NEIN zur radioaktiv strahlenden Olympiade in Japan!

Lasst uns gemeinsam für eine Gesellschaft kämpfen, in der der Mensch im Mittelpunkt von Denken und Handeln steht und nicht die ökonomische und machtpolitische Rationalität!

Japan lädt die Sportler*innen der Welt zu sich ein: 2020 sollen die Olympischen Spiele von der Metropole Tokio ausgerichtet werden. 250 km vom havarierten Atomkraftwerk Fukushima Daiichi entfernt. (Spiele der XXXII. Olympiade, 24. Juli – 9. Aug. 2020, s. Spiegel Online)
Aber auch in der Hauptstadt der Präfektur Fukushima sind olympische Wettkämpfe geplant: Baseball und Softball-Spiele sollen dort ausgetragen werden – 50 km vom havarierten Atomkraftwerk entfernt.
Am 11. März 2011 kam es nach einem Erdbeben (Stärke 9.0) und einem nachfolgenden Tsunami zur Atomkatastrophe mit Kernschmelze in drei Reaktoren des Atomkraftwerkes Fukushima Daiichi. (Von 6 Reaktoren waren 3 in Betrieb. Das Atomkraftwerk lieferte 10% des Stroms in Japan) Durch diese verheerende Kombination der Katastrophen verloren im März 2011 circa 300.000 Menschen ihr Zuhause und 20.000 starben (Tagesspiegel 15.05.2019), 2000 Arbeiter*innen wurden verstrahlt. Radioaktive Wolken verstrahlten Japan und den umliegenden Ozean.
Vergleichbar ist das nur mit dem Super-GAU in Tschernobyl in der Nacht vom 25. auf den 26. April 1986. Viele Menschen erlitten damals schwerwiegende Strahlenschäden und viele sind daran bereits gestorben. Von der Tschernobyl-Katastrophe sind über 600 Millionen Menschen in ganz Europa gesundheitlich betroffen. (Das geht aus einer Studie der IPPNW Deutschland und der Gesellschaft für Strahlenschutz zu den gesundheitlichen Folgen von Tschernobyl hervor (IPPNW-Studie, April 2011)).
Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima wurden nach und nach alle 54 Reaktorblöcke in den 17 Atomkraftwerken Japans vom Netz genommen. Die Industrienation kam völlig ohne Atomstrom aus. Im Juli 2012 wurde nach 2 Monaten ohne Atomstrom der erste der beiden Druckwasserreaktoren am AKW Öi wieder in Betrieb genommen. Im September 2013 gingen beide Reaktoren wegen Routinewartungen wieder vom Netz. Ab da war Japan für knapp 2 Jahre komplett frei von Atomenergie. Bis im August 2015 der erste Reaktor am AKW Sendai wieder hochgefahren wurde. Ende Oktober 2018 waren neun Reaktoren wieder in Betrieb.
Die havarierten Reaktoren am AKW Fukushima Daiichi stellen weiterhin eine Gefahr dar. Auch gibt es Schwierigkeiten, die Brennelemente im Abklingbecken des Reaktors 4 ausreichend zu kühlen.
Die ökologischen und sozialen Folgen sind weithin sichtbar: Entwurzelte Familien, wie ausgestorben wirkende Evakuierungszonen, hunderttausende Säcke mit verstrahlter Erde, verseuchte Wälder, Flüsse, Seen und Küsten.
Große Mengen an radioaktivem Material befinden sich weiterhin in den havarierten Reaktorgebäuden, während gleichzeitig auf dem Kraftwerksgelände radioaktive Materialien unter freiem Himmel gelagert werden. Da der Kernbrennstoff in den havarierten Reaktoren kontinuierlich gekühlt werden muss, fallen täglich geschätzte 700.000 Liter kontaminiertes Wasser an. Von diesen fließen nach Schätzungen der Betreiberfirma TEPCO (Tokyo Electric Power Corporation) ca. 300.000 – 400.000 Liter pro Tag unkontrolliert in den Pazifik. Der Rest kann abgepumpt und in Tanks auf dem Kraftwerksgelände gelagert werden (IPPNW 10.03.2015). Rund 1,2 Milliarden Liter radioaktiv kontaminiertes Wasser lagern bereits in riesigen Tanks auf dem Kraftwerksgelände. Täglich dringt auch neues Grundwasser ein, das ebenfalls verstrahlt wird.
Dieser Zustand stellt auch im Fall eines erneuten Erdbebens – das in Japan häufig vorkommt – eine große Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Die Atomkatastrophe dauert an. Es gibt keine Entwarnung.
Aber nicht die Sicherheit der Weltbevölkerung, sondern der Profit zählt!.
Die durch Ableitung radioaktiver Stoffe mit der Luft und dem Wasser aus dem AKW jeweils verursachte Strahlenbelastung von Einzelpersonen der Bevölkerung darf normalerweise die effektive Dosis von 0,3 mSv (Millisievert) pro Kalenderjahr nicht übersteigen (deutscher Grenzwert).
