Brief von Andreas Krebs

Andreas Krebs, 29. Oktober 2018

Lieber…, nun bin ich fast sechs Monate in Neapel in der Haftanstalt Secondiglicano und fühle mich erst jetzt im Stande, einige Zeilen zu schreiben, wie es mir hier ergeht und was bis jetzt passiert ist.
Deutschland bzw. Moabit hat mich ohne irgendwelche Krankenunterlagen noch sonstiges nach Italien verfrachtet. Es ging ein Konvoi von sechs Fahrzeugen inkl. SEK mit Blaulicht und Sirene zum Flughafen, wo ich dann in den Flieger gebracht wurde. Hier warteten lediglich drei Polizisten.
In Rom angekommen wurde ich ID(vermutlich ED) behandelt und Stunden später von den Vollzugsbeamten aus Secondigliano abgeholt.
Angekommen wurde ich durchsucht und mir wurde vieles abgenommen.
Dann wurde ich noch in der Nacht um 22 Uhr in eine Zugangszelle mit vier Personen gebracht. Ich wurde Ärzten vorgestellt und erklärte jedes mal aufs Neue, welche Medikamente ich in Deutschland bekam, ich darauf eingestellt bin und und und.
Im Behandlungsraum wird geraucht und nebenbei TV Serien vom Sani und dem Personal angesehen. Das Ende vom Lied ist, dass ich seit fünf Monaten darum bitte, mir die richtige Medizin zu geben!
Doch lediglich Psychopharmaka bekomme ich und warte seit drei Monaten auf die Untersuchung in die Röhre zu kommen. Mein Zustand hat sich so verschlechtert, dass ich auf Krücken gehe. Ich wurde auf eine normale Station verlegt in eine Vier-Mann-Zelle und was ich da bis vor einem Monat erlebt habe, ist Wahnsinn!
Ausländer werden gehasst und Schwarze erst recht. So konnte ich beobachten wie man einen Schwarzen, der gerade auf die Station verlegt wurde, drangsalierte, dass dieser sofort aus der Station genommen wird ohne Konsequenzen für die anderen.
Ich sah wie Gefangene Stichwaffen im Arsch herum tragen und wie schon Leute verletzt wurden. Tagtäglich wurde mit Mord und Tod gedroht. Linke werden gehasst.
Ich musste raus aus dieser Abteilung, denn ich hielt es einfach nicht mehr aus.
Ich tat mich mit einem Gefangenen zusammen, dem ständig mit Prügel gedroht wurde und er schrieb unzählige Anträge bis es klappte, dass wir in eine Zwei-Mann-Zelle verlegt wurden auf einer geschlossenen und überwachten Station. Wir sind 23 Stunden und 40 Minuten am Tag eingesperrt und sitzen den ganzen Tag nur in der Zelle. Dank Unterstützung meiner lieben Frau, die die Hälfte ihres Hartz-4 Geldes monatlich schickt, kann ich mir Essen und Wasser kaufen.
Denn Trinken gibt es von der Anstalt nicht und das Einzige was es gibt, sind ein Plastikteller und ein Becher. Das Plastikbesteck und auch Toilettenpapier muss man selber kaufen. Da ich niemanden habe, wie die meisten anderen, wo Angehörige regelmäßig Essen und Kleidung bringen bzw. zum Waschen mitnehmen, bin ich ziemlich auf mich alleine gestellt.
Man kann sich Lebensmittel kaufen, braucht aber dazu den Campingkocher und die 190 Grad Gas sowie billige Töpfe und Pfanne. Dank ABC konnte ich mir endlich einen Teil an Kochsachen kaufen.
Auf der vorherigen Zelle war ja alles drin, aber durch die Verlegung in diese Zelle musste man sich alles neu kaufen. Hat man nicht mal das nötige Geld, ist man auf das wenige schlechte Essen der Anstalt angewiesen und Trinken aus der Wasserleitung. Jeder Gefangene versucht zu vermeiden, von der Anstalt Essen anzunehmen.
Alle Sachen, Kleidung und Geschirr wäscht man im Bad, wo man vorher seinen Arsch gewaschen hat. Der einzige Vorteil ist, dass heißes Wasser auf der Station bzw. der Zelle existiert. Es gibt von der Anstalt auch keine Putzmittel für die Zelle, auch die muss man selber kaufen.
Vor einigen Wochen war an einem Abend eine Grossfilzung und normalerweise werden Gefangene einzeln und getrennt von den anderen durchsucht. Hier nicht. Jeder musste vor den anderen seinen Intimbereich entblößen, damit Beamte dann mit einem Metalldetektor den Intimbereich abfahren, aber nichts finden. Das heißt jeder sieht beim anderen mit zu.

