Moderne Sklaverei in der JVA Willich und im allgemeinen in deutschen Knästen

Lisa, August 2018, JVA Willich II

Was unterscheidet ein Arbeitszwangslager des letzten Jahrhunderts von einer gewöhnlichen Justizvollzugsanstalt in Deutschland heute?
Ehrlich gesagt sehr wenig. Vielleicht wird heutzutage weniger physisch geschlagen und gefoltert als damals, aber die Logik und das System der Bestrafung, Ausbeutung und Unterdrückung sind heutzutage ganz genau die gleichen wie immer schon. Warum ist die Politik der Justiz wieder um einiges härter geworden, warum landen viele Menschen für kleiner Kriminalität, Geldstrafen etc. schon im Knast oder werden viel härter für Delikte verurteilt, wofür sie noch vor 5 oder 10 Jahren viel weniger bekommen hätten oder auf Bewährung freigelassen wären? Warum wird wieder viel mehr von knallharter Bestrafung und dem Wegsperren gesprochen und weniger „Lockerungen“ und Reststrafenbewährungen zugestanden? Was bringt der/die Gefangene dem Staat im Knast für einen Nutzen?
Ganz einfach: super billige und ausbeutbare Arbeitskraft, ein astreiner Supergewinn für jeden Konzern, der unsere Abhängigkeit und Unterdrückung knallhart wie eine Zitrone auspressen kann. Wir als Gefangene arbeiten in deutschen Knästen sozusagen konkurrenzlos, für einen Hungerlohn, gezwungen zum malochen um überhaupt mal aus der Zelle raus zukommen und in Gemeinschaft sein zu dürfen… und natürlich um ein wenig Geld zum Überleben im Knast zu haben.
In Strafhaft herrscht Zwangsarbeit, wer nicht arbeitet, dem werden (zumindest in Willich) die Haftunterbringungskosten vom Knastkonto abgezogen, das heißt dass man kein Geld zum telefonieren, Wäsche waschen, Miet-TV, Radio, CD, DVD – Player (Eigengeräte werden hier nicht zugelassen) etc. oder zum Einkaufen hat? Zwar bekommt man das Knastessen „kostenlos“, aber alles weitere wie Tabak, Kaffee, Wasser, Süßigkeiten, Hygieneartikel oder auch halbwegs gesunden Essen, wie Obst oder Gemüse, kann man sich nur zu außerdem total überteuerten Preisen kaufen. Wer nicht arbeitet , kann gar nichts davon kriegen, denn in Deutschland ist es in Strafhaft nicht möglich Geld von draußen zu beziehen.
Zudem arbeiten wir in Haft weiter unter dem Mindestlohn, ohne Verträge, ohne Kündigungsfristen, ohne Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, ohne Renteneinbezahlung, da die Arbeit hier nicht als Arbeit sondern als „Maßnahme“ angesehen wird. Wer nach Jahren Knastarbeit entlassen wird, steht ohne nichts da – vom Knast in die Armut ausgespuckt, sich selbst überlassen und in Hoffnung sich nach eigenen Mitteln und Fähigkeiten zu arrangieren. Resozialisierung heißt nichts anderes als zunächst innerhalb und dann auch außerhalb der Knastmauern sich als unterwürfiges Arbeitstier in die kapitalistische und miserable Welt einfügen zu sollen.
So ist es auch in Willich. Teil der Knastarbeit ist zur Aufrechterhaltung des eigenen Knastes gedacht (Putzkräfte, Küche, Garten Hausarbeiter*innen, Bekleidung, Kammer, etc.), außerdem gibt es externe Firmen wie z.B., Wenko, Suthor, u.v.a., die uns als fast kostenlose Arbeitskräfte bekommen. Meistens geht es um absolut stupide Fabrikarbeit, wie zusammenstecken, kleben, etikettieren, aufbauen, etc. … für Arbeiten, die draußen niemand für diesen Preis machen würde, für die sonst Menschen (oder Kinder) in Afrika oder Asien ausgebeutet werden würden. Das perverse ist bloß, dass das Thema Zwangsarbeit in deutschen Knästen in der Gesellschaft niemand interessiert, viele davon wohl auch gar nichts wissen oder wissen wollen … oder es sogar gut heißen, das „Verbrecher*innen“ auch noch von Firmen und dem Staat bis ins letzte ausgequetscht und sich an uns bereichert wird, sozusagen als zusätzlich Entwürdigung und Bestrafung. Oder als Abschreckung, damit wir uns demnächst bloß an die vorgesetzten Regeln der Herrschaft und der Macht halten sollen. An uns werden Gesetzte statuiert, das ganze Bestrafungssystem gerechtfertigt, eine lächerliche Pseudo – „Resozialisierung“ vorgehalten, nur um uns in den übelsten Bedingungen halten zu können, und um letztendlich das Einzige von uns Gefangenen herauszupressen, wofür wir für die Gesellschaft noch wert sind: eben unsere produktive Arbeitskraft.
Es ist schon verdammt traurig, wie wenig wir als Gefangene dagegen ausrichten, wie schwer es ist alleine gegen diese Zustände anzukämpfen, wenn der Großteil der Gefangenen diese Realität schon längst geschluckt hat oder sich auch kollektiv nicht wehren will um mögliche Lockerungen oder „Privilegien“ nicht aufs Spiel zu setzen. Dabei geht es es letztendlich um unsere Existenz, unsere Gesundheit, unsere Bedingungen und unser (Über)-Leben. Aber sicherlich ist der Kampf gegen die Zwangsarbeit im Knast auch nicht ohne eine größere Unterstützung von draußen möglich, doch auch dafür bedarf es zunächst einer größeren Organisierung und Perspektiven von uns als Hauptbetroffene. Auch wenn es nur einzelne Gesten, kleine Risse, Sabotage oder Verweigerungen von Einzelnen in diesen miserablen Zuständen sind, zeigen sie doch dass Widerstand möglich ist und dieser Windstoß so einiges beflügeln kann.

GEGEN DAS KNASTSYSTEM, DIE ZWANGSARBEIT UND JEGLICHE FORM VON AUSBEUTUNG, HERRSCHAFT UND UNTERDRÜCKUNG!

FREIHEIT FÜR ALLE! (A)