Rainer Löhnert vom 30.01.2021

Aus einem Brief von Rainer Löhnert vom 30.01.2021

Lieber … ,
ich sitze hier mittags. Mir geht es nicht gut. Der Arsch fault mir weg (Anm. d. Red.: wegen eines Furunkels). Ich habe Risperdalspritze und zig Becher voll von verschiedenen Pillen zu trinken. Deshalb hab ich heute zwei mal Medikamente verweigert. Ich hab den Arzt angemeldet, aber er kam nicht. Was weiter geschieht weiß ich nicht. Ich werde hier seit 28 Jahren mit Neuroleptika behandelt. Wir Gefangenen hier sind jeder gegen jeden. Die meisten schnorren. Heute morgen hab ich in der Bruchstellen von ABC Wien ein Report über die Geiselnahme in der JVA Münster gelesen. Auch den Mord, den Entführer durch SEK erschießen zu lassen. Er hatte als Tatwaffe eine angespitzte Zahnbürste verwendet, der Nazi … ist hier. Es ist Samstag.

Andreas Krebs, mein Genosse, hat mir aus dem Knast in Napoli geschrieben. Deine Karten und Briefmarken helfen mir immer sehr. Von meiner Brieffreundin aus Würzburg bekam ich drei Briefmarken, eine Schokolade und Umschläge geschickt. Darum kann ich jetzt für das Info berichten. Derzeit bin ich pleite. Geld hat mir noch nie was bedeutet. Geld ist die Hure des Kapitals. Ich hoffe nicht in Isolation zu kommen. Mein Kumpel … wecke ich jeden Tag um 11 Uhr. Er isst gerne und sonst verpennt er das Mittagessen. … bekommt von mir jeden Dienstag den „Spiegel“. Ich habe den „Spiegel“ vom Freiabo Berlin. Ich kann jetzt nicht lange sitzen. Wie gesagt, mir fault der Arsch weg; da darf auf keinen Fall Wasser dran. Ich habe mir vorhin den ganzen Arsch mit Antifugolsalbe eingerieben. Das Rauchen habe ich stark reduziert. Wegen der Ebbe im Portemonnaie. Zum Glück nehme ich keine Drogen, sondern nur Nikotin.

Ich möchte noch mal an meinen großen Lehrer Marco Camenisch und an Gabriel Pombo Da Silva erinnern. Gabriel ist auch alt durch den Knast, aber relativ gesund, schrieb ABC Wien. Auch den Genossen aus Wien gilt mein Dank. Ich habe eine gute Olympia Schreibmaschine von einem Kumpel. Er ist Tierarzt geworden und schickt sie mir per Post.

Meine Zelle wird zwei mal am Tag kontrolliert. Ich habe keine Drogen oder angespitzte Löffel, Metallmesser etc., ich gehe Ärger aus dem Weg. … aus Kurdistan geht es gut. Er kennt Abdullah Öcalan persönlich. Sie kommen beide aus den Kandil Bergen, wo Gücele laut Rote Hilfe Zeitung ein Massaker der türkischen Armee war. Hier ist unser Coronawinter und ich bete, dass es bald wieder Frühling wird. Speziell war ich auch vom Magazinkammer. Zusammen mit meiner Sozialarbeiterin habe ich viel ans Rote Kreuz und Roter Halbmond gespendet.
Ich will dir jetzt schreiben, das ich Arznei verweigert habe. Es kann sein, dass ich deswegen in den Intensivtrakt komme.

Danke für deine große Solidarität und grüße Musa. Ich hab ihm geschrieben. Was Musa und mich eint ist, dass wir Che als den bedeutendsten Guerillero sehen.

Dein Freund und Genosse Rainer Löhnert
30.01.2021 Bedburg Hau