Internationale Regelungen sehen vor, dass die Bevölkerung nach einem Atomunfall lediglich 1 mSv zusätzlicher Strahlung pro Jahr ausgesetzt werden darf. In den wiederbesiedelten Evakuierungsgebieten in der Präfektur Fukushima wird der Bevölkerung jedoch eine Strahlendosis zugemutet, die bis zu 20 Mal höher liegt (bis 20 mSv). Selbst Ortschaften, die bereits dekontaminiert wurden, können durch Wind und Wetter jederzeit erneut verstrahlt werden, denn Felder, Waldgebiete, Berge und wildes Terrain stellen unsanierbare Reservoire radioaktiver Stoffe dar und tragen immer wieder zu Rekontamination ehemals gereinigter Areale bei.
Bewohnte Gebiete in der Präfektur Fukushima, die nie evakuiert wurden, sind ebenfalls verstrahlt. Über 100.000 Flüchtlinge leben dort in Übergangshäusern. (s. antiAtom-Fukushima)
Es gibt keine ungefährliche Untergrenze für radioaktive Strahlung. Jede radioaktive Strahlung kann Krankheit und Tod auslösen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit dafür unterschiedlich und hängt auch von der Konstitution des einzelnen Menschen ab. Der Festlegung von Grenzwerten liegen technische Machbarkeit aber auch Kosten-Nutzen-Abschätzungen zugrunde: Kosten für Krankheit und Tod und Nutzen für das Kapital.
Auch ist der Mensch ebenso Teil der Biosphäre wie Tiere und Pflanzen und jeder Schaden an der Umwelt hat auch unmittelbare Folgen für den Menschen.
Naoto Kan, damaliger Premierminister Japans, bekannte sich in einem Interview mit der britischen Zeitung „The Telegraph“ zum erklärten Gegner der Atomenergie. Nur einen Fingerbreit von der Schwelle zum totalen nuklearen Desaster habe sich Japan im Frühling 2011 befunden, nachdem es im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi zu drei Kernschmelzen gekommen war. Kurzzeitig habe man sogar erwogen, die Hauptstadt Tokio zu evakuieren – insgesamt wären das mit den umliegenden betroffenen Präfekturen 50 Millionen Menschen gewesen. In den Tagen nach Beginn der Atomkatastrophe wehte der Wind aber vor allem Richtung Osten, so dass ein Großteil des radioaktiven Niederschlags (schätzungsweise 80%) über dem Pazifik erfolgte. Das führte zur größten, jemals gemessenen radioaktiven Kontamination der Weltmeere durch ein einzelnes Ereignis. (s. IPPNW)
2011 noch wollte Naoto Kan die Betreiberfirma TEPCO zur Rechenschaft ziehen und Ursache und Auswirkungen der Katastrophe mit aller Macht und allen Mitteln bekämpfen. Das Kartell aus Großkapital, Atomkonzernen, korrupter Bürokratie und Politik – in Japan „das Atomdorf“ genannt – jedoch stoppte ihn und drängte ihn aus seinem Amt. Anschließend wurde der erzkonservative Shinzo Abe ins Amt gehievt. Dieser gab TEPCO freie Hand und brachte sogar wieder einige AKWs ans Netz. Den GAU erklärte er kurzerhand für beendet. (s. ethecon)
Die hohe Anzahl neuer Schilddrüsenkrebsfälle bei Kindern und die erwartete Anzahl von mehreren zehntausend Krebserkrankungen ist besorgniserregend (ergibt sich übereinstimmend sowohl aus dem WHO (Weltgesundheitsorganisation)– als auch aus dem IPPNW-Report, IPPNW 14.03.2013, 06.06.2014).
Viele Menschen werden in den nächsten Jahrzehnten an radioaktiven Folge-Erkrankungen leiden und auch sterben.
Die Krankheitsdynamik der Radioaktivität ist ein chronischer, über Jahrzehnte andauernder Prozess – außerhalb der akuten Strahlungs-Sofortschäden. Deshalb ist der Nachweis einer Strahlungserkrankung so schwierig.
Die weitaus höchsten Strahlendosen dürften die Arbeiter*innen auf dem Kraftwerksgelände erhalten haben/erhalten. Täglich gehen dort 5ooo Arbeitskräfte ein und aus.
Die japanische Aufsichtsbehörde WRA und das japanische Gesundheitsministerium haben vorgeschlagen die maximale Strahlenbelastung für Nuklearabeiter*innen für eine Notfall-Situation von 100 mSv auf 250 mSv anzuheben. Auch jenseits von Katastrophensituationen sollen Nukleararbeiter*innen einer höheren Strahlenbelastung ausgesetzt werden dürfen. Es soll eine kumulierte Strahlenbelastung von 100 mSv zulässig werden (IPPNW 10.08.2015).
Die überwiegende Mehrheit von ihnen sind allerdings nicht Angestellte der Betreiberfirma TEPCO, sondern Hilfsarbeiter*innen, die unter weitaus schlechteren Arbeitsbedingungen von Subunternehmen angeheuert worden sind/werden. Auch hat TEPCO für die Rekrutierung von Arbeiter*innen die Yakuza (japanische Mafia) beauftragt. Diese hat i.Allg. Obdachlose und Bedürftige verpflichtet, deren Krankheit und Tod wohl weniger öffentliche Wellen schlagen. Es ist davon auszugehen, dass tausende Arbeiter*innen bereits an Krebs erkrankt und viele auch gestorben sind.

