Aktuelle Bezüge zu Loics 1. Prozesserklärung vom 17.6.2020

Einige von „Solidarisch Kämpfen“

Vor Gericht stand hier natürlich auch eine Haltung und Überzeugung, der ich hier noch einmal Ausdruck verleihen möchte, indem ich kurz aus Loïc Schneiders Einlassung bzw. Erklärung zum Prozess zitiere:
„Emmanuel-Joseph Sieyès, erklärte in seiner Rede vom 7. September 1789 direkt nach der französischen Revolution: « Frankreich muss keine Demokratie sein, sondern eine repräsentative Demokratie. Die Wahl zwischen diesen beiden Arten der Gesetzgebung ist zwischen uns nicht anzuzweifeln. Zum ersten hat die enorme Vielzahl unserer Mitbürger weder ausreichend Kenntnis noch genug Freizeit, um sich direkt mit den Gesetzen befassen zu wollen, die Frankreich regieren sollen; sie müssen sich daher darauf beschränken, Repräsentanten zu wählen. […] Die Bürger, die Repräsentanten nominieren, verzichten daher und müssen darauf verzichten, selbst das Gesetz zu ins Leben zu rufen; sie haben keinen besonderen Willen aufzuerlegen. Wenn sie den Willen diktieren würden, wäre Frankreich kein repräsentativer Staat mehr, es wäre ein demokratischer Staat. Das Volk, ich wiederhole es, in einem Land, das keine Demokratie ist (Frankreich wüsste nicht, wie es eine sein sollte), das Volk kann lediglich durch seine Repräsentanten sprechen und handeln. »

