Sunny W.
Wenn man in dem „normalen Leben“ ein Problem hat, was ärztliche Versorgung betrifft, geht man zum Arzt oder in ein Krankenhaus. Doch wie läuft das Alles hinter Gittern?
Nun ja zunächst muss man dafür einen Antrag schreiben, einen sogenannten VG51. Auf diesen muss man dann auch eine Begründung schreiben. So das auch alle die den Antrag in die Hände bekommen auch schön Bescheid wissen. Schreibt man keine Begründung drauf, kann man Pech haben und kommt nicht dran bzw. es wird nicht einmal bearbeitet. Der Antrag wir dann an den medizinischen Dienst weitergeleitet und von den Schwestern bearbeitet. Je nach der Laune der Schwestern kommt man am selben Tag oder in unabsehbarer Zeit dran. Es bedurfte zum Beispiel einmal 8 Anträge und ein Schreiben des Anwalts, um zum Arzt zu gelangen.
Die Frage ist auch oft, will man überhaupt zum Arzt? Als ich hier ankam hatten wir hier 3 verschiedene Ärzte an unterschiedlichen Tagen. Montag bis Mittwoch war immer ein Chirurg im Haus gewesen oder zwei verschiedene Allgemeinmediziner. Nun haben wir seit dem 1. November 2018 einen neuen Anstaltsarzt. Er ist ukrainischer Herkunft. Soweit nicht schlimm, wenn er unsere Sprache beherrschen würde. Mein erstes Gespräch war sehr ernüchternd, als er die GoogleÜbersetzer-App öffnete, um mir zu erklären, was mir fehlte. Das Beste ist, dass so gut wie alles eine Erkältung für ihn ist, auch Rückenschmerzen, Schulterschmerzen etc. Im Dezember nannte er mir drei Diagnosen, die in Frage kämen: Blinddarmentzündung, Eierstockentzündung oder Bandscheibenvorfall. Er wollte direkt einem Antibiotikum verschreiben, was ich dankend ablehnte ohne eine sichere Diagnose. Im Endeffekt war keine der Diagnosen richtig. Als die Schmerzen so stark waren, dass ich es nicht mehr Aushalten konnte, stellte ich einen Antrag auf externen Arztbesuch. Ich sollte bei ihm vorsprechen. ER war sehr ungehalten. Ich erklärte ihm, dass ich doch nicht nur Schmerztabletten nehmen könne und dass es nicht besser werden würde. Er meinte, dass sei das Einzige, was wir machen könnten. Genau! Und genau das ist es, was mich grade dazu bewegt, das hier zu schreiben und viele andere Sachen die Mir zu Ohren gekommen sind.
Wir haben viele Räume freistehen, in der man andere Fachärzte für die Anstalt unterbringen könnte oder einen Physiotherapeuten. Aber nein kein Geld.
Ein gutes Beispiel ist eine ehemalige Gefangene, deren Rückenprobleme so stark waren, dass sie im November 2017 im Leipziger Haftkrankenhaus angemeldet wurde, da es dort einen Physiotherapeuten gibt. Im April 2018 wurde sie entlassen. Bis dahin war sie hier bei uns mit ihren Rückenproblemen. Die Ärzte meinten, dass sie sich bei einer falschen Bewegung eine Querschnittslähmung zuziehen könnte. Aber das interessierte hier keinen!
Man muss hier unendlich betteln oder den Arm unterm Kopf tragen, um extern einen Arzt zu bekommen. Seit Mai letzten Jahres haben wir eine externe Psychiaterin, ein Fortschritt, nur sie kommt nur alle 14 Tage für 6 Stunden und das auf 300 Gefangene unter denen jede Zweite ein psychisches Problem hat.
Auch ist es so, dass man sich streckenweise wegen Kopfschmerzen eine HBD (Bereitschaftsarzt) kommen lassen muss, da 14:30/15:30 keiner mehr im MED Bereich zugegen ist. In anderen JVA´s ist es möglich, privat Schmerztabletten zu kaufen. Diese werden mit deinem Namen markiert und im Dienstzimmer hinterlegt. Bei Bedarf können sie dann abgeholt werden. Das geht hier nicht! WARUM? Man weiß doch noch nicht am Abend vorher, ob an am nächsten Tag um 15:30 Kopfschmerzen solche bekommt, dass man es ohne Tablette nicht mehr aushält. Es bedarf dann immer einer unendlichen Diskussion mit den diensthabenden Bediensteten, weil sie deswegen schon Ärger mit de MED Dienst bekamen, weil sie wegen Kopfschmerzen einen HBD gerufen hatten. Aber welche Wahl haben wir denn? KEINE!
Oft setzt der MED auch falsche oder gar keine Medikamente ein. So haben bei einer Mitgefangenen schon ein paar Mal die wichtigen Blutdrucktabletten gefehlt oder die doppelte Dosis lag drin. Wenn man es hier meldet, dann wir das unter den Tisch gekehrt. Ich habe mich damals, als ich ausgelacht wurde, an das Justizministerium gewandt. Seitdem funktioniert es bei mir einiger Maßen. Aber warum muss man erst solche Wege gehen? Wir haben ein Recht auf medizinische Versorgung. Aber hier wird teilweise nicht mal das Nötigste getan. Selbst die Bediensteten trauen sich teilweise nicht, den MED Dienst zu rufen, ob sie nach der Arbeit noch mal vorbeikommen könnte, eben wegen einer solchen Schmerztablette. Man hätte hier sogar die Räumlichkeiten für eine kleine Krankenstation. So würde die JVA auch Bedienstet sparen, die ständig zur Krankenhausüberwachung abgezogen werden. Sie würden also auch Kosten sparen, wenn zumindest bis 22 Uhr eine Schwester anwesend wäre. Die Kosten für die HBD-Einsätze würden entfallen, die ja sowieso vor allem durch falsche/ fehlende Versorgung mit Medikamenten oder das Zurückhalten von Schmerzmitteln entstehen. Nur leider sieht die JVA das nicht!
Es gibt zahlreiche Beispiele, die ich hier noch aufzählen könnte. Wir werden wie Menschen dritter Klasse behandelt, obwohl wir laut Strafgesetzbuch ein Recht auf medizinische Versorgung haben. Doch gibt es hier keine Standards. Seit Wochen ist der Zahnarztstuhl kaputt, weswegen man zur Behandlung nach Zwickau oder Waldheim in die JVA gefahren werden muss. Nicht schon schlimm genug, dass die Zahnarztsprechstunde nur jeden Dienstag bis mittags ist. Fließbandarbeit heißt es da für den Arzt. Es fehlt am Nötigsten. Und das sind Dinge, die nach Außen gar nicht oder nur geschönt getragen werden. Viele trauen sich auch nicht, etwas zu sagen, aus Angst vor Konsequenzen. Das kann es einfach nicht sein!
Wir sind Menschen und haben eine würdevolle Behandlung und Betreuung verdient!