In Griechenland wurden Mitte dieses Jahres 11 im Exil lebende Antifaschist:innen zu enorm hohen Haftstrafen verurteilt. Wir führten ein Interview mit einer Genossin, die mit ihnen zusammen in der Internationalen „Anti Imperialistischen Front“ organisiert ist und zum lokalen Unterstützer:innenkreis der 11 gehört. Hier haben wir den ersten Teil des Interviews, für Euch zum Lesen.
GI: Hallo Konstantina, was kannst du uns über den Hintergrund der Verhaftungen deiner/unserer Genoss:innen sagen?
AIF: Hallo. Danke für die Interviewanfrage. Also, zu dem Fall unserer 11 Genoss:innen, die in Griechenland zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden, gibt es viel zu sagen. Die Operation der Griechischen Anti Terror Polizei in Kollaboration mit dem Türkischen Geheimdienst, dem Griechischen Geheimdienst als auch der US-imperialistischen Geheimdienste, begann für uns am 19. März 2020. Bei dieser Operation sind sie mit Gewalt in 2 unserer Objekte eingedrungen. Eines war das Haus in dem unsere Genoss:innen zusammengewohnt haben, das andere unsere Büroräume der Antiimperialistischen Front in Athen.
GI: Wie sah die Operation aus?
AIF: Sie drangen mit enormer Gewaltanwendung ein und haben alles was sie zerstören konnten, zerstört. Alles für sie interessante nahmen sie mit, sowohl vom Wohnhaus als auch aus unseren Büroräumen. Sie haben an diesem Tag 26 unserer Leute festgenommen. Danach haben andere unserer Genoss:innen sofort eine Pressekonferenz und Kundgebung vor unseren Räumen organisiert und die Anwält:innen die uns beistehen kontaktiert. Es waren 7 und diese 7 wurden dann schließlich auch von der Polizei festgenommen. Das war die Phase, in der wir die Totale Repression seitens des Türkischen Faschismus zu spüren bekommen haben, quasi türkische Verhältnisse in Griechenland, und wie die Hellenische Republik auf Befehl vom Faschismus agierte.
GI: Wie meinst du „auf Befehl agiert“ – kannst du uns das näher erläutern?
AIF: Ja, also ganz sicher gab es etwas, was den Hellenischen Staat bewegte, gegen unsere Leute und in diesem Umfang vorzugehen. Es war eine ungerechte politische Entscheidung, denn nach der Operation hat der türkische Innenminister SÜLEYMAN Soylu öffentlich in den türkischen Staatsmedien verlautbart: „Die Hellenen haben sie eingeknastet, weil wir ihnen den Befehl gaben.“ Somit haben wir zum einen die öffentlichen Aussagen des Ministers für Inneres der Türkei. Zum anderen sahen wir auch davor die direkte Kollaboration der beiden Unrechtsstaaten. Denn auch wenn sie zusammen gegeneinander die Muskeln spielen ließen und es in der Öffentlichkeit so dargestellt wurde, dass sie evtl. Krieg gegeneinander führen würden auf Grund der Mediterranen Ansprüche der Türkei, so ist das eine riesige Lüge, denn das Einzige gegen was sie Krieg führen, sind Revolutionäre und die Völker der Welt. Wir dürfen bloß nicht den Fehler begehen und auf ihr Lügenspiel reinfallen, welches sie uns vorgaukeln. Es war nämlich so – 2 Monate vor der Operation war eine Generalversammlung von NATO Staaten Mitgliedern. Nach dem letzten Tag der NATO-Versammlung machten der Premierminister der Hellenischen Republik und Tayip Erdogan eine Unterredung hinter verschlossenen Türen. Wir wissen zwar nun nicht was sie dort besprochen haben, doch es war vor der Operation und der Eröffnung des Verfahrens gegen uns. Wir sind uns somit verdammt sicher, dass die Repressionen gegen uns eines ihrer Themen waren. Denn der Türkische Staat hatte uns schon länger im Auge.
GI: Danke für den Kontext. Kommen wir nun zum Gerichtsprozess – wie ist der verlaufen?
AIF: Ok, also dann zum Prozess. Da gibt es nun auch an und für sich eine riesige Menge an Einzelheiten, die es zu erzählen gibt. Was ich auf jeden Fall zunächst erwähnen muss ist, das die U-Haft-Zeit für unsere Genoss:innen sehr hart war, denn es war in der großen Lockdown Phase aufgrund der COVID 19 Pandemie. Sie konnten bzw. durften keine Bücher haben, sie bekamen keine Erlaubnis für Besuch, sie haben aufgrund der Pandemie mit verstärkten Problemen und Ungerechtigkeiten zu kämpfen gehabt. So wie ihnen erging es allen Gefangenen in den Knästen, während des harten Lockdown. Sie waren also Monatelang ohne Besuch und konfrontiert mit allen verschärften einhergehenden Maßnahmen im Knast. Das ist etwas was nicht nur die Politischen Gefangenen in Griechenland oder Politische Gefangene allgemein betrifft, das ist etwas womit alle Gefangenen des Systems in den Knästen auf der ganzen Welt zu kämpfen hatten. Man muss sagen, die Einschränkungen führten für alle Gefangenen auf der Welt zu noch mehr Isolation als sonst schon herrscht.
