hilfe und sie alle haben versucht, durch Öffentlichkeitsarbeit die Haftbedingungen, denen die Gefangenen unterworfen waren, anzugreifen und für eine Veränderung zu sorgen.

Eine Ergänzung: Diese Komitees sprachen viele Menschen an. So wurde dadurch in kirchlich-humanistischen Kreisen und bei Intellektuellen die Situation der politischen Gefangenen thematisiert und praktisch aufgegriffen. Das ist das eine. Es gab auch gewisse Erfolge, dass z.B. Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof April 1974 nach 3 Monaten endlich aus dem Toten Trakt, was als das schärfste Instrument der Isolationsfolter bezeichnet wurde, herauskamen. Insgesamt befand sich Ulrike dreimal für zirka 11 Monaten im Toten Trakt. (8)
Es hatte sich aber auch gezeigt, dass die Arbeit dieser Komitees an Grenzen gestoßen war. Kannst du das etwas erklären, Bernd?

An Grenzen gestoßen heißt, dass ich z.B. als Mitglied dieses Komitees und als Mitglied der Schwarzen Hilfe z.B. nicht mehr die Möglichkeit sah, mit dieser Arbeit weitere Erfolge zu erreichen, so dass ich dann, wie viele andere, die auch in die Illegalität gingen, um bewaffnet zu kämpfen, dass ich dann den Schluss daraus zog, die Arbeit auf einer anderen, illegalen Ebene fortzusetzen, um letztlich die Situation der Gefangenen verbessern zu helfen und sie letztlich zu befreien.

Wir hatten über die Erfolge der Komitees gegen Folter, der Roten und Schwarzen Hilfen gesprochen. Dass Isolationshaft zwar gesellschaftlich breit thematisiert werden konnte, aber sie wurde weiter angewendet, es wurden neue Gefangene, wie z.B. Ron Augustin aus der RAF im Mai 1974 für 5 Monate in den Toten Trakt – diesmal in Hannover (8a) – gesteckt und du hast dich dann mit einigen Leuten, von denen noch ein weiterer Genosse verhaftet worden ist, zur RAF-AO, also Rote Armee Fraktion Aufbauorganisation zusammen geschlossen.
Kannst du was sagen zu der Namen AO: Was steckte hinter diesen Namen?

Was dahinter steckte war ganz einfach, dass die RAF durch die Verhaftungen 1972 und 1974 geschwächt war, praktisch fast nicht mehr vorhanden war und wir hatten dann die Idee, die RAF müsste wieder aufgebaut werden und daher stammt auch der Name RAF-AO.

Man muss dazu sagen 1972 wurden Menschen um Gudrun Ensslin, Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Holger Meins, Irmgard Möller, also ca. 10 bis 20 Menschen verhaftet. Zusätzlich 1974 glaube ich, auch noch mal bald 10.

10 wohl ungefähr, ja.

Das war einfach die Situation, wo ihr gesagt habt, ihr nennt euch RAF-AO, wollt sie aufbauen.

Knast

Du hast bereits anfangs erzählt, es gab zwei Angriffe von der RAF (AO) im Oktober zum einen gegen das Auto …

Das Auto des Knastarztes Dr. Mairose wurde abgefackelt, ja.

Ein Angriff sollte es geben auf den Wohnort von Herrn Ulrich Klug und der ist fehlgeschlagen. Im Januar sind zwei von euch verhaftet worden.

Im Januar, um den 20. herum, wurden wir verhaftet. Wir waren bei der Vorbereitung einer neuen Aktion und wurden vorher verhaftet.

Und mit dieser Verhaftung hat diese Gruppe ihre Aktivitäten eingestellt?

Ja, die, die noch übrig waren haben dann nichts weiter mehr gemacht.

Du bist dann 1975 im Januar verhaftet worden. Schildere doch mal, wie deine Haftsituation anfangs war.

Ja, die Situation war die, dass ich wie die übrigen in Hamburg sitzenden RAF-Gefangenen auch vollständig isoliert war. Ich habe mich dann dem laufenden Hungerstreik der RAF-Gefangenen angeschlossen und habe dann den Hungerstreik bis zum Ende mit durchgekämpft. Und wir haben dort erreicht, dass wir zumindest 4 Stunden am Tag zu zweit in einer Zelle zusammen geschlossen werden konnten und dort die Gelegenheit hatten, zusammen zu diskutieren, zu reden und zu lesen, so dass wir zumindest 4 Stunden Kontakt zu einem Menschen hatten.

