20 Jahre DHKP-C-Verbot

Mikhail Muzakmen

Wie aus heiterem Himmel wurde ich die Tage von der GI-Redaktion angefragt, ob ich einen Artikel zum Verbot der DHKP/C vor jetzt 20 Jahren schreiben könnte. Hintergrund ist der, dass ich damals in internationalistischen Zusammenhängen tätig war und das Verbot dadurch ziemlich hautnah miterleben musste.
Mein erster Gedanke war: Huch, das ist jetzt auch schon 20 Jahre her. So alt bin ich schon bzw. schon so lange dabei. Und dann fing das grübeln an… – Wie war das damals?
Ich erinnere mich wirklich nicht mehr an alles. 1993 hatte ich schon das PKK-Verbot und dessen Umsetzung mitbekommen. Die kurdischen Genoss*innen an der Basis reagierten geschockt und wie vor den Kopf geschlagen und es war an uns deutschen Antiimperialist*innen, sie über den Charakter dieses Staates aufzuklären, was (so war es zumindest die Erfahrungen von uns Genoss*innen aus der deutschen Provinz) nicht unbedingt immer leicht fiel. Auch und gerade in den Jahren danach wurde dies umso schwieriger, da die PKK über die EU-Ebene probierte eine Verhandlungslösung mit dem türkischen Staat zu initiieren, was einige von uns, trotz oder gerade wegen unserer kritisch solidarischen Haltung stark irritierte. Über unsere Auseinandersetzung mit dem Folterregime und der Kriegspolitik des NATO-Partners Türkei und einen kompromisslos und erfolgreich geführten und weitestgehend von DHKP/C-Gefangenen getragenen Hungerstreik/Todesfasten 1996 gegen die Einführung der F-Typ Gefängnisse, einen Gefängnistypus, dessen Grundlage die Erfahrung des deutschen Staates mit der gegen hiesige Militante angewandten Isolationshaft war, wurden wir auf diese klassenkämpferisch und antiimperialistisch ausgerichtete Organisation aufmerksam.
In verschiedenen Städten entwickelten sich kleine Solikomitees und auch eine direkte Verbindung zu in Deutschland aktiven türkischen und kurdischen Linken, die versuchten eine breitere Aufmerksamkeit unter deutschen Internationalist*innen für diese Gefangenenkämpfe zu organisieren. Federführend war damals das Informationsbüro für freie Völker in Köln. Wir führten spannende solidarisch geführte Diskussionen über die Situation in der Türkei und auch hier. Es wurden Delegationsreisen organisiert, die es uns ermöglichten mit Menschen in den Istanbuler Gecekondus (Armenvierteln), mit Anwälten, Redakteur*innen linker Zeitungsprojekte, Musiker*innen von Grup Yorum etc. über ihre Situation in der Türkei und die Vielfältigkeit ihres Widerstands unter widrigsten Bedingungen zu sprechen.
Das bessere Verstehen und die mitunter schwierigen Bemühungen diese internationalistischen Erfahrungen in die radikale Linke der BRD zu vermitteln führten zu kleineren Erfolgen. Es gab aber auch einige Widerstände, deren Grundlage oft im Konkurrenzverhältnis zwischen türkisch-kurdischen Organisationen und auch im Verhältnis zur PKK zu suchen waren, was sich auch auf die deutsche internationalistische Linke auswirkte, die diesen Konkurrenzkampf oft genug spiegelte.
Erste wirklich erfolgreiche Schritte ergaben sich durch weitere Widerstandsaktionen der politischen Gefangenen in der Türkei gegen die Einführung der F-Typ Gefängnisse 1998, dessen Repressionsapparat jetzt im zweiten Anlauf bei deren Durchsetzung regelrechte Massaker an den Gefangenen verübte. Zum ersten Mal stellte sich das Gefühl ein, dass es auch in Deutschland möglich war eine sichtbare und aktionfähige Gegenöffentlichkeit zu schaffen.
Und dann kam das Verbot durch den damaligen Innenminister Kanther. Es kam zu einigen Festnahmen. Das Informationsbüro für freie Völker wurde überfallen und geschlossen. Einige Kontakte konnten wir halten, andere leider nicht. Die Repressionswelle, die damals angelaufen ist, kommt seitdem nicht mehr zum Stillstand. Gegen unsere türkischen und kurdischen Genoss*innen werden die gleichen Mittel angewandt wie zur Hochzeit der Verfolgung der RAF-Militanten und sog. Sympatisant*innen. Staatsschutzgerichte urteilen ab und die, des „Terrorismus“ oder dessen Unterstützung „Überführten“ landen für viele Jahre in deutscher Isolationshaft.
Was aus dieser Zeit bleibt, ist zumindest eine gesteigerte Wahrnehmung des Kampfes der türkischen Linken um Befreiung. Leider geht es viel zu oft, aber notwendigerweise um den Kampf der Gefangenen.
Bei mir hat gerade diese Zeit, gerade vor dem Verbot der DHKP/C tiefsitzende Eindrücke hinterlassen. Es gibt kaum wichtigeres als das Kennenlernen, den Austausch und die Diskussion mit internationalistischen Genoss*innen, nicht nur aus der Türkei/Kurdistan, um eine andere Sichtweise auf die Kämpfe kennenzulernen, die wir hier führen und um eine gemeinsame Perspektive im Kampf um Befreiung zu schaffen.