Sandra W.
Wir drucken den folgenden Brief ab, weil wir denken, dass Sandra Unterstützung braucht. Ihre Ansichten hinsichtlich „Gesetze und Bestrafung“ teilen wir jedoch nicht. (Red.)
Mein Name ist Sandra W. Ich bin 33 Jahre jung und befinde mich trotz festgestellter Haftunfähigkeit seit dem 09.08.2017 in Haft bis voraussichtlich 09.06.2021.
Mehrfach habe ich versucht mit meinen Anwälten eine Haftunterbrechung zum Zwecke der stationären Therapie zu erhalten,was leider immer wieder seitens der Gerichte abgelehnt wird. Zuletzt am 15.01.2019 obwohl das Landgericht ein neues Gutachten am 24.10.2018 in Auftrag gegeben hatte, welches am 07.11.2018 erstellt wurde. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass ich aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen haftunfähig bin.
Er empfahl eine kombinierte stationäre und im Anschluss ambulante Behandlung, dennoch lehnte es das Gericht ab, im Beschluss heißt es dazu:
„Sowie sich dem Gutachter die derzeitige Situation darstellt, sei eine adäquate und sachgemäße Behandlung unter den gegebenen Bedingungen definitiv nicht möglich. (Das Gericht erwähnt aber nicht das ich aufgrund dessen für Haftunfähig erklärt wurde)
Eine kombinierte stationäre und anschließende ambulante Behandlung wäre insgesamt vorteilhaft. Hieraus ergibt sich allerdings nicht inwieweit für die Zeit der Vollstreckung der Freiheitsstrafen eine Pharmakotherapie zur Behandlung der Verurteilten ausreichend wäre oder zusätzlich eine psychotherapeutische Behandlung nicht nur vorteilhaft, sondern notwendig ist.
Hierbei ist ebenfalls nicht abschließend geklärt,inwieweit eine solche stationäre Psychotherapie auch im Haftkrankenhaus in Leipzig durchgeführt werden kann, obgleich der Gutachter davon ausgeht, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen der Verurteilten und der Therapeutin aufgebaut werden müsse.“ Das Gericht schrieb außerdem, dass eine Behandlung auch extern aus der JVA in einem Krankenhaus stattfinden kann. Aber dies ist nicht realisierbar, denn die JVA lehnt mir seit nunmehr 18 Monaten auch jegliche Anträge auf ambulante Therapie ab. Es ist so, dass ich seit meiner Haft mehrfach versuche an beiden Fronten zu kämpfen, intern wie auch über das Gericht, um entweder aus der Haft in eine Klinik zur Behandlung entlassen zu werden oder aber eben von hier aus ambulant behandelt werden zu können. Denn das einzige, was ich möchte, ist Hilfe erhalten. Der JVA liegen sämtliche Schreiben der Ärzte und Therapeuten sowie alle Gutachten vor und dennoch erhalte ich keine Hilfe.
In der JVA Chemnitz arbeiten keine ausgebildeten Therapeuten lediglich psychologische Dienste, welche mir ziemlich schnell signalisierten, mir nicht helfen zu können, es sind zu viele Baustellen.
