Kein Schweigen

Redaktion

Seit einiger Zeit dehnt sich unser Arbeitsfeld weiter aus und umfasst mittlerweile auch das Themengebiet „forensische Psychiatrie“. Gemäß unseres Anspruchs versuchen wir so gut es geht, auch Gefangenen in unterschiedlichen forensischen Knästen eine unzensierte Plattform zu bieten. In diesem Rahmen hatten wir unsere 415. Ausgabe dem Komplex „Psychiatrie“ gewidmet und versucht, uns und unserer Leserschaft zu einem kritischen Einstieg in das Thema zu verhelfen. In jener Ausgabe ging es mitunter um den ersten Jahrestag des tragischen Todes von Ahmet Agir, der sich am 9. Mai 2017 in der Forensik Bremen-Ost zugetragen hatte.
Zum Fall Ahmet Agir hatten wir in den vergangenen zwei Jahren immer wieder Beiträge erhalten, die wir in unserer Zeitschrift abgedruckt und somit dokumentiert haben. So druckten wir im September 2017 in unserer 409. Nummer den Artikel „Ende einer Therapie“ ab. Es handelte sich dabei um eine anonyme Zusendung, welche sich kritisch mit dem behördlichen Umgang hinsichtlich des Todes von Ahmet Agir auseinandersetzte und gleichzeitig die Todesumstände Ahmets ans Tageslicht beförderte.
Die Gesundheit Nord gGmbH sah sich aufgrund des besagten Artikels veranlasst, die „HÖCKER Rechtsanwälte“ einzuschalten und unserer Zeitschrift mit „gerichtlichen Wegen“ zu drohen, sollten wir den Artikel nicht löschen. In einem über 20-seitigen Anwaltsschreiben wird der forensische Knast und seine Belegschaft reingewaschen und uns geraten, die Angelegenheit „geräuschlos und kostenfrei“ zu beenden.
Wir betrachten das Vorgehen der Forensik Bremen-Ost als Einschüchterungsversuch uns gegenüber und können das in Anbetracht der gegebenen Umstände nicht akzeptieren. Schließlich geht es um den unaufgeklärten Tod eines gefangenen Menschen und unser Protest gegen diese Maßnahme drückt sich in Form dieser Ausgabe aus, die wir Ahmet Agir, seiner Familie und den Gefangenen der Forensik Bremen-Ost widmen möchten.
Im Grunde bestätigt dieses Vorgehen der Forensik Bremen-Ost zumindest jene Passagen des oben genannten Artikels „Ende einer Therapie“, in der es heißt: „Es verwundert (…) nicht, dass bereits kurz nach dem Vorfall etwaige Zeugen unter den Gefangenen systematisch seitens des KBO eingeschüchtert wurden; nur Einzelne, Ungebrochene sind daher noch zu Aussagen bereit. Einschüchterungen von Zeugen, und ähnliche Beeinflussung von Ermittlungen, sind natürlich, in mehrerer Hinsicht, völlig illegal. Es sind diese Methoden, die bisher – in allen Anstalten – einen lauteren Aufschrei unterdrückt haben.“ (GI 409, s. 21)
In Anbetracht der Zustände in den forensischen Knästen sowie der etlichen Todesfälle, die sich dort hinter verschlossenen Türen ereignen (s. a. „Liste von Psychiatrie-Toten“, GI 419, s. 27), sollte eine kritische Öffentlichkeit hergestellt werden, die sich solidarisch mit den eingesperrten Menschen zeigt und ihnen eine Stimme gibt. Die Umstände, dass die Verhältnisse in den forensischen Knästen verschwiegen und vertuscht werden sowie kritische Stimmen eingeschüchtert und mundtot gemacht werden, machen dies erforderlich.
Die Unterstützung der auf Seite 10 abgedruckten Kampagne „Weg mit § 63 StGB/ Gegen Zwangspsychiatrie“ wäre ein erster Schritt, um den Menschen in den forensischen Knästen zu helfen. Zudem wäre es hilfreich, sich mit psychiatrie-kritischen Gruppen zu vernetzen, Kontakt zu widerständigen Forensik-Gefangenen herzustellen und sich zu organisieren.
Abschließend rufen wir dazu auf, Öffentlichkeit herzustellen, um Druck aufzubauen und sich für die Klärung der Todesumstände von Ahmet Agir einzusetzen.