GI: Nun also kommen wir zu dem Verfahren an sich – was ist im Gericht passiert?
AIF: Am ersten Tag, dem 2. Juli dieses Jahrs hatten unsere Gefangenen im Knast ein Transpi vorbereitet, welches sie im Gerichtssaal öffnen wollten, geplant als kämpferische Demokratische Aktion. Als drei Knast-Wachteln dieses bei ihnen entdeckten, eröffneten sie unseren Leuten, dass sie damit nirgendwo hingehen würden und sie auch keine Stifte oder sonst irgendwas mit sich führen dürften.
GI: Wie reagierten die Gefangenen darauf?
AIF: Sie widerstanden und haben erklärt, sie werden das weitere Durchsuchen ihrer selbst nicht dulden und weigerten sich, mit zum Gericht zu fahren – somit wurde der erste Prozesstag abgesagt. Klar war nach diesem Tag, wie es um den Prozess steht – er wird von Staatlicher Seite hart sanktioniert.
GI: Wie ging es nun weiter?
AIF: Am nächsten Tag, als der Prozess dann losging, gab es heftige Repressionen. Die Anti Terror Einheit war mit vor Ort und haben unsere Leute während der Pause für 10 Minuten in die Zellen sperren wollen, so dass unsere Gefangenen ihre Anwält:innen sowie die Internationalen und nationalen Solidarischen Begleiter:innen des Prozesses nicht sehen konnten. Unsere Leute erklärten, dass sie sich nicht in die Zellen überführen lassen werden. Normalerweise entscheidet das Gericht nach Absprache mit der Staatsanwaltschaft, ob sie während der Pause in die Zellen gehen oder sie im Saal bleiben können. Doch sie sagten, sie können das nicht entscheiden, sie werden den Geheimdienstlichen Weisungen der Sicherheit im Verfahren folgen, denn die Sicherheit muss gewährleistet werden.
GI: Wie war es am dritten Tag?
AIF: Eine einzige Farce der Ungerechtigkeit, die sich fortsetzen sollte. Immer dann, wenn unsere Leute etwas sagen wollten, wurden sie unterbrochen bzw. ihnen das Recht abgesprochen, sich zu äußern. So wurden auch deren Anwält:innen, die ihrer Arbeit bei Gericht nachzugehen versuchten, unterbrochen und das Recht und ihre Pflicht genommen, ihre Mandant:innen zu verteidigen. Nach der letzten Pause an diesem dritten Tag, kamen die Anti Terror Einheiten rein um unsere Leute unter massiver Gewalt in die Zellen zu führen. Selbstverständlich haben sich die 11 Gefangenen dagegen gewehrt. Doch man drückte sie im Gerichtssaal aneinander, schlug und trat sie und hat einem von ihnen (er ist über 65 Jahre alt), der massive Herzprobleme hat, erheblich verprügelt und ins Gesicht geschlagen. Solange bis er bewusstlos mit dem Kopf voran zu Boden gefallen ist. Ein Krankenwagen wurde zwar gerufen, doch der kam erst nach 2 Stunden. Trotzdem, dass unser 65-jähriger Genosse noch immer bewusstlos neben den Stühlen auf dem Boden lag, forderte die Richterin die Anwesenden auf, ihre Masken aufzusetzen, um die Verhandlung fortzusetzten. Sie meinte, dass unser gewalttätiges Verhalten in Form von Widersetzen, also nicht zurück in die Zellen zu gehen, zu diesen Maßnahmen geführt haben. Die Gefangenen und Anwält:innen erwiderten: „Nein wir machen hier nicht weiter mit, das ist kein Gerichtsprozess. Das was hier passiert, ist Staatsterrorismus auf widerlichste Weise gegen die Angeklagten.“ Ohne Grund hatten Sie sogar die Übersetzer:innen (die das Gericht selbst bestellt hat) geschlagen und zu Boden gedrückt. Verstehst du was ich mit Staatsterrorismus meine? Wie kann irgendwer der Meinung sein, dass das ein Gerichtsverfahren ist? Man bedenke, dass schon im Hochsicherheitsgefängnis solche Schikanen stattgefunden haben, auf Grund dessen, dass unsere Leute wegen Terrorismus angeklagt sind. Somit konnte niemand raus, denn der Saal ist im Hochsicherheitsgefängnis, was zur Folge hatte, dass auch die Prozessbegleitung Opfer der Angriffe durch die Anti Terror Polizei wurde.
Als dieser Tag vorbei war, wurden 3 unserer Genoss:innen, die den Prozess begleitet haben, im Nachhinein festgenommen, weil ihnen unterstellt wurde, die Bullen angegriffen zu haben. Dazu haben wir natürlich auch widerstand mittels Parolen geleistet und widersetzten uns der Maßnahme. Denn es ist einfach unglaublich, sie foltern vor unseren Augen unsere Genoss:innen, prügeln den ältesten von ihnen bis zur Bewusstlosigkeit und wollen dann noch mit Repression auf uns zukommen? Somit war letztendlich eindeutig klar, was dieser Prozess für einen Charakter hat. So kam dann auch das Gerichtsurteil nicht überraschend, das alle unsere Genoss:innen zu je 30 Jahren Haft, für die Mitgliedschaft in der DHKP-C, verurteilt wurden.