Ende einer Therapie

Anonyme Zuschrift

Der Todesfall Ahmet Agir – welcher den bisherigen Zenit der massiven Missstände innerhalb der forensischen Abteilung des Klinikum Bremen-Ost (KBO) darstellt – sei folgendes gesagt: Es ist traurig, so wie es auch bezeichnend ist, dass es erst einen Toten geben musste, um der Öffentlichkeit die hiesigen Missstände, und die, trotz der Gesetzesnovellierung weiter bestehenden, grundsätzlich lebenszerstörende Schwere einer Verurteilung und Unterbringung gemäß 63 StGB offenbar zu machen. Und es ist ebenso traurig und bezeichnend, dass selbst dieser Todesfall – der gerade einmal wenige Wochen zurückliegt – bereits in Vergessenheit zu geraten droht, obwohl die Umstände noch nicht einmal abschließend aufgeklärt worden sind.
Wir alle haben in den vergangenen Jahren, mehr oder weniger, die durch die Medien geisternden Missstände des forensischen Systems zur Kenntnis genommen. So schnell wie diese Meldungen aufkamen gingen sie leider auch wieder unter – es waren ja nur tragische Einzelfalle, oder ?! Für die beiden damaligen Protagonisten – Hrn. Mollath und Hrn. Kulac – nahm es ja auch, den Umständen entsprechend, ein gutes Ende; sie kamen frei. Wenn, in einem Fall eine zerstörte berufliche Existenz, und in dem anderen Fall mehr als 12 Jahre Haft, als „Happy End“ bezeichnet werden können, so ist dies nur im forensischen Kontexte möglich. Es würde an dieser Stelle zu weit führen sämtliche zurückliegende Meldungen über die vielfältigen Missstände des forensischen Systems und der Justiz sowie der bundesrepublikanischen Politik zu rekapitulieren; wenngleich wir dennoch herzlich Jeden zur persönlichen Recherche ermutigen möchten. Noch nie war es leichter wie heute – im digitalen Zeitalter – Wahrheiten zu entdecken.
Wie obig erwähnt, scheinen die genannten Fälle zu Randnotizen verkommen zu sein. Das Ergebnis dieser Ignoranz ist ein Todesfall.
Herr Agirs Tod wäre – in vielerlei Hinsicht – vermeidbar gewesen. Seit Jahren u. Jahrzehnten werden Beschwerden hinsichtlich der hiesigen Missstände vorgebracht, ohne dass diese jedoch wirklich gehört worden sind – das heißt eine grundlegende Abhilfe erfolgt wäre. Noch im Spätherbst 2016 wurde die bundesweit zuständige Anti-Folterkommission sachlich über die hiesigen Missstände in Kenntnis gesetzt. Das Ergebnis: eine freundliche Empfangsbestätigung und der Hinweis, dass die Kommission über keinerlei materielle Interventionsbefugnisse verfüge. Bis auf das einzelne Wort genau dieselbe Antwort wurde erteilt, als der Tod und die Umstände dieser Tragödie diesen Herrschaften bekannt gemacht wurde. Dem hiesigen Senat kann man in diesem Kontexte auch, im Wesentlichen, nichts anderes konstatieren. Obwohl dieser gesetzlich definierte Aufgaben innehat, begnügt man sich dort doch meist mit einer formellen Kenntnisnahme der Beschwerden und Hilferufe; und schließt sich ganz überwiegend den Stellungnahmen des KBO an. Die hohen Herrschaften des hiesigen Landgerichts und der Staatsanwaltschaft – die auch Seitens Hrn. Agir zu seinen Lebzeiten noch kontaktiert wurden – sparten sich sogar die Eingangsbestätigungen zu seinen schriftlichen Hilferufen. Man kann in diesem Kontexte ganz ruhigen Gewissens von einem kollektiven Behördenversagen sprechen. Damit tut man Niemanden dieser Herrschaften unrecht. Die in dieser, ach so „rechtsstaatlich orientierten“ Republik, und der EU grundrechtlich verbürgte Gewaltenteilung, ist durch diesen Fall einmal mehr als reine Farce enttarnt worden. Alle Kontrollmechanismen haben versagt.