Ich habe so was noch nicht erlebt!

Nach sechs Monaten durfte ich endlich meine liebe Frau sehen und das Dank Unterstützung von ABC, denn finanziell würden wir es niemals schaffen! Sechs Monate ohne Besuch und Ehefrau ist ein Alptraum und ich bin den Menschen sehr dankbar, die uns finanziell unterstützen, damit u.a. meine Frau zu mir kommen konnte. Danke auch an gemeinsame Freunde in Neapel, die meine Frau aufgenommen haben und sie ab und an mit dem Auto von A nach B brachten.
Danke auch an die Menschen, die die Verletzungen meiner Frau nach einem doch krassen Unfall behandelten.
Leider wurde meine Frau jedes Mal am Einlass der Anstalt, wie Dreck behandelt. Sie durfte noch nicht einmal gewisse Sachen für mich abgeben, wie Bettwäsche usw. Man schmiss ihr Sachen vor die Füße, hielt ihr zum Nachteil, weil sie kein Italienisch sprechen kann und ließ sie stundenlang warten oder meinte, dass sie keinen Besuch mehr zur Verfügung hätte. Sie wurde regelrecht schikaniert!
Sieben Stunden hatten wir insgesamt Besuch, verteilt auf fünf Besuche. Aber es war eine Wohltat für die Seele, dass wir uns einige Male sehen durften! Allerdings ist nochmals zu erwähnen, ohne die finanzielle Unterstützung hätte das niemals funktioniert! Danke an alle Beteiligten!
Mir geht es von der Psyche wie auch körperlich irre beschissen und ich will und kann kaum noch!
Die Medikamente, die ich bekomme, taugen nichts und regelmäßig scheide ich Blut aus. So oft sagte ich das schon und man tat dies damit ab, dass es Nierensteine sicher wären. Ich habe nach wie vor (auch in Magdeburg) Wasser in den Beinen und seit neuestem Bewegungseinschränkungen in den Händen. Auch meine rechte Gesichtshälfte und die Seite am Kopf tut so weh. Alles, jede Kleinigkeit teilte ich mit, aber man tat es salopp ab. Morgens, wenn ich in die Ambulance gehe, um meine Medizin zu holen, läuft der Fernseher und es wird genüsslich geraucht. Die Tropfen alleine nehme ich schon nicht mehr, weil sie mich so müde machen und ich Angst habe, dass diese auf die Nieren gehen. Also nehme ich nur meine Tablette und abends eine 200 Schmerztablette. Was ich nicht verstehe, dass ich bis vor kurzem 3000 mg abends bekam und plötzlich nur eine 200er. Also jeder gibt irgendwie anders. Für das Problem mit meinem Kopf und der Gesichtshälfte bekam ich Kortison. Für mich nicht nachvollziehbar.
Nun bekam ich vor ca. einer Woche ein Schreiben, dass bei mir 41bis (drakonisches Isolationsprogramm, Red.) angewendet wird, weil ich in Deutschland einer linksradikalen Szene angehöre. Was das letztendlich für Konsequenzen hat, mag ich mir gar nicht ausmalen.
Es gibt hier einige Beamte, die mich schikanieren. Da man genau darauf achtet von außerhalb, dass ich nicht geschlagen werde, besorgt man es mir anders. Indem man meine Frau aufs Übelste behandelte und ich der einzige bin, der solche Sachen wie Bettwäsche und Decke von draußen, durch den Besuch nicht bekommt. Auch das Wörterbuch, was meine Frau mir besorgte Deutsch/Italienisch, wurde ihr am letzten Tag des Besuches einfach vor die Füße geworfen. Auch stellte ich fest, dass gewisse Sachen vom Einkauf nicht geliefert wurden und ich um das Geld betrogen werde. Auch das ist nicht das erste Mal.