Diese aktiv an der Ausarbeitung des politischen Systems nach der französischen Revolution beteiligte Person besitzt die intellektuelle Ehrlichkeit, eine repräsentative Demokratie anzuerkennen, die keine Demokratie ist. Heute lullt uns die herrschende Klasse zur Vermeidung des Verlusts ihrer Interessen und des Risikos, unter einer neuen Unzufriedenheit des Volkes zu verschwinden, bereits ab der Schulzeit ein und wiederholt unablässig im Fernsehen, dass wir uns in einer „fortgeschrittenen Demokratie“ befinden. Diese anmaßende Formulierung will uns glauben machen, dass wir sogar über die Demokratie hinausgegangen sind, während wir in Wirklichkeit nie diese Stufe erreicht haben, sondern uns immer noch in einer repräsentativen Demokratie befinden.
Ich habe mich dazu entschlossen, lieber zu handeln, als meine Macht an einen Repräsentanten abzugeben. „Sie schicken Ihre Beauftragten in ein Milieu der Korruption; seien Sie nicht überrascht, wenn sie dort korrumpiert herauskommen“ schrieb Élisée Reclus in ihrem Text: « Wählt nicht, handelt ». Die Parlamente sind mit Lobbyismus, den Interessen riesiger Unternehmen und der Finanzwelt überschwemmt.“
Eben diese Repräsentanten von denen Loïc hier mittels der Erklärung von Steyès spricht, ebnen mit einer solchen Gesetzgebung, wie diesem von 2014 und im Elbchausseeprozess zur Anwendung gebracht, einer reibungslosen Sicherung von Absatzmärkten und rücksichtsloser Ausbeutung von Ressourcen den Weg. So ist es zumindest gedacht und geplant.
Die Ära Merkel hat so den Begriff der so genannten „marktkonformen Demokratie“ geprägt, auch mit all den unwürdigen Tarifabschlüssen, flächendeckendem Niedriglohn und allgemeiner Zurückhaltung von Lohnforderungen seitens der Gewerkschaften seit 2008.
Das wird dazu führen, dass 2030 in Deutschland 40% aller abhängig Beschäftigten mit Grundsicherung ihre Rente aufstocken werden müssen. An dieser programmierten Altersarmut wird auch die betrügerische Grundrente von Arbeitsminister Hubertus Heil nichts ändern. Sie verdient nicht einmal den Namen Grundrente.
Die Aufmerksamkeit vieler Gewerkschaftler in Europa hat sich deshalb auf die Revolte der Gelbwesten in Frankreich gerichtet.
Auch in dem Wissen: Kann Macron seine Reform dort durchsetzen, werden auch andere Gewerkschaften Europas geschwächt.
Wir, die Leittragenden dieser Politik sollen nicht mehr soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum versprochen bekommen, sondern von Jobcenter verwaltet, der Polizei bewacht und von Gerichten beherrschbar gemacht werden.
Eine Aufrüstung gegen zunehmenden Protest und Revolten, wie die der Gelbwesten in Frankreich, gegen Formen polizeilicher, oft rassistischer, Gewalt wie in Minneapolis, oder auch kürzlich in Hamburg und auch anderen Metropolen der Welt.
Militarisierung im Innern, das heißt:
Videoüberwachung und Gesichtserkennung steht heute in einer Linie mit neuen Polizeigesetzen und Befugnissen wie die Ausrufung von Gefahrgebieten , Ausgangssperren, neuen PolizeiSpezialeinheiten wie die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit. Hochgerüstete Wasserwerfer, Pfefferspray und Reizgastechnik. Paramilitärisch wirkende Schutzkleidung der Polizei.
Gleichzeitig müssen wir uns gegen eine scheinbar immer höhere schleichende Akzeptanz in der Gesellschaft wehren, das soziale und ökonomische und damit auch ökologische Konflikte
polizeilich oder gar militärisch gelöst werden.
Die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich wird schon lange nicht mehr durch Versprechen auf Wohlstand wie in den 60er Jahren, sondern es wird ihr mit repressiver Politik immer neuen
Unterdrückungsinstrumenten wie diesem so genannten hier zur Anwendung gebrachten „Holigan-Gesetz “ begegnet.
Es ist zu erwarten, dass es auch bei den anstehenden 84 Verfahren, den Rondenbargprozessen zu einem Zusammenwirken von zuvor bearbeitetem Videomaterial und diesem
Abschreckungsgesetz kommt. – Ein Gesetz, das auf unerwünschte Potest- und Widerstandsformen zielt. Das ist Feind- und Rachejustiz.
Insgesamt stehen noch 1400 Verfahren zum G20 an.
Wir müssen aber Strategien und Protestformen des Widerstands entwickeln, die sich an ihrer Wirksamkeit und Ziel orientieren und nicht an gesetzlich erlaubten Vorschriften von ausbeuterischen Mensch- und Umwelt zerstörenden Systemen.
Dazu noch einmal aus Loïcs Erklärung:
„Finden Sie mich nicht in Ihrer Definition des guten oder bösen Demonstranten wieder, Sie sollten nur wissen, dass ich jeder Person gegenüber solidarisch bleibe, die sich nach Demonstrationen vor der Justiz befindet : ob es die des G20 oder der Gelbwesten sind, die von Minneapolis oder der Arbeiterviertel in Chile oder der von Hong-Kong. Denn noch einmal, wie auch immer mein Urteil über diese oder jene Handlung oder diese oder jene einzelne Person ausfällt, ich werde meine Stimme nie gemeinsam mit den Schreien des Hasses erheben, die Bewaffnete, Polizei, Gerichtsbarkeit, Priester und Gesetze in Bewegung setzen, um ihre Privilegien aufrechtzuerhalten.

Es gab zahlreiche Versuche zur Blockierung des G20 mit nicht gewalttätigen Sit-ins; ich habe auch an dieser Strategie teilgenommen und eine neben mir befindliche Person fand sich mit einem Veilchen wieder, während ein weiterer Polizeibeamter mir Fußtritte versetzte, während wir saßen. Ich stellte fest, dass die Verwendung dieser Taktik weniger gefährlich im Beisein von Kameras ist, die die Szene festhalten. Die Polizei scheint sehr auf ihr Image bedacht zu sein, und hält sich mit der Demonstration ihrer Gewalt unter Objektiven zurück, zögert jedoch nicht mit dem Einsatz ihrer dunklen Seiten, sobald sich ein wenig Schatten zeigt.

« Der passive nicht gewalttätige Widerstand ist insoweit wirksam, als dass Ihr Widersacher den gleichen Regeln folgt wie Sie. Aber wenn eine friedliche Demonstration auf nichts als Gewalt trifft, endet die Wirksamkeit. Für mich ist die Nichtausübung von Gewalt kein moralisches Prinzip, sondern eine Strategie. Es gibt keine moralische Güte bei der Verwendung einer wirkungslosen Waffe. »

– Nelson Mandela“