Sonst hattest du ja anfangs gesagt, dass ihr nur eine halbe Stunde Hofgang pro Tag hattet … die 4 Stunden, die ihr euch erkämpft hattet, die galten ja nicht immer, die wurden ab und zu rückgängig gemacht. Es kam ja dann zu deinem oder zu eurem Prozess. Was wurde euch genau vorgeworfen?

Ja, uns wurde vorgeworfen, diverse Einbrüche, die zur Waffenbeschaffung gedient hatten. Vor allem wurde uns aber vorgeworfen, das Abfackeln des Autos des Dr. Mairose und der „versuchte Sprengstoffanschlag“ auf den Hamburger Justizsenator Prof. Dr. Ulrich Klug.

Wie war der Prozess? Also, euch wurde nicht Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen?

Nein, das war so, dass zu einer krimineller Vereinigung mindestens 3 Personen gehören müssten laut eines BGH-Urteils. Nach den Festnahmen hatten sie trotz umfangreicher Ermittlungen kein weiteres Mitglied unserer Gruppe ausfindig machen können, so dass nur wir beide angeklagt waren und damit war auch klar, dass es eine Anklage wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nicht möglich war.

Und wie lautete das Urteil gegen dich?

Das Urteil lautete 5 Jahre gegen mich und 5,5 Jahre, glaube ich, gegen den anderen Genossen.

Du hattest schon mitgeteilt, dass du Umschluss mit Gefangenen aus der RAF hattest. Das waren, u.a auch Helmut Pohl (9) oder Wolfgang Beer (10). Du warts größtenteils immer den gleichen Haftbedingungen wie die gegen die Gefangenen aus der RAF unterworfen.

Zu Kontaktsperre (11)

Anfang September entführte ein Kommando der Rote Armee Fraktion Hans Martin Schleyer. Hans Martin Schleyer war ein Kapitalisten-Funktionär, er war Vorsitzender von mehreren Kapitalisten-Organisationen. Ziel war, 11 Gefangene aus der RAF zu befreien. Von Anfang an wurdet ihr einer Kontaktsperre unterworfen. Kannst du sagen, was das genau ist und wie das bei dir aussah?

Das war ganz einfach so, dass eines Tages plötzlich mehrere Schließer und Knastbedienstete in meiner Zelle standen und ohne etwas zu sagen die Zelle filzten und ausräumten. Das heißt, Zeitungen und Bücher wurden entfernt. Alles, was irgendwie benötigt, um sich mit irgendwas zu beschäftigen, Schreibpapier usw. wurde entfernt. Das heißt, die Zellen waren praktisch völlig leer. Wir wurden dann in andere Zellen verlegt und hatten quasi 24 Stunden am Tag keine Möglichkeit, irgendetwas zu machen. Es gab nichts.

Und das dauerte die ganze Entführung?

Das dauerte die ganze Entführung eigentlich unverändert, nur dadurch verschärft, dass die Zellen jeden Tag durchsucht wurden und dass besonders, noch mehr als sonst, darauf geachtet wurde, dass wir keinerlei Kontakt zu anderen Gefangenen hatten, mit anderen nicht sprechen konnten, also, dass wir quasi völlig auf uns allein gestellt waren.

Das waren ungefähr 6 Wochen lang?!

Ja.

Amerikahaus-Besetzung

Du bist dann 1980 entlassen worden, bist dann aber kurze Zeit später noch einmal verhaftet worden. Es ging dabei um eine Besetzung des Westberliner Amerikahauses. Kannst du sagen, was das für eine Aktion war?

Alljährlich fand der Tag der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft in Berlin statt und dort spielte natürlich das Amerikahaus eine besondere Rolle, weil an diesem Tag diverse Jubelveranstaltungen stattfanden. Und wir hatten beschlossen, an diesem Tag das Amerikahaus zu besetzen. Wir wurden verhaftet und ich habe dann noch mal 11 Monate in West-Berlin im Knast gesessen.

Resümee

Bernd, du warst jetzt bald 6 Jahre im Knast gewesen. Zum Schluss sollten wir ein kleines Resümee ziehen. Und vielleicht einen Ausblick haben, was du heute machst, bzw. wie die aktuelle Situation in den Knästen ist?!