Es herrscht weiterhin keine Normalität in Japan

Von offizieller Seite werden die Auswirkungen der Atomkatastrophe stark heruntergespielt.
Die gesundheitlichen Auswirkungen werden systematisch unterschätzt, bisherige Messungen in Fukushima sind unzulänglich.

  • Der japanische Premierminister Shinzo Abe sagte bei der Olympiabewerbung vor der 125. IOC-Vollversammlung am 07.08.2013 in Buenos Aires (Spiegel ONLINE 08.09.2013):
    – „die Lage in Fukushima ist unter Kontrolle“
    – „es hat und wird nie eine Gefahr für Tokio bestehen“
    – es gebe kein Problem, und „es wird in Zukunft keins geben“
    – „ich bürge persönlich dafür, dass die eingeleiteten Maßnahmen greifen“
  • Der Chef des Organisationskomitees für die Tokio-Spiele, Yoshiro Mori sagte:
    Durch die Ausrichtung der Spiele werde Fukushima zeigen können, „wie weit der Wiederaufbau in den zehn Jahren nach der Katastrophe“ vorangeschritten ist. Die Entscheidung werde „den Menschen Mut machen, besonders in der betroffenen Region“.
  • Der Gouverneur der Präfektur Fukushima Masao Uchibori sagte:
    „Wir brauchen ein Ziel, um zeigen zu können, wie weit sich Fukushima erholt hat.“ Er bezog sich auf die olympischen Spiele 2020. (Tagesspiegel 15.05.2019)

Das alles ist Täuschung, reiner Zynismus und Menschenverachtung, auch den Opfern der Atomkatastrophe gegenüber.
Es besteht nämlich sehr wohl eine erhebliche Gesundheitsgefahr in den radioaktiv kontaminierten Gebieten. Umso unverantwortlicher ist es von der japanischen Regierung, Teile der Olympischen Spiele dort auszutragen. Damit soll der Eindruck erweckt werden, dass Fukushima wieder „sicher“ und die Atomkatastrophe „behoben“ sei – und überhaupt die Produktion von Atomenergie beherrschbar sei.
Etwa 500.000 Menschen mussten nach dem Super-Gau ihr Zuhause verlassen. Etwa 50.000 der evakuierten Menschen leben weiterhin in Behelfsunterkünften und viele von ihnen weigern sich, in ihre verstrahlten Dörfer und Städte zurückzukehren. Das obwohl – nach einem Erlass der Regierung – den nicht Rückkehrwilligen die Unterstützungsleistungen (z.B. die Rente) gestrichen werden und auf ihnen Zwang ausgeübt wird. Auch die Bereitstellung kostenloser Unterkünfte soll auslaufen.
Auch Sportler*innen und Besucher-*innen werden durch die Kontamination in der Region Fukushima gefährdet. Dies gilt insbesondere auch für Menschen mit erhöhter Strahlensensibilität, u.a. für Schwangere und Kinder und Menschen mit Immunschwäche oder genetisch bedingter Neigung, an Krebs zu erkranken.
Nach Schätzung des japanischen Rechnungshofs könnten die Olympischen Spiele am Ende etwa 22 Milliarden Euro kosten (s. Spiegel Online, 11.03.2019).
Gleichzeitig streicht die japanische Regierung die Unterstützungsleistungen für alle nicht rückkehrwilligen Evakuierten – welch ein zynischer Umgang mit Menschen!