Eine Psychiaterin haben wir erst seit Mai 2018, welche aber lediglich alle 14 Tage kommt, das für 6 Stunden auf fast 300 Gefangene, deshalb teilte sie mir am 12.09.2018 mit, mich nur noch alle 10 Wochen holen zu können aus Kapazitätsgründen. Auch sonst gibt es keine Hilfsangebote innerhalb der JVA. Suchtberatungsgespräche finden alle 5 Wochen statt. Wobei diese mir auch nicht helfen können, da es keine ausgebildeten Therapeuten sind. Ich leide an Agoraphobie mit Panikstörungen, nun mehr an einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (vor der Haft war eine „normale“ posttraumatische Belastungsstörung), an rezidivierenden Depressionen. Und gerade die Panikattacken haben sich in den letzten Monaten extrem gesteigert, wobei ich niemals gedacht hätte, dass dies noch möglich ist. Es fängt meist mit Herzrasen und Schwindel an, das Gefühl in Ohnmacht zu fallen, Druck auf der Brust, so dass ich Angst haben muss, einen Herzinfarkt zu haben, Taubheitsgefühle in Armen und Beinen und Luftnot. Es fühlt sich an, wie lebendig begraben zu werden. Bevor ich in Haft kam, hatte ich 5-6 dieser Attacken im Monat, nun habe ich bis zu 10 dieser Attacken am Tag! Auch legen diese sich immer mehr auf meine Sehfähigkeit, am 22.03.2018 hat es damit angefangen, ich habe von jetzt auf gleich kaum noch etwas gesehen, nur noch schemenhaft als wäre alles unheimlich weit weg. Ich hatte extreme Angst, dass das nun für immer so bleiben würde. Nach der Gabe von Diazipam ging es wieder. Als ich hier her kam, bekam ich dieses Medikament 3 mal täglich ohne zu wissen, dass es schwer abhängig macht, als man es dann von jetzt auf gleich absetzte, merkte ich es. Es war der pure Horror! Seither habe ich extreme Angst vor Medikamenten, dennoch versuchte ich der neuen Psychiaterin zu vertrauen und nahm das Medikament Venlafaxin, welches sie mir verordnete, das Ende davon war, dass es meine Symptome nur noch mehr verschlimmerte. So sehr, dass ich am 27.08.2018 in den Bunker gesperrt wurde, da mir akute Suizidalität unterstellt wurde. Ich hatte nach der Ablehnung des Gerichts eine unbedachte Äußerung gemacht und zudem fand man diverse Schreiben von mir, welche ich während einer Attacke geschrieben habe, da stand dann auch mal drinnen, dass ich wünschte, dass alles aufhören würde! Damit war aber nicht mein Leben gemeint, sondern die Angst!!! Denn diese raubt mir den letzten Verstand! Oft denke ich auch während so einer Attacke, dass es jetzt besser wäre, wirklich tot umzufallen, dann würde alles aufhören! Aber genau das ist das, wovor ich Mega-Angst habe. Denn während so einer Attacke laufen Bilder in meinem Kopf ab, dass ich wirklich umfalle, mir den Kopf anschlage und verblute, weil ich nicht rechtzeitig gefunden werde. Als ich noch zuhause war, war das der Grund, warum ich nie lange allein zuhause sein konnte. Ich hatte sogar die Türen in der Wohnung ausgehängt, und erst nach dem Therapiebeginn im Februar 2017 hatte ich die Türen wieder eingehängt und auch so fing es an mir besser zu gehen. Seit der Haft ist alles nur noch schlimmer geworden. Seit August habe ich Angst vor Essen und Trinken, Angst davor, allergisch zu reagieren und nicht rechtzeitig Hilfe zu erhalten, oder dass mich wer vergiften will. Irre eigentlich, aber ich kann mich nicht dagegen wehren. Die pure Hölle für mich, ich habe seitdem 20kg abgenommen.
Die JVA schaut einfach zu, ohne etwas zu tun, erklären sie dem Gericht gegenüber aber, dass ich die Möglichkeit der Teilnahme an psychiatrischen Sprechstunden habe, dass diese nur alle 10 Wochen stattfinden, haben sie dem Gericht nicht mitgeteilt. Ich hatte bis zum 06.09.2018 regelmäßige Gespräche mit dem psychologischen Dienst, ab da dann nicht mehr. Da wurde mir mitgeteilt, dass es eine Fachdienstberatung gab, als ich im Bunker war, welche zu Tage trug, dass er mir nicht helfen darf und kann, da er kein ausgebildeter Therapeut ist.
Seither erhalte ich noch weniger Hilfe als vorher. Streng genommen keine!
Der Tagesablauf wird auch regelmäßig gestört, da es immer wieder für alle zu komplettem Einschluss kommt aufgrund von Personalmangel.
Ansonsten ist der Tagesablauf wie folgt:
06.00-07.00 Uhr Aufschluss (Arbeiterinnen gehen 06.30, Auszubildende 06.50 zur Arbeit bis 14:30 Uhr)
14.30-15.30 Aufschluss (außer freitags wegen Einkauf)
15.30-16.30 Hofgang
14 Tage Rhythmus entweder 16.30-18.30 oder 19.00-21.00 Uhr Aufschluss, in dieser Zeit müssen wir duschen,Post holen und beantworten, da früh keine Post angenommen wird, Sport dienstags und donnerstags fällt in diese Zeit.