Ja, also, Resümee … die 6 Jahre, die ich im Knast verbracht habe, ich finde nach wie vor und habe es die ganze Zeit so empfunden, dass es keine verlorene Zeit war. Dass es keine Zeit war, der ich irgendwie nachtrauern müsste, sondern dass es eine wichtige Erfahrung war und dass es politisch … die Aktionen, für die ich im Knast gesessen habe, ein Versuch waren, etwas voranzubringen. Wenn es nicht so geklappt hat, wie wir uns das vorstellten, gut, das ist eine andere Sache. Aber auf alle Fälle war die Zeit wichtig und keineswegs eine verlorene Zeit.

Das andere ist, soweit ich das weiß, ist ja die Isolationshaft weiter vorhanden hier in Deutschland. Sie wird gegen türkische Menschen praktiziert, also migrantische, kurdische Kräfte. Bist du denn noch weiter politisch aktiv?

Ja, ich bin vor allem aktiv im Netzwerk für die Freiheit der politischen Gefangenen, was deutschlandweit arbeitet und sich u.a. mit dem Prozess in Stuttgart-Stammheim gegen die türkischen Gefangenen befasst.(13)

Bernd, danke für das Gespräch!

Bitte schön!


Anmerkungen:
(0) https://www.freie-radios.net/121160
(1) Nach zwei kollektiven Hungerstreiks (HS) der Gefangenen aus der RAF begannen sie am 13.9.1974 einen neuen Kampf gegen die Sonderbehandlung und die Isolationshaft, die zum Ziel hat, die revolutionäre Identität zu zerstören. Über 40 politische Inhaftierte kämpften gemeinsam aus der Vereinzelung ihrer Isolierzellen gegen die Vernichtungshaft. Der Streik wurde bis zum 5.2.1975 geführt.
(2) Holger Meins
Am 1. Juni 1972 wurde Holger in Frankfurt verhaftet. Er wurde im Gefängnis Wittlich bis zu seinem Tod vollkommen isoliert, alle Zellen um seine herum wurden leergeräumt, jeder Kontakt wurde ausgeschlossen. Alle Details der Haftbedingungen waren vom Bundeskriminalamt (BKA) bestimmt und vom Haftrichter des BGH und anschließend vom OLG Stuttgart in „Beschlüsse gefasst.“
Der Präsident des BKA Herold und der damalige Generalbundesanwalt Buback verhinderten die vom Gericht angeordnete Verlegung von Holger nach Stammheim zum Prozess, da sie in Wittlich die Bedingungen geschaffen hatten, Holger durch die Tortur der Zwangsernährung (ZE) töten zu lassen.
Das Kalkül des Staatsschutzes war, dadurch den kollektiven Streik zu brechen und die Kader, denen im folgenden Jahr ein Schauprozess in Stammheim gemacht werden sollte, zu dezimieren. Buback: „Schon fünf Gefangene waren manchen zu viel“
Nach 2 1/2 Wochen HS wurde mit der ZE begonnen. Vom Gericht wurde angeordnet: „Zwei Fixieren … mittels Festschnallen auf dem OP-Tisch … gewaltsame Einführen einer Mundsperre … und Festhalten der Zunge mit einem Metallfingerling“.
Holger wurde ein 12 mm dicker Gummischlauch in den Hals gestoßen, was zu heftigen Schmerzen und Verwundungen von Kehle und Speiseröhre und zu Krämpfen führte, während er mit Lederriemen und Handschellen bewegungslos gefesselt war, was zur Störung der Blutzirkulation führte. Zugleich wurde sein Kopf gegen eine Stütze nach hinten gepresst.
Zwangsweise „Ernährung“ war nur das Cover für den Terror. Sie wurde nur zum Schein durchgeführt. Die Zuführung der Nährstoffe war so gering (400 Kalorien), dass es nur eine Frage der Zeit war bis Holger starb.
Zuletzt wog er nur noch 39 Kilo bei einer Größe von über 180 cm. Am 9.11.74 war Holger tot – durch systematische Unterernährung und Zwangsernährungsfolter.
(3) Sigurd Debus
Sigurd wurde im Februar 1974 festgenommen und im Mai 1975 zu zwölf Jahren Haft verurteilt – wegen Bildung einer bewaffneten Gruppe, Bombenangriff auf ein Gebäude des VS und Enteignungsaktionen. Er war nicht in der RAF organisiert. Sechs Jahre war er in Isolationshaft, davon fünf Jahre in völliger Einzel-Isolation in Celle. 1980 wurde er nach Hamburg-Fuhlsbüttel verlegt. Er wollte die Zusammenlegung mit den Gefangenen aus der RAF und dem anti-imperialistischen Widerstand. Dafür kämpfte er im kollektiven Hungerstreik (HS) im Februar 1981.