Sagt man was, dann heißt es nur warten und ich bin dafür nicht zuständig.
Ich weiß ganz sicher, dass es einige Beamte gibt (nicht alle), die mich nicht misshandeln können, aber es auf eine andere Art spüren lassen. Post darf ich zukleben und nur die, die reinkommt, wird vor meinen Augen geöffnet, ob etwas verbotenes beigelegt ist, was schon einige Male passierte, von Menschen die ich nicht kenne, und mir einen Heidenärger einbrachte! Womit man mir Gutes tun kann, wäre ein farblicher Schreibblock, damit ich etwas Basteln kann, wie schöne farbliche Umschläge für die Leute, denen ich schreibe. Leider darf man nur beschränkt Briefmarken kaufen und die Post nach Deutschland zu versenden ist richtig teuer. Daher kann ich nicht jedem schreiben, weil ich die Frankierungsmöglichkeiten einfach nicht habe.
Es ist nicht meine Art, aber ich stecke in einer so hilflosen Situation, dass ich es trotzdem schreibe. Und zwar würde ich mich sehr freuen, wenn man meine Partnerin unterstützt, damit sie mich bald wieder besuchen kann, das wäre für mich mein größter Wunsch! Denn finanziell ist es sonst unmöglich, dass sie nach Neapel kommt/fliegt. Zudem benötigt sie etwas für den Lebensunterhalt. Also wer helfen kann und möchte, es ist jeder Cent willkommen und wir sind sehr dankbar!
Zum Gerichtsverfahren kann man noch nicht viel sagen, außer dass ich bei der letzten Verhandlung, als die Beamten mich abführten, ein Enzo Oltavio auf Deutsch ganz laut sagte, dass er hoffe ich verrecke dort, wo ich gerade bin.
Die Zeugenvernehmung von ca. 20 Carabinieri war eine Katastrophe und jeder erzählte etwas Anderes oder konnte sich nicht mehr erinnern. Es wurde auch von der Polizei so schlampig alles aufgenommen, dass selbst meine Dolmetscherin den Kopf schüttelte und meinte, dass dies ein unmöglicher Zustand wäre!
Wie es weitergeht kann ich noch nicht sagen. Ich weiß nur, dass meine Frau als Zuschauerin eine Etage höher saß und Angehörige auf sie losgehen wollten. Daher sollte meine Frau nicht mehr alleine dort hin kommen. Aber ich denke, bis sie wieder das nötige Geld zur Verfügung hat für eine Reise nach Neapel, dürfte das erste Verfahren gelaufen sein. Obwohl es schlimm ist für mich, alleine ohne Angehörige und Freunde zu sein.
Anfangs reisten zwei Freunde mit an, die mich bzw. einer davon, nicht besuchen durfte, weil er in Deutschland, laut italienischer Justiz, ebenfalls zur linksradikalen Szene gehört.
Nun das in einer Kurzform zu meiner Situation. Wie gesagt, von der Psyche bin ich ganz unten und körperlich ist es nicht anders. Doch das, was mir am meisten gerade zusetzt, ist die Abreise meiner Frau und jetzt nicht zu wissen, ob es ein weiteres halbes Jahr dauert bis sie wieder zu mir kommen kann. Daher benötigen wir jede erdenkliche Hilfe, die wir nur bekommen können und vielleicht gibt es den ein oder anderen, worüber wir sehr dankbar wären.
Ich vegetiere nun weiter Tag für Tag vor mich hin und weiß nicht weiter.
Ich hoffe nur, dass es keine Übergriffe gibt. Ich sage jetzt schon Danke für die Menschen, die sich die Zeit genommen haben meine Zeilen zu lesen und auch vielleicht helfen können!

Herzliche grüße an alle!

Andreas

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