Hülya A.
Wir haben diesen Brief von Hülya am 26.01.19, mit der Bitte ihn zu verbreiten, erhalten. Unterstützt Hülya und andere kämpfende Knackis, sie freuen sich immer sehr über Post.
Gefährt*innen, mein Name ist Hülya A., ich sitze zur Zeit in der JVA Willich II. In meinem Text geht es um den Abschied an meine verstorbene Schwester, die sich selbst das Leben genommen hat. Aber auch über Diskriminierung.
Meine liebste Schwester, ich konnte keinen Abschied von dir nehmen, du warst die besondere Bindung, die ich hatte in die Außenwelt. Die Zeit in der du Herrschaft und Diskriminierung erlitten hast, haben dich wohl in den Wahnsinn getrieben. Ich konnte für dich in den letzten Jahren nicht da sein, für deine transsexuelle Entscheidung habe ich dich akzeptiert. Weil ich dich so sehr geliebt/Liebe wie du bist, wie du warst. Du bist schwach geworden. Du hast dich selbst nicht mehr für wertvoll gehalten. Du wurdest ausgegrenzt, von der Gesellschaft ausgestoßen, die um dich herum war und vor allem wurdest du von unserer Familie nicht akzeptiert. Ich habe mich für dich entschieden, ich wurde von der Familie ausgestoßen, weil ich dich unterstützte. Ich habe an das Gute im Leben geglaubt. Du wolltest mich im Oktober besuchen, ich habe sehnsüchtig auf dich gewartet. Du warst eine komplette Frau, das hast du mir bei unserem letzten Telefonat mitgeteilt. Ich war so verdammt stolz auf dich. Ich habe die Momente mit meiner Gefährtin Lisa und mit ganz vielen anderen geteilt. Unerwartet erhielt ich die Nachricht, dass du dir das Leben genommen hast. Ich wollte es nicht glauben, ich kann es nicht glauben. Du bist sehr schwach geworden und hast dich dazu entschieden, frei wie ein Vogel zu sein. Ich werde deinen Tod nicht hinterfragen, ich akzeptiere es. Es war deine Entscheidung, ich wünschte ich wäre draußen gewesen. Es tut mir leid. Ich weiß jetzt nicht, wo du bist, aber ich weiß, dass du immer in meinem Herzen und meinen Gedanken bist und bleiben wirst. Ich liebe dich.
Gefährt*innen, für mich ist es gerade nicht leicht, ständig eingesperrt zu sein. Ich bin drinnen unselbstständig, meine eigene Familie hat mich ausgegrenzt und diskriminiert. Ich bitte euch alle dort draußen, die meinen Text lesen, akzeptiert alle Menschen wie sie sind, egal was für eine Hautfarbe, ob sie transsexuell, lesbisch, bisexuell, oder sonstiges sind. Mensch ist Mensch, jeder muss akzeptiert werden, wie er ist. Täglich erlebe ich hier drinnen im Knast das ganze Leid von Gefangenen, wie sie von den Herrschenden ausgegrenzt, schikaniert oder diskriminiert werden. Die krassen Ungerechtigkeiten, die Ausbeutung, die Zerstörung der Emotionen von uns Gefangenen und von den Menschen draußen, es ist furchtbar und grausam. Das Knastsystem macht was mit der Psyche von Gefangenen/Menschen. Solidarität ist sehr wichtig. Ich rufe genau aus solchen Gründen zur Solidarität auf, denn so ein Knast- und Bestrafungssystem darf nicht herrschen. Jeder Mensch ist einzigartig und sollte niemals für sein Verhalten bestraft werden!
Wir müssen uns gemeinsam solidarisch gegen all die Ausgrenzung, die Diskriminierung und den Rassismus sowie natürlich letztendlich gegen die Schikanen und das Knastsystem, das uns alle betrifft, stellen.
Danke an alle, die mich unterstützten, ich wünsch uns allen viel Kraft und Mut!
Nieder mit den Knastmauern!
Freiheit für alle!