„Der §129b beansprucht die weltweite Vorherrschaft des eigenen Rechts“

Ein Redebeitrag, den der ehemalige 129b Gefangene Faruk Ereren auf der Internationalen Konferenz „Freiheit für Musa Aşoğlu“ gehalten hat.

Faruk Ereren

Repression und Einschüchterung sind die Mittel der herrschenden Klasse, die eingesetzt werden, wenn die Forderungen der Massen nicht mit friedlichen Mitteln und Überzeugungskraft umgesetzt werden können. Dies führt zur Repression, welche wiederum zu Widerständen führt. Und Widerstände bringen noch mehr Repression mit sich. Diese Eskalation kann bis zu einem gegenseitigen Gemetzel führen.

Der Verfall des Sozialismus nach 1990 hat ein Herrschaftsverständnis hervorgebracht, welches nicht auf dem Zugestehen von Rechten, sondern dem Rechtsraub besiert. Da die Herrschenden wissen, welche Reaktionen das verursacht, entwickeln sie entsprechende Vorkehrungen. Die Herrschenden stellten selbst fest, dass das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert der Aufstände sein würde. Diese Vorkehrungen und ihre Ausbeutungsabhängigkeit zeigen auf, dass sie diese Aufstände nicht durch Kompromisse, sondern durch Niederschlagung beenden wollen. Die Verschärfung des §129, die Ausweitung ihrer Anwendung und ihre internationale Ausdehnung durch den Zusatz §129b, ist dessen logische Folge. Wie wir wissen, hat die BRD beschlossen, ihre Armee sogar im Inneren einzusetzen.
Die ökonomischen Grundlagen hierfür bilden Multinationale Konzerne und das Wucherkapital, die sich zunehmend als Hauptprotagonisten zeigen. Die politischen Grundlagen sind zurückzuführen auf die Niederlage des Sozialismus und auf Wunschvorstellungen der Imperialisten, wieder die Weltherrschaft an sich zu reißen und Imperien aufzubauen. Die militärische Dimension zeigt, dass die BRD in etliche Länder ihr Militär entsendet, um sich an Kolonialkriegen zu beteiligen. Dabei nimmt sie in Kauf, ihre eigenen Gesetze zu ignorieren. Zudem stellt sie sich in weltweiten Klassenkämpfen auf die Seite von ausbeuterischen und faschistischen Strukturen. Auf ideologischer Ebene behaupten sie, sie würden Menschenrechte und Demokratie in die Welt hinaustragen. Allerdings schwindet diese Grundlage rapide. Das heißt, dass der Imperialismus seine Fähigkeit zur Überzeugung beinahe aufgebraucht hat. Was bleibt ihnen übrig? Repression und Barbarei sollen die Menschheit auf die Knie zwingen. Folglich ist aus dem die ISIS und die Freie Syrische Armee entstanden. Die US-Barbarei im Irak und in anderen Ländern ist ebenso darauf zurückzuführen.
Vor circa 170 Jahren entwickelte sich der Kommunismus zum Albtraum der europäischen Bourgeoisie. Deswegen begann das Kommunistische Manifest mit den Worten: „Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus.“
Seitdem lebt die europäische Bourgeoisie, allen voran Deutschland als ewige Festung der europäischen Reaktion, mit der Angst vor dem Gespenst des Kommunismus. Gegen dieses Gespenst wurden unzählige Vorkehrungen getroffen und gegen Kommunist*innen unzählige Repressalien verübt.
Sie begannen, jene Gesetze gegen die Arbeiter*innenklasse, die Bevölkerung und gegen ihre revolutionären Anführer*innen einzusetzen, welche die feudalen Herrscher*innen in der Vergangenheit gegen sie selbst angewandt hatten.
In der imperialistischen Epoche, welche eine Epoche der Monopole und der politischen Reaktion ist, wurden diese Repressalien zunehmend fortgesetzt. In einigen geschichtlichen Abschnitten (wie z.B. zu Zeiten des Nationalsozialismus) nahmen diese die Form von Massakern, Folter und Barbarei an.
Auch wenn das globale Gleichgewicht, das der Sozialismus hervorgebracht hatte, die Etablierung von teilweise demokratischen Verhältnissen zur Folge hatte, wandte sich der Imperialismus nach der Niederlage des Sozialismus von diesen ab. Nach 1990 haben Rechtsraub, politische Reaktion und Angriffe gegen revolutionäre Kräfte sowohl auf nationaler Ebene als auch global stark zugenommen.
