Zwei Briefe des anarchistischen Gefährten Salvatore Vespertino […]

„Ich habe immer damit gerechnet eingeknastet zu werden“

Zwei Briefe des anarchistischen Gefährten Salvatore Vespertino, Ghespe, wurde im August 2017 in Florenz im Rahmen von Polizeioperationen verhaftet.

Salvatore Vespertino

Italien. Brief des anarchistischen Gefährten Salvatore Vespertino aus dem Knast: „ Ich habe immer damit gerechnet eingeknastet zu werden“.

Ich wurde mit sieben weiteren Personen von den DIGOS und der ROS verhaftet. Die Fantasie lässt diesen Abschaum nie im Stich (hoffentlich lässt sie auch die Gesundheit im Stich) und jeder, der einen Blick auf die Zeitungen geworfen hat, weiß genau wie sie dieses mal wieder ausgeflippt sind. Es muss gesagt werden, auch wenn Zeitungen wie ein Rätselroman gelesen werden, erwähnen sie drei Ereignisse, die wenig mit Fantasie zu tun haben: der Molli, der die Wache der Carabinieri in Rovezzano im April traf, die „Ladung“, die in der Buchhandlung von Casapound „Il Bargello“ explodierte, wo ein spezialisierter Experte der Polizei für die Entschärfung von Bomben ein Auge und eine Hand verlor und die Tatsache, dass alle Verhafteten Anarchist*innen sind. Bis jetzt sind Paska und ich die letzten Eingeknasteten.
Eine der Sachen, die mich aus den Zeitungen wunderten, mich aber nicht überraschten, kann zwischen den Zeilen im Haftbefehl gelesen werden: das Verhalten der unter Ermittlung stehenden Person im allgemeinen und die Tatsache, dass sie sich weiterhin in anarchistische Medien mischt. Persönlich, im Laufe der Weise, wie ich meine anarchistische Spannung auslebe, habe ich immer damit gerechnet, eingeknastet zu werden. Und jetzt, ohne mich zum Opfer zu machen, hier bin ich! Was soll ich noch sagen, der Kampf geht in jeder Art von Knast weiter. Für die Anarchie

Grüße, Ghespe

Unsere Leidenschaft für die Freiheit ist stärker als jeder Knast.


Salvatore Vespertino, 20. August 2017

Italien. Brief des anarchistischen Gefährten Salvatore Vespertino und seine Knastsituation

Hallo Freund*innen. Seit dem ersten Tag im Knast war ich im Trakt Nr. 5 und war nie bei der „Ankunft“. Ich fange an, mich an den Ort zu gewöhnen und andere Knackis kennenzulernen. Am Anfang war die Einheit sehr lebhaft, mit Remmidemmi jeden Tag, auch wenn hauptsächlich nur unter den Gefangenen (sic!). Das Essen ist drei von vier mal nicht essbar und sonntags gibt es kein Abendessen für die, die es sich nicht leisten können irgendetwas zu kaufen.
Ich bin mit einem Kurden in der Zelle (wir sind 55 Personen im Trakt) und verstehen uns ganz gut. Vor ungefähr zehn Tagen hatten wir eine Durchsuchung, die typische Durchsuchung, die dieses mal nichts typisches an sich hatte. Anstatt das dies auf der ganzen Einheit geschah (19 Zellen), fand dies von der Zelle 5 (unserer) bis zur Nummer 8 statt. Wir mussten in den Hof, wo wir auch eine halbe Stunde warteten. Als ich wieder in der Zelle war, war ich von ihrer Frechheit etwas überrascht, die anderen drei Zellen waren wie auf den Kopf gestellt und bei uns wurde nichts angefasst. Alles blieb, wie es war, sie nahmen Gewichte, die aus Flaschen gemacht wurden und den Müll mit (ich hatte es die Nacht davor entleert, durfte es aber nicht überprüfen). Die Anwesenheit eines Mitglieds der MOF, Schwadron von „arbeitenden“ Gefangenen, die für die Instandhaltung des Knastes unter Aufsicht von Schließern zuständig sind, war merkwürdig. Niemand in der Einheit hatte jemals ein Mitglied der MOF während der Durchsuchungen gesehen, und irgendwer hörte den Inspektor sagen: „Gehen sie direkt in die Zelle Nr 5“. Naja, die Zelle ist, was sie ist, eine gute Sache ist, dass sie eine Art kleinen Balkon hat (was vielen Gefangenen erlaubt hat, ihre Zellen anzuzünden und sich ein bisschen in Sicherheit zu begeben). Die Beziehung mit den Schließern ist von einer gegenseitigen Gleichgültigkeit, außer zu ¾ von ihnen, bei denen es „Liebe“ auf den ersten Blick war. Geschlossener Vollzug, das heißt, Ausgang nur um Übungen auf dem Hof zu machen, Zwei Stunden morgens und zwei Stunden für das Frühstück und um auf andere Zellen zu gehen, um zu sozialisieren.
Die Ermittlung spricht Bände, mit einer verbrauchten Methodologie, mit all ihren fantastischen und widersprüchlichen Tönen. Jetzt von der Haltung der Ablehnung von Kategorien wie unschuldig/schuldig ausgehend, von jenen die sich nur darum kümmern, dieses System zu erhalten, will ich die Geschehnisse mit „juristischen Begriffen“ analysieren, welche ich verachte. Auch wenn die typische „Manipulation der Sprache“ offensichtlich ist, würde ich sogar sagen, dass aus dem funktionellen Blickwinkel ich zugeben muss, dass die Sprachformeln, die schon fast „orwellistisch“ sind, nicht aufhören mich zu beeindrucken. Wie wenn von „gut organisierten Verbrechen mit der Absicht, die eigene Ideologie mittels Gewalt durchzusetzen“, mit Anführern und Anhängern die Rede ist. Und das von jenen ausgesprochen, die als Ziel und Prinzip weiterhin ihr soziales System auf alle Individuen mittels polizeilicher und militärischer Gewalt aufsetzen. Sowie alle Arten von Gerichten und Knästen, Infrastrukturen und Systeme der Kontrolle, die durch Individuen/Automaten verwaltet werden, die sich stark mit dem Krebs identifizieren, welches sie „Zivilgesellschaft“ nennen. Wo alles, was jenseits der Unwürdigkeit nicht als Würde erwägt werden kann, sondern als eine niederträchtige Geste, um bestraft zu werden. Die, die mich kennen wissen, das solcher Widerspruch mich zum lachen bringen würde und zusätzlich mich sauer macht, wenn es nicht gerade so wäre, dass Paska gerade aus dem Grund im Knast sitzt! Ich sende ihm eine herzliche, brüderliche Umarmung und dass mein Brief spät ankommt und er wieder auf freiem Fuß ist! Auch für dich Greg eine Umarmung!
Ein herzlichen Gruß an die vor kurzem Verhafteten Anarchist*innen in Turin und die Eingeknasteten nach „Scripta Manent“ und all jene Menschen, die ihr Leben aufs Spiel setzen, jeder einzelne mit ihren Praxen und Spannungen. Für die Anarchie!
Der Knast ist einer der Hauptausdrücke der Repression in der Knastgesellschaft. Aus diesem hinaus versuche ich es so gut wie möglich, zu verstehen und ich versuche und hoffe, an der Zerstörung dieser mich zu beteiligen.

Ghespe