Bilanz

Wir wollen eine erhöhte Aufmerksamkeit dafür erreichen, wie die kapitalistischen Verhältnisse und wie politische Repräsentanten in aller Welt in den militärisch-industriellen Komplex verstrickt sind.
Die zivile und militärische Nutzung der Atomenergie sind zwei Seiten einer Medaille.
Es gibt weiterhin weltweit kein Endlager, in dem die lebensbedrohlichen Hinterlassenschaften der Atomtechnologie (zivil wie militärisch) angemessen sicher verwahrt werden können.

  • wir unterstützen die Initiativen zum Atomausstieg und zur weltweiten Energiewende:
    – weg von fossilen und nuklearen Brennstoffen und hin zu erneuerbaren Energien!
    – Atomwaffen abschaffen, weltweit!
  • wir sagen Nein zum Versuch der Japanischen Regierung, die lebensbedrohliche Situation zu vertuschen, der Weltöffentlichkeit Normalität in den verstrahlten Gebieten vorzuspielen.
    Die Betreiberfirma TEPCO muss gestoppt werden!
  • wir solidarisieren uns mit den Opfern und Geschädigten der Atomkatastrophe.
  • wir rufen alle Sportler*innen, Sport-Funktionär*innen, Besucher*innen und alle in irgendeiner Form an den Spielen Beteiligte auf, die Spiele 2020 in Japan zu boykottieren. Sich ihrer Verantwortung – auch den von der Atomkatastrophe Betroffenen gegenüber – bewusst zu werden und sich nicht instrumentalisieren/ funktionalisieren zu lassen, um weltweit in Japan Normalität vorzutäuschen. Boykott auch als Zeichen der Solidarität mit den Opfern und Geschädigten der Atomkatastrophe und den Menschen, die dort dauerhaft leben.

NEIN zur radioaktiv strahlenden Olympiade in Japan!

Die Atomkatastrophe in Fukushima war und ist keine Naturkatastrophe, sondern ist ein Verbrechen, das von Menschen zu verantworten ist!

Lasst uns gemeinsam für eine Gesellschaft kämpfen, in der der Mensch im Mittelpunkt von Denken und Handeln steht und nicht die ökonomische und machtpolitische Rationalität!


Literatur
– Strahlentelex mit ElektrosmogReport
www.strahlentelex.de/Folgen von Fukushima.htm
www.strahlentelex.de/Tschernobyl-Folgen.htm
– IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War. Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.)
https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/tokyo-2020-the-radioaktive-olym.htm/
http://www.radioaktive-olympics.org/deutsche-information/hintergrundinformation.htm/
– ethecon Stiftung Ethik § Ökonomie
www.ethecon.org info@ethecon.org
– Umwelt-Medizin-Gesellschaft
www.Umwelt-Medizin-Gesellschaft.de
„Freigesetzte Radioaktivität aus der Reaktorktastrophe von Fukushima im Pazifik und in der Nahrungskette“ ,307, 4/2011
– Naoto Kan
Als Premierminister während der
Fukushima-Krise
iudicium Verlag GmbH München 2015,
ISBN 978-3-86205-426-8
– You Tube
„Fukushima Tagebuch einer Katastrophe“, ZDF Info 2018
– antiAtom-Fukushima
http://antiatom-fuku.de/
info@antiatom-fku.de


Dieser Aufruf wird unterstützt von:
Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz – Bremen (MAUS e.V.)
WWW.MAUS-Bremen.de MAUS@MAUS-Bremen.de
Systemoppositionelle Atomkraft Nein Danke-Gruppe – Hamburg (SAND)
https://SAND.blackblogs.org SAND@nadir.org

26. Mai 2019