Natürlich ist sich das KBO, und seine aktuelle Direktion Fr. Ute Franz und Hr. Volker Schröder – darüber im Klaren, dass de Facto keine Kontrollmechanismen existieren. Im Bewusstsein einer kollektiven Unantastbarkeit gegenüber allen Instanzen, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten der hiesige forensische Vollzug durch das hiesige Wärterpersonal und der Administration orientiert. „Rechtsfreier Raum“ ist dafür durchaus ein angemessener Terminus. So konnte es daher auch dazu kommen, dass sich am Morgen des 9.5.17 folgende Situation zutrug:
Hr. Agir wurde, auf der Station 15 D hiesiger Anstalt, durch die Mitarbeiterin Fr. Britta Vogelberg, im Rahmen der Verteilung des Frühstücks (sie verbat sich, dass er, ihrer Auffassung nach, zu nah am Essenswagen stand) grundlos provoziert (Fr. Vogelberg legt häufig derartiges Verhalten an den Tag) und im Laufe des daraus entstandenen Wortwechsels – Hr. Agir begab sich bereits eigen-initiativ vom Schauplatz weg, zum Raucherraum hin – wurde Seitens Fr. Vogelberg und Stationsleiter Andre Mahlstedt, unverhältnismäßiger, mithin rechtsmissbräuchlicher-weise, der Hausalarm (!) betätigt (was im Übrigen auch gemäß 145 StGB – Missbrauch eines Notrufes – unzulässig und strafbar war). Kurz darauf versuchte das durch den Notruf zwischenzeitlich herbeigerufene Personalaufgebot – anstatt zu deeskalieren, ohne akute Notwendigkeit, Hrn. Agir gewaltsam aus dem Raucherraum zu entfernen, dabei wurde dann auch, ebenfalls unverhältnismäßig, massiv Gewalt angewandt. Ahmet wand sich unter dem geballten Körpergewicht und der Gewalt mehrerer fettleibiger Wärter, die sich zu mehreren Personen auf ihn knieten und auf den Boden pressten, bereits in Todesqualen und rief verzweifelt um Luft – dafür gibt es ebenfalls Zeugen – dies wurde jedoch Seitens des Personales nur mit der Anlegung von zusätzlichen Fußfesseln beantwortet. Kurz danach trat dann bei ihm Herzstillstand ein. Die damals ebenfalls auf Station befindliche ausgebildete Ärztin, Fr. Julia Hoeffe (die erst vor wenigen Monaten unter ominösen Umständen, genauso wie Fr. Franz, aus einer Forensik im heimatlichen NRW ihren Weg in das KBO fand), unternahm nichts (lag dies an der Tatsache, dass Hr. Agir eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen sie eingereicht hatte?); unterließ die Heranziehung eines Defibrillators und anderer Rettungsinstrumente. Ein Notarzt erschien – obwohl das somatische Klinikum maximal 1 Minute Fußweg entfernt liegt – jedoch erst circa eine halbe Stunde später. Somit wurde auch im Hinblick auf Rettungsmaßnahmen, ersichtlich, völlig inkompetent verfahren. Ahmet Agir wurde 31 Jahre alt, seine Haftstrafe lag bei unter 3 Jahren.
Wäre er im Rahmen des der damaligen Verurteilung zugrundeliegenden Prozesses für voll- schuldfähig erachtet worden, so hätte er, bedingt durch die Zwei-Drittel Regelung, das Jahr 2017 als freier, lebendiger Mensch erleben, und sich seine Zukunft schaffen können. Es war auch die durch den §63 bedingte Perspektivlosigkeit und Frustration, die ihn auf die völlig unnötige Provokation der Fr. Vogelberg hat reagieren lassen.
Die bereits einleitend dargestellten Missstände und ihre hiesigen Verantwortlichen, und das diesen Missständen zugrundeliegende kollektive Behördenversagen, scheinen auch diese Tragödie ungetrübt überdauert zu haben. Der offizielle Bericht der KBO-Pressesprecherin wurde unhinterfragt seitens der Lokalpresse übernommen; die sich dadurch wiedereinmal den Vorwurf Lügenpresse zu sein, mehr als verdient hat. Der inhaltlich völlig haltlose und tendenziöse TV- Bericht lässt sich bereits materiell widerlegen. Die Anti-Folterkommission hat in Bezug auf die schriftliche Falldarstellung des Todes von Ahmet Agir, wie bereits obig geschildert: lediglich mit einer lapidaren Fräse „reagiert“, Seitens der ebenfalls kontaktierten Staatsanwaltschaft Bremen blieben Eingangsbestätigungen für die kurz nach dem Vorfall eingereichten Strafanzeigen aus – genauso wie etwaige Zeugenvernehmungen. Das KBO handhabt Krisensituationen wie gehabt, genauso wie sich auch das Personal seinen miesen Ton und die Provokationen und Schikanen nicht hat nehmen lassen. In diesem Kontexte ist daher nur folgerichtig, dass man auf eine Suspendierung oder zumindest Beurlaubung der Haupttäter verzichtete. Alle an dem Todesfall beteiligten Wärter verweigerten – absprachegemäß – die Aussage gegenüber der Kripo. In einem System wie der Forensik, in dem es bereits ausreicht, wenn ein „Therapeut“ o.a. eine Unterstellung äußert (Konsum, Fluchtplanung, interne Auseinandersetzung etc. etc.), um einen Insassen, teilweise für Monate, in schwerste Isolationshaft zu stecken und div. weitere Repression (Bettfesselungen etc.) zu „rechtfertigen“, und ein Gerichtswesen. in dem Indizienverfahren – und Verurteilungen, Standard sind, ist dieser Schritt doch sehr bezeichnend. Wären die Wärter Insassen oder Angeklagte, und man würde ihnen – aus irgendwelchen Gründen – etwas unterstellen, so würden sich diese Elemente bereits seit dem 9.5.17 in Isohaft innerhalb der Forensik bzw. in einem regulären Knast befinden. Das bestehen eines (mind.) Zwei-Klassen-Systems in Abrede zu stellen, erscheint in Anbetracht der Faktenlage entweder zynisch, oder System-sympathisierend. Aber so ist es eben (immer noch): Diejenigen die die Regeln geschaffen haben – bzw. deren Einhaltung überwachen und durchsetzen -, können sie auch nach belieben verändern.