Am 20. Februar wurde Sigurd ins Hamburger Untersuchungsgefängnis transportiert, wo am 19. März im dortigen Zentralkrankenhaus (ZKH) die Zwangsernährung (ZE) begonnen wurde. Sigurd war in relativ guter körperlicher Verfassung. Er war nicht in einem kritischen oder gar lebensgefährlichen Zustand. Die ZE war nichts anderes als Terror, um seinen Widerstand zu brechen.
Täglich wurde er von einem Rollkommando gepackt und völlig bewegungsunfähig auf einer Liege festgeschnallt und so bis zu elf Stunden der Tortur der ZE ausgesetzt. Sigurd beschreibt die Folgen der ZE in einem Brief an seinen Anwalt:
„ (…) an diesem Abend – nach einer Infusion – war ich nicht fähig, länger als 5 Minuten zu sitzen, fiel auf das Bett. Gleichzeitig Schüttelfrost und Schweißausbrüche, stundenlang Herzrasen und Reißen in der Brust (…) Im Liegen Schwindelanfälle, habe das Gefühl, als wenn die Wirbelsäule und die Beine sich immer schneller spiralförmig drehen und verliere zeitweise das Bewußtsein.“
Am 7. April war Sigurd durch die fortgesetzte ZE-Tortur bewusstlos und wurde im Koma in ein öffentliches Krankenhaus gebracht („nach einer vorher getroffenen Absprache der Justizbehörde und der Gesundheitsbehörde“ – so die staatliche Pressestelle Hamburg am 16. April), damit er nicht im Gefängniskrankenhaus stirbt.
Er kam nicht mehr zu Bewusstsein, Anwält:innen und seiner Mutter wurde sein Aufenthaltsort nicht mitgeteilt und Besuche verhindert.
Am 15. April war Sigurd klinisch tot. Sein Tod wurde aber den Behörden erst am folgenden Tag offiziell bekannt gegeben, womit die Verantwortlichen den Abbruch des HS am 16. April 1981 mit Sigurds Tod in Verbindung bringen wollten und nicht mit der Zusage des Bundesjustizministers, die Forderungen der politischen Gefangenen zu erfüllen.
Medizinische Akten wurden nicht geführt oder vernichtetet. Trotzdem konnte später durch Untersuchungen mehrerer Gutachter:innen nachgewiesen werden, dass Sigurd eine Gehirnblutung hatte, die durch falsch oder unzureichend zusammengesetzte Infusion hervorgerufen wurde. Sigurd starb an den manipulierten Infusionen.
Der Direktor des ZKH der Justiz, Dr. Friedland, der Verantwortliche der von den Gutachter:innen festgestellten „Verletzung von medizinischen Regeln“, hatte schon 1975 auf einer Konferenz von Gefängnisärzt:innen gesagt:
„Als Ärzte im Staatsdienst müssen wir Partei ergreifen, mit anderen Methoden, gegen die Fortsetzung ihres Kampfes gegen Recht und Staat. Dies ist ein Kampf und die Fortsetzung eines Kampfes, den wir mit zu vertreten haben.“
Sigurd wäre ohne ZE Anfang 1986 entlassen worden.
(4) Infos zum Toten Trakt in Köln: Angehörige der poliitschen Gefangenen in der BRD April 1974, OFFENER BRIEF AN DEN JUSTIZMINISTER VON NORD-RHEIN-WESTFALEN, Angehörige der politischen Gefangenen in der BRD April 1974 https://socialhistoryportal.org/sites/default/files/raf/0019740400_2.pdf
(5) Werner Hoppe war von 1971 -1979 als ,,Gefangener der RAF in Hamburg inhaftiert.
(6) Berufsverbot: Das damalige gesellschaftliche Klima ist auch gekennzeichnet durch den „Extremistenbeschluß“, besser bekannt als „Radikalenerlaß“, der von den Ministerpräsidenten der Bundesländer, unter Führung des damaligen sozialdemokratischen Kanzlers Willy Brandt, am 28. 01. 72 verfasst wurde.
In Folge dieses Erlasses, noch besser bekannt als Berufsverbotsverfahren, wurden insgesamt 3,5 Millionen Personen überprüft, ca. 10.000 kritisch-demokratische, antifaschistisch, sozialistisch oder kommunistisch denkenden Menschen wurde der Eintritt in den bzw. der Verbleib im öffentlichen Dienst verwehrt. Tausende berufliche Existenzen wurden so zerstört.
