Konferenz: 25 Jahre PKK-Verbot

25 Jahre Repression und Demokratieabbau im Dienste der deutschen Außenpolitik

Azadi e.V.

Im November dieses Jahres jährt sich zum 25. Mal das vom damaligen Bundesinnenminister Dr. Manfred Kanther 1993 ausgesprochene Betätigungsverbot gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Seit dem gehen die Strafverfahren gegen kurdische Aktivist*innen und auch solidarische deutsche Linke wegen des öffentlichen Zeigens angeblich verbotener Symbole der PKK und ihr zugeordneten Organisationen in die Tausende. Aufgrund der sogenannten Vereinigungsdelikte nach den Strafrechtsparagraphen 129, 129 a und 129b (Mitgliedschaft in einer kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung) kam es zu Hunderten von Anklagen, Verhaftungen und Verurteilungen von Personen, denen in den meisten Fällen nicht mehr vorzuwerfen war als ihr politisches Engagement für die kurdische Befreiungsbewegung.
Beachtlich ist die Kontinuität der Repression über 25 Jahre ungeachtet der jeweiligen bundesdeutschen Regierungskoalition, den politischen Entwicklungen in der Türkei und Kurdistan sowie auch der kurdischen Befreiungsbewegung selbst in diesem Zeitraum. Aufgrund der wirtschafts- und außenpolitischen Bedeutung der deutsch-türkischen Beziehungen ist das repressive Vorgehen gegen die kurdische Opposition und Teile der türkischen und deutschen Linken in Deutschland der politischen Willensbildung im weiteren Sinne entzogen. Federführend sind das Bundeskriminalamt, die Bundesanwaltschaft, die Geheimdienste und engere Kreise in den Innenministerien von Bund und Ländern sowie des Außenministeriums. Entsprechend lassen die Antworten der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen erkennen, dass in den oben genannten Institutionen das Feindbild PKK unverrückbar festgeschrieben ist, auch wenn die vertretenen Ansichten und Beurteilungen mit der Realität sowohl im Mittleren Osten als auch in der BRD im Jahre 2018 wenig zu tun haben.
Als Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. unterstützen wir seit 1996 Menschen in Deutschland, die wegen dieses Verbotes und anderer strafrechtlicher Bestimmungen aufgrund ihrer politischen Aktivitäten kriminalisiert werden. 25 Jahre Verbot sind für uns und MAF-DAD (Verein für internationales Recht und Demokratie) Grund genug, auf der angekündigten Konferenz in Berlin einen bewertenden Rückblick auf diesen Zeitraum zu halten, um vor allem auch jüngeren Teilnehmer*innen die Kontinuität in den deutsch-türkischen Beziehungen zu vermitteln, in denen der Umgang mit der kurdischen Befreiungsbewegung immer den schmutzigen Schmierstoff für die Überbrückung sporadisch auftretender Gegensätze geliefert hat und nach wie vor liefert.
Im Vordergrund sollen aber die aktuelle Situation und Entwicklung stehen. Nach der Vorgabe des Bundesgerichtshofes von 2010, politisch aktive Kurd*innen auch nach § 129b StGB als Mitglieder in einer ausländischen terroristischen Organisation zu verfolgen, betreuen wir als AZADÎ e.V. so viele kurdische politische Gefangene wie noch nie seit dem Verbot von 1993. Diese Praxis wird auch auf andere revolutionäre Organisationen aus der Türkei ausgeweitet, wie der aktuelle Münchener Prozess gegen angebliche Mitglieder der TKP/ML zeigt. Die sich in Richtung Faschismus entwickelnde Türkei hat den Krieg gegen die kurdische Bewegung über die Landesgrenzen hinausgetragen und interveniert militärisch in den Nachbarländern Syrien und Irak. Diese völkerrechtswidrigen Interventionen bleiben seitens der Bundesregierung nicht nur unwidersprochen und ohne Konsequenzen. Mit dem Verbot der Symbole der syrisch-kurdischen Organisationen YPG, YPJ und PYD durch das Bundesinnenministerium vom 2. März 2017 stellt sich Deutschland direkt an die Seite der Türkei. Seit Beginn dieses Jahres sind aufgrund dieser Verordnung Razzien bei kurdischen und deutschen linken Einrichtungen beinahe wöchentlich auf der Tagesordnung.
Auch die europäische Dimension soll auf der Konferenz Berücksichtigung finden. Im Jahr 2017 erfolgte in Belgien ein Urteil, das die PKK nicht als terroristische Vereinigung darstellt, sondern sie als eine bewaffnete Konfliktpartei gemäß dem internationalen Völkerrecht einstuft. Vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ist ein Verfahren anhängig gegen die politische Stigmatisierung der PKK im Rahmen der EU-Terrorliste. Dieses Verfahren wird seit Mai 2014 von Menschenrechtsanwält*innen aus Amsterdam geführt.
Genug Gelegenheiten also für spannende Analysen und Diskussionen, vor allem aber auch, um Perspektiven zu entwickeln, dem Anachronismus des PKK-Verbots in Deutschland endlich ein Ende zu setzen.

Wir freuen uns auf Ihre/Eure Teilnahme am 20. Oktober in Berlin!

Am 20. Oktober 2018 im Karl-Liebknecht-Haus, Rosa-Luxemburg-Saal von 10.00 Uhr bis 19.00 Uhr

Einführungsreferat: 25 Jahre PKK-Verbot – Historie des Betätigungsverbots, politische und praktische Folgen:
– Edith Lunnebach, Rechtsanwältin (sie war seinerzeit involviert in den großen “Düsseldorfer Prozess” von Ende der 1980er Jahre)
– Mehmet Demir, kurdischer Politiker
– Monika Morres, Mitarbeiterin von AzadÎ

Die europäische Dimension der PKK-Verfolgung
Berufungsgericht in Brüssel: PKK keine terroristische Organisation, sondern Konfliktpartei im Sinne des Völkerrechts
– Jan Fermon, Rechtsanwalt aus Brüssel/Belgien

Aktuelles Verfahren zur Streichung der PKK von der EU-Terrorliste vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg
– Tamara Buruma, Rechtsanwältin aus Amsterdam/Niederlande

Repression gegen die kurdische Bewegung in Deutschland / Aktuelle Situation und Hintergründe zu den §§129a/b-Strafverfahren:
– Lukas Theune, Rechtsanwalt

Ausweitung der Strafverfolgung auf syrisch-kurdische Organisationen (Symbolverbote):
– Dr. Peer Stolle, Rechtsanwalt, Vorstandsvorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins e.V, RAV

Deutsche und türkische Geheimdienste – in Vergangenheit und Gegenwart
– Jürgen Hoppe, ehemaliger Redakteur des Westdeutschen Rundfunks (WDR)

Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes MIT in Deutschland
– Cansu Özdemir, Abgeordnete der Linkspartei in der Bürgerschaft Hamburg

Abbau der demokratischen Grundrechte in der BRD – Umbau der Sicherheitsarchitektur hin zur präventiven Strafverfolgung
– Heiner Busch, Vorstandsmitglied beim Komitee für Demokratie und Grundrechte e.V.