Es verwundert daher nicht, dass bereits kurz nach dem Vorfall etwaige Zeugen unter den Gefangenen systematisch seitens des KBO eingeschüchtert wurden; nur Einzelne, Ungebrochene sind daher noch zu Aussagen bereit. Einschüchterungen von Zeugen, und ähnliche Beeinflussung von Ermittlungen, sind natürlich, in mehrerer Hinsicht, völlig illegal. Es sind diese Methoden, die bisher – in allen Anstalten – einen lauteren Aufschrei unterdrückt haben. Das, was Ihr in der Vergangenheit oder auch heute, direkt, gehört habt, ist daher nur die Spitze des Eisberges. Man kann daher ohne Übertreibung von einem „Klima der Angst“ sprechen. Ein System, wie es sich in der Geschichte der „Menschheit“ schon so oft bewährt hat. Daher ist es auch nur folgerichtig, dass einzelne Insassen Seitens der Anstalten als Spitzel eingesetzt werden; dadurch wird ein soziales, aufrichtiges Miteinander unter den Insassen von vornherein verhindert. Einer etwaige bewusste Solidarisierung und Emanzipierung wird damit natürlich erst recht das Wasser abgegraben. Es sind auch solche Elemente, die im aktuellen Fall eine Koordinierung der Zeugen sabotieren und zum Teil auch verhindern. Ein direktes Vorgehen gegen diese Zinker ist, aus den obig dargestellten Gründen, vielfach leider nicht möglich; da ein solches, im Gegensatz zu „draußen“ mit erheblicher Repression beantwortet wird. „Draußen“ wird man Aufgrund so etwas, wenn es denn raus käme, mit der, euphemistisch als „Sozialstunden“ bezeichneten, Zwangsarbeit, Geldstrafen (Vermögenseinzug, Enteignung), Bewährung, oder Haft belegt. In der Psychiatrie wird man dagegen – bereits durch das gewaltsame Vorgehen der Wärter – gefoltert. Und zwar mit Bettfesselungen und/oder Entzug der Privatkleidung (sexuelle Belästigung), (teilw. intramuskulär rein gerammte) Psycho-Drogen, Isohaft/sensorische Deprivation/Psycho-Folter (Rauchverbote; völlig rechtswidrig) etc. etc. Hier reicht es für solche Maßnahmen, wenn eine solche Ratte einfach behauptet bedroht oder angegriffen worden zu sein. Eine Märtyrer-Aktion, wie sie hier in großem Maße vor einigen Jahren schon geschah, könnte natürlich weder eine solche, noch andere Repression verhindern. Es scheint so, als ob das KBO auch dieses Mal davon kommt. Nun aber nicht mehr „nur“ mit forensischen „Kavaliersdelikten“ wie Beleidigungen, Nötigungen, Körperverletzungen und sonstigen Verstößen gegen Recht und Gesetz und die international verbrieften Menschenrechte – sondern mit der völlig unnötigen, rechtswidrigen Tötung eines noch jungen Menschen. Es ist ein Hohn, dass sich Ute Franz und Volker Schröder aktuell um die Aufnahme in die Deutsche-Gesellschaft-für-soziale-Psychiatrie bewerben.
Man kann über forensisch-Inhaftierte denken wie man will. Will man jedoch (wieder) in einem Rechtsstaat leben, so kommt man doch nicht umhin, zumindest auf die Einhaltung bestehender Gesetze und Vorgaben – auch für Menschen in Haft – zu pochen. Die forensisch-Untergebrachten sind bereits durch ihre unbefristete Internierung schon genug bestraft. Es kann letztlich auch aus der Resozialisierungs- und damit Kriminalitäts- präventiver Perspektive nicht förderlich sein, Menschen über Jahre und Jahrzehnte zu demütigen. Derartig verbogene Geister können keine produktiven Mitglieder einer Gesellschaft werden. Sie wären allenfalls für sogenannte Pflegeheime sozialisiert; als menschliche Legehennen der Psychiatrie und Pharmaindustrie.
Ahmet sollte in der forensischen Psychiatrie resozialisiert und gesichert werden; er fand den Tod.
Der staatliche Sicherungsauftrag wurde somit Seitens der sogenannten „Pfleger“ erfüllt. Ahmet hatte seine parallel erteilte Haftstrafe bereits abgesessen; auch das macht diesen Tod so sinnlos. Er wollte einfach nur sein Leben leben.

FREIHEIT UND MENSCHLICHKEIT STATT ZWANGSPSYCHIATRIE !