Der Kampf im TKP/ML-Verfahren geht weiter

Unterstützer*innen aus Nürnberg

Banu bleibt! Nürnberger Ausländerbehörde will türkische Genossin ausweisen

Wir haben schon über das skandalöse TKP/ML-Verfahren in München berichtet. Nur, weil sie angeblich Mitglieder der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten Leninisten (TKP/ML) sind, wurden zehn türkisch- und kurdischstämmige Aktivist*innen zu drakonischen Haftstrafen verurteilt. Sie erhielten zwischen zwei Jahren und neun Monaten sowie sechs Jahren und sechs Monaten. So endete im Juli 2020 nach über vier Jahren eines der größten Polit-Verfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Der absurde Mammut-Prozess drehte sich um die „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Organisation“ nach § 129b StGB. Und das, obwohl die TKP/ML in Deutschland gar nicht verboten ist und auch auf keiner internationalen Terrorliste steht. Nur Erdogan in der Türkei verfolgt sie hart. Dem schloss sich mit der Verhaftung der Aktivist*innen die BRD an und erfüllte Erdogans Wünsche – obwohl die Angeklagten in Deutschland überhaupt keine strafbaren Handlungen begangen hatten. Worum es ging, waren konkret die Organisation von Veranstaltung oder die Sammlung von Spenden. Normale Vereinstätigkeiten also. Kurz: Es war einzig und allein ihre kommunistische Gesinnung, weshalb die Angeklagten verurteilt wurden. Dagegen hat die Verteidigung Rechtsmittel erhoben. Die Berufung steht noch aus.
Aber das Rad der Repression dreht sich trotzdem weiter. Zwei der betroffenen Genoss*innen erhielten nämlich im Winter 2020 unschöne Post. Sie sollten zu „Anhörungen bzgl. geplanter Ausweisung“ erscheinen. Das bedeutet, dass sie durch eine Ausweisung ihre Niederlassungserlaubnis verlieren könnten und womöglich nicht in Deutschland bleiben dürfen. Dann müssten sie tatsächlich in die Türkei ausreisen, wo sie natürlich akut gefährdet wären. Es handelt sich um Dr. Banu Büyükavci und Dr. Sinan Aydin, beide Ärzt*innen aus Nürnberg. Sie leben schon seit 2006 dort in Franken. Banu, die sowohl Ärztin als auch Psychiaterin ist, erhielt gleich ihre alte Stelle im Klinikum Nürnberg zurück, nachdem eine überlange, fast dreijährige Untersuchungshaft sie aus ihrem Alltag gerissen hatte. Ihre Kolleg*innen standen hinter ihr und fanden den Vorwurf lächerlich, die beliebte Ärztin und Therapeutin, die sich auch bei ver.di engagiert, sei eine „Terroristin“. Sie konnte gleich wieder arbeiten, nachdem sie aus der U-Haft freikam. Ihr Partner Sinan aber verlor seinen Job. Zudem droht beiden, ihre ärztliche Approbation zu verlieren. Dann dürften sie nicht mehr praktizieren, ihre berufliche Existenz wäre vernichtet.
Und die anderen Betroffenen? Müslüm Elma, der zum „Rädelsführer“ stilisiert wurde und bis zuletzt in U-Haft blieb, hatte in Deutschland vor vielen Jahren als politisch Verfolgter Asyl erhalten. Nun hat er den Status einer Duldung, der auch nicht gerade sicher ist. Er erhielt die höchste Strafe. Von ihm stammt der kluge Satz: „Dieser Prozess wird nicht im Gerichtssaal, sondern auf der Straße entschieden“. Musa Demir, Sami Solmaz und Mehmet Yesilcali haben auch Ärger, allerdings wohnen sie in Frankreich, Österreich und in der Schweiz, deshalb befinden sie sich zunächst in Sicherheit, dürfen aber für 20 Jahre nicht mehr nach Deutschland einreisen.

Solidarität formiert sich – Abschiebung jederzeit zu befürchten

Bis zum 30.12.2020 wurden Banu und ihrem Anwalt von der Stadt Nürnberg Zeit eingeräumt, um darzulegen was für Gründe gegen ihre Ausweisung sprechen. Dies wurde natürlich erledigt. Es folgte noch eine weitere Frist bis Mitte Januar 2021 zur Ergänzung, um weitere Gründe gegen die Abschiebung anzuführen. Auch diese Frist ist nun abgelaufen und seit dem 17.1.2021 kann die Stadt Nürnberg jederzeit eine Entscheidung treffen. Seither musst jeden Tag mit einem Ausweisungsbescheid von der Ausländerbehörde gerechnet werden. Der Widerstand dagegen organisiert sich. Es gibt Aktivitäten von Seiten des Nürnberger Solidaritätsbündnisses, das den ganzen Prozess begleitet hat, sowie derzeit besonders von der Gewerkschaft ver.di, weil Banu auch im Landesmigrationsausschuss aktiv ist. Seit dem 23.12. finden jeden Mittwoch um 17 Uhr vor dem Nürnberger DGB-Haus an der Straße der Menschenrechte Kundgebungen statt. Diese sind gut besucht – einmal waren es über 200 Menschen – und werden reihum von einem breiten Bündnis betreut. Selbst die örtliche SPD und die Grünen stellen sich an Banus Seite, die Linkspartei ebenso. Als Kommunistin weiß sie natürlich genau, was sie davon zu halten hat. Dennoch ist es momentan aufgrund der akuten Gefährdung gut, wenn möglichst breit gegen das Ausweisungsverfahren protestiert und darüber aufgeklärt wird, dass Banu keine „Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland“ darstellt. Besonders freut sich die Genossin darüber, dass sowohl die ärztlichen Beschäftigten im Klinikum Nürnberg, als auch viele weitere Kolleg*innen sich in mehreren Schreiben an den Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gewendet haben. Diese Solidarität geht inzwischen weit über den unmittelbaren Kreis der Abteilung hinaus. Alle, die Banu kennen, betonen, dass sie nicht nur eine tolle Kollegin ist, sondern auch rein fachlich unersetzbar, weil sie durch ihre Erfahrung in der Psychotraumatologie traumatisierten Geflüchteten in ihrer eigenen Sprache helfen kann. Künstler*innen traten für Banu auf, die afroamerikanische Sängerin Felicia Peters präsentierte den Song „Banu muss bleiben – Bmb we gotta fight“. Der Bayerische Rundfunk berichtete ebenso wie viele andere Medien. Leider grätschte wieder mal die Nürnberger Polizei dazwischen, indem sie mitten in einer Rede klar widerrechtlich intervenierte und darauf drängte, die Kundgebung um Punkt 17.30 Uhr zu beenden. Ver.di legte Beschwerde dagegen ein. Die Mittwochs-Kundgebungen gehen weiter.
Auf keinen Fall darf es zu Abschiebungen in die Türkei kommen. Wenn schon die BRD-Regierung Erdogan hilft und damit ihre eigene Repression gegen Linke forciert, darf die Nürnberger Ausländerbehörde dieses Unrecht nicht auch noch weitertreiben und die Situation zuspitzen.