So sehr der 11. September und die Zeit danach als Gründe hierfür genannt werden, so wissen wir doch, dass dies nur ein Vorwand ist. Der eigentliche Grund ist der Zerfall des Sozialismus und die damit verbundenen imperialistischen Absichten, sich dieses zunutze zu machen. Rechte, die zuvor anerkannt werden mussten, werden geraubt. Und Reaktionen auf diesen Raub werden mit Repression und Terror unterdrückt.
Ein anderer sehr wichtiger Aspekt ist das Anvisieren des imperialistischen Ziels, die Weltherrschaft an sich zu reißen. D.h., dass die Imperiums-Phase eingeläutet wurde.
Daraus resultierte, dass der §129b auf die Tagesordnung kam. Der deutsche Imperialismus, der zu jeder Zeit Anhänger der reaktionären Politik der USA gewesen ist, folgte auch hierbei den USA, die federführend diese Politik vorgaben.
Auf dieser Basis wurden Terror-Listen im weltweiten Kontext veröffentlicht. Im weltweiten Klassenkampf positionierten sie sich auf der Seite der Unterdrückung d.h. auf der Seite der Faschist*innen, der Imperialist*innen und der Feudalen.
So wie sie zur Durchsetzung dieser Maßnahmen ihre eigenen Gesetze missachteten, so missachteten sie ihre eigenen Gesetze und ihre Verfassungen, um ihr Militär in andere Länder zu entsenden.
Der §129b beansprucht die weltweite Vorherrschaft des eigenen Rechts. Denn sinngemäß erklärt der §129b: „Ich habe globale Gültigkeit.“ Natürlich setzt das eine Vorherrschaft und Sanktionskraft voraus. Denn wer die juristische Vorherrschaft möchte, wendet sich der militärischen und politischen Vorherrschaft zu. Dies führt dazu, dass Militärentsendungen, Besatzungen und Kriege unausweichlich werden.
Aus diesem Grund dauert die Kriminalisierung von Revolutionär*innen und ihrer Aktivitäten an, so dass alle möglichen legalen und demokratischen Aktivitäten ihrerseits in die Kategorie des „Terrorismus“ fallen und Vorwände für Verurteilungen und Bestrafungen darstellen. Und dieser Irrsinn ist imstande, Grup Yorum-Konzerte und das Singen von Liedern in diese Kategorie einzuordnen.
Menschen wurden dafür bestraft und jahrelang der Repression in Gefängnissen ausgesetzt, weil sie von ihren Rechten Gebrauch gemacht hatten. Sie wurden verschiedenen Maßnahmen und der Isolationshaft ausgesetzt.
Menschen, die ihre Haftstrafen hinter sich gebracht hatten, wurden nach ihrer Haftentlassung jahrelang in eingegrenzte Gebiete gesperrt. Ihr Aufenthalt wurde ihnen entzogen und ihnen wurde damit gedroht, außer Landes verwiesen zu werden. Die Anwerbung von Denunziant*innen, die Androhung von Entziehung des Aufenthalts und weitere Methoden der Repression dauern weiterhin an.
Der §129b enthält beispielsweise eine rassistische Maßnahme. Während deutsche Revolutionär*innen, die nach §129a angeklagt werden, innerhalb eines Jahres nach ihrer Verhaftung dem Gericht vorgeführt werden müssen, dauert die Untersuchungshaftdauer von §129b-Gefangenen 18 Monate. Während deutsche Revolutionär*innen eine gewisse Toleranz der Gerichte erfahren und mildere Strafen erhalten, sind §129b-Gefangene mit härteren Maßnahmen konfrontiert.
Was noch wichtiger ist: Rassist*innen, die jährlich 16.000 Straftaten begehen, sind nicht von diesen Gesetzen betroffen. Die Herrschenden, die gegenüber diesen 16.000 rassistischen Verbrechen schweigen, würden für großes Aufsehen sorgen, wenn diese Taten von Revolutionär*innen verübt werden würden.

Und natürlich ist kein Gesetz einfach nur ein Gesetz. Gesetze haben zur Folge, dass Institutionen entsprechend angepasst werden und Veränderungen in ihren Funktionen stattfinden. Sie wirken sich auf die Politik aus oder werden zu Instrumenten der Exekutive.
Das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz (VS) sind in diesem Sinne angepasst worden. Es hat sich zu einem der wichtigsten Aufgabenbereiche des VS entwickelt. Schließlich gehörte es zu ihren Haupttätigkeiten, Menschen im Rahmen des §129a zu bespitzeln und zu überwachen.
Die Quintessenz des §129b besteht darin, bei sich selbst das Recht zu sehen, Menschen des „Terrorismus“ zu bezichtigen und zu verurteilen, egal wo auf der Welt sie sich befinden. Welche Bedeutung hat das? Das ist die Frage, die sich uns in Betracht dieses Gesetzes stellen sollte.