Andere Aktivitäten gibt es kaum und wenn, dann sind immens lange Wartelisten, z.B. beim Chor alle 14 Tage oder der Kunsttherapie, das sind aktuell Wartelisten bis zu 9 Monaten. Resozialisierung findet kaum statt. Denn man ist zu 99% auf sich allein gestellt, hauptsächlich ist man unter Einschluss und Hilfe erhält man hier keine! Man ist zu 99,5% auf sich allein gestellt.
Telefonieren ist so extrem teuer (redaktionelle Anmerkung: Anbieter ist „Telio“;)) Festnetz 0,14 cent min, 0,20 cent auf Handy. Die einzige Möglichkeit für viele Kontakte nach draußen zu halten, aber wer kann sich das schon leisten?! Bei einem monatlichen Durchschnittsgehalt von 180 bis 220 euro, wovon allerdings 40% aufs Ü-Geld (Überbrückungsgeld) kommen oder Eigengeld, wo man aber nicht ran kommt. Natürlich sind wir alle nicht ohne Grund in Haft, wir sind hier, weil wir gegen Gesetze verstoßen haben und dafür gehört man auch bestraft, aber doch in Maßen und nicht in Massen!!!
Wem dient es, wenn man wie in meinem Fall als psychisches Wrack entlassen wird?! Weil Gerichte und die JVA der Meinung sind, meinen Krankheitsfall besser beurteilen zu können als Fachärzte! Ich wurde insgesamt „4“ mal wegen Haftunfähigkeit begutachtet. In „“ deshalb, weil sich nicht mal einer davon ansatzweise die Mühe machte, meinen Krankheitsverlauf zu hinterfragen, sondern mich lieber zu meiner Ausbildung in der JVA fragten. Was hat das mit meiner Krankheit zu tun?! NICHTS! Die 3 anderen Gutachter kamen dazu, dass ich nicht haftfähig bin, wenigstens bis zum Abschluss einer stationären Therapie, und dass hinterher erneut zu prüfen ist, ob ich geeignete Bewältigungsstrategien erlernen konnte. Dass die Haft reaktivierend wirkt! Ja, das merke ich jeden Tag. Am Anfang hatte ich die Attacken nur auf meiner Zelle, mittlerweile überkommen sie mich überall sogar bei Besuchen oder auf dem Freistundenhof. Einfach überall!!
Und anstatt, dass die JVA das einsieht und auch öffentlich sagt, mir nicht helfen zu können, sehen sie einfach dabei zu, wie es mir Tag für Tag schlechter geht.
Ich will nun weiter kämpfen, dass meine Gutachten anerkannt werden und ich doch noch die Chance zu meiner Therapie erhalte, denn ich möchte nichts mehr als endlich nach all den Jahren ANGST/SUCHT/STRAFTATENFREI LEBEN!!!!
Dafür habe ich mir einen Top Anwalt gesucht Dr. Thomas Galli, dieser kostet natürlich Geld, Geld, das ich nicht habe. Weshalb nun die FAU Chemnitz wie auch die GG/BO Soligruppe Jena mich unterstützen und Spendengelder sammeln, damit ich die Kosten tragen kann. Dieser Anwalt ist meine letzte Chance doch noch Gerechtigkeit zu erhalten, zumal ich bereits Eineinhalb Jahre Haftaufschub hatte aufgrund von Haftunfähigkeit bis zum 31.08.2017, dann sollte ich erneut begutachtet werden, wozu es nicht mehr kam. Da ich im Mai/Juni auf Schuldfähigkeit begutachtet wurde, in diesem Zusammenhang wurde ein fehlerhaftes Gutachten erstellt, was das Amtsgericht Zwickau direkt als Anlass nahm, Haftbefehl zu erlassen und die Staatsanwaltschaft Zwickau widerrief den Haftaufschub, ohne mich nochmals begutachten zu lassen.
Es muss ein Ende finden!