(7) Im Jahr 1972 verschärften die USA ihren ohnehin schon barbarischen Krieg in Vietnam mit der systematischen Bombardierung ziviler Ziele und der Verminung der nordvietnamesischen Häfen, um – wie es ein verantwortlicher General Westmoreland formuliert – dieses Land in die Steinzeit zurückzubomben. Diese Angriffe werden über einen Großrechner im europäischen US-Hauptquartier in Heidelberg koordiniert. Jahrelange erfolglose und mit polizeilichen Mitteln zerschlagene Proteste hatten nicht zum Ende der US-Aggression in Vietnam geführt.
Deshalb ergriff die RAF in diesem Krieg militärisch Partei: Sie griff am 11. Mai 1972 das Hauptquartier des 5. US-Korps in Frankfurt und am 24. Mai das Hauptquartier der US-Army in Heidelberg mit Autobomben an.
In der Erklärung des “Kommandos Petra Schelm” heißt es zur Begründung der Frankfurter Aktion: „Für die Ausrottungsstrategen von Vietnam sollen Westdeutschland und Westberlin kein sicheres Hinterland mehr sein. Sie müssen wissen, dass ihre Verbrechen am vietnamesischen Volk ihnen neue erbitterte Feinde geschaffen haben, dass es für sie keinen Platz mehr geben wird in der Welt, an dem sie vor den Angriffen revolutionärer Guerilla-Einheiten sicher sein können.“
(8) Ulrike war 8 Monate vom 16.6.72 bis 9.2.73, 2 Wochen vom 21.12.73 bis 3.1.74 und 3 Monate mit Gudrun Ensslin vom 5.2. bis 28.4.74 im Toten Trakt.
(8a) Der TOTE TRAKT‘ – das zur Zeit schärfste Folterinstrument – wird erneut angewandt. Komitee gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD https://socialhistoryportal.org/sites/default/files/raf/0019740622_2.pdf; Folter an Ronald Augustin (Broschüre) Komitee gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD -Hamburg https://socialhistoryportal.org/sites/default/files/raf/0019740700_02_2.pdf
(9) Helmut Pohl kämpfte seit 1970 in der RAF und war über 20 Jahre im Knast. Nach seiner Haftentlassung 1998 starb er 2013.
(10) Wolfgang Beer kam am 25.7.80 als Mitglied der RAF bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Er befand sich von Februar 1974 bis August 1978 als Gefangener im Knast.
(11) Siehe „Briefe von Schubert“ Seite 7 und 8, Gefangenen Info 443
(12) Am 5. September 1977 entführt das „Kommando Siegfried Hausner“ den Kapitalistenfunktionär Hanns-Martin Schleyer. Das Kommando fordert die Freilassung von 11 RAF-Gefangenen. Schleyer soll freigelassen werden, wenn die Gefangenen in ein Land ihrer Wahl ausgeflogen werden.
Schleyer als Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), des Bundesverbandes der Arbeitgeberverbände (BDA) und Vorstandsmitglied von Daimler-Benz, war eine der mächtigsten Persönlichkeiten der BRD, („Boss der Bosse“) mit einer allerdings von der Presse immer verschwiegenen bzw. verharmlosten Nazikarriere. Er war bereits als 16jähriger der faschistischen Bewegung beigetreten. Als Leiter des NS-Studentenwerks war er an der Gleichschaltung der Universitäten und der Entfernung der jüdischen und antifaschistischen Student*innen beteiligt. Später wurde er Leiter des Präsidialbüros im Zentralverband der Industrie für Böhmen und Mähren und war dort für die wirtschaftliche Eingliederung des tschechoslowakischen Industriepotentials in die deutsche Kriegswirtschaft zuständig.
Trotz Schleyers Führungsposition ist die Bundesregierung zu keiner Zeit bereit gewesen, auf den vorgeschlagenen Austausch einzugehen.
Die Entführung endete am 19. Oktober mit der Erschießung von Schleyer.
(13) 2008 fand in Stuttgart-Stammheim das erste § 129b-Verfahren gegen fünf migrantische Linke statt. Die fünf Genossen wurden zu 2 Jahren und 8 Monaten bis zu 5 Jahren und 4 Monaten verurteilt. Dieses Pilotprojekt diente der Klassenjustiz zu drakonischen Verfolgung von weiteren progressiven Zusammenhängen – bis heute.