Zwei Jahre nach dem gewaltsamen Tod Ahmet Agirs – geändert hat sich nichts; weiterhin massive Missstände im Klinikum Bremen-Ost

– Autonomes Autorenkollektiv 9. Mai –

„Fürsorgegrundsatz: Bei allen Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes ist auf die individuelle Situation der psychisch Kranken besondere Rücksicht zu nehmen. Ihr Wille und ihre Würde sind zu achten. Ihre Persönlichkeitsrechte sind zu wahren.“

§ 2 BremPsychKG

Am 9. Mai 2017 fiel der in der forensischen Abteilung des Klinikums Bremen-Ost (KBO) jahrelang aufgrund Bagatelldelikten zeitlich unbefristet internierte Ahmet Agir einem unverhältnismäßigen und letztlich völlig unnötigen Angriff des Wärterpersonals zum Opfer. Selbst als sich Ahmet bereits unter Todesqualen wand und um Luft rief, wurde seitens dieses Personals nicht von ihm abgelassen. Ahmet fiel an jenem Tag aufgrund besagten Angriffes in einen komatösen Zustand und verstarb einige Tage später an den Folgen der massiven Gewaltanwendung und der verspätet eingeleiteten „Rettungsmaßnahmen“ (ohne dass die Familie über diesen Vorfall informiert worden war. Sie konnten sich noch nicht einmal von ihm verabschieden). Die damalig zuständige und rechtsförmlich bestellte Anwältin wurde seitens des KBO ebenfalls nicht kontaktiert (dies übernahm ein engagierter Mithäftling), obwohl dies in derartigen Fällen gesetzlich vorgeschrieben ist. Dem Angriff vorangegangen war an jenem Tag ein völlig unnötiger Disput um die Vergabe des Frühstücks, welchen die übel beleumundete, schikanös-sadistische Pflegerin Britta Vogelberg zunächst selbst provoziert, und dann durch die unverhältnismäßige Auslösung des Hausalarmes (vorgesehen zur Alarmierung bei tätlichen Angriffen oder Flucht/Ausbruchsversuchen) zu ihren Gunsten, mithin völlig rechtsmissbräuchlich, zu entscheiden versucht hatte. Die Folge dieser Schikane war der gewaltsame Einsatz eines Wärterkommandos und in diesem Rahmen die letztlich tödliche Verletzung Ahmets, der sich bereits vor Auslösung des Hausalarmes durch Britta Vogelberg und Andre Mahlstedt eigeninitiativ aus der Situation herausbegeben hatte. Er wurde im Raucherraum unter anderem durch Andre Mahlstedt angegriffen und ins Koma befördert. Auch die an der verspäteten und inkompetent eingeleiteten „Rettungsmaßnahme“ beteiligte Ärztin, die ausgebildete Kinder- und Jugendtherapeutin Julia Hoeffe (wiederholt aus div. Kliniken in NRW aufgrund Inkompetenz rausgeworfen worden und schlussendlich durch Protektion der ebenfalls in NRW, zurecht, geschassten Ute Franz in Bremen gelandet) ist weiterhin als Leitende Oberärztin im KBO tätig.
Zuerst wurde der Todesfall Ahmet Agir durch das GI im Jahre 2017, seinem Todesjahr, thematisiert (GI #408, 21, GI #409, 20 f.). Auch danach wurde dieser Psychiatrieskandal dort, aber auch in anderen Medien (bspw. ZDF-Investigativmagazin „Frontal 21“; Sendebeitrag „Psychiatrie Bremen Ost – Schwere Vorwürfe gegen Klinik“ vom 9.10.2018 [auf www.zdf.de sowie www.youtube.de abrufbar], etc.) immer wieder aufgegriffen. Geändert hat sich an den Zuständen im KBO leider jedoch nichts, zumindest nicht in positiver Hinsicht. Die einzige substanzielle Änderung seit dem tragischen Vorfall von Mai 2017 liegt darin, dass seitens Klinikum Bremen-Ost in Krisenfällen vermehrt ergänzend auf Polizeigewalt gesetzt wird (die seitens der Stadt Bremen auch gerne gestellt wird. Vgl. zur Polizeigewalt in Bremen auch Weserkurier, Februar 2019).
Trotz wiederholter personeller Umbesetzungen auf Station 15 D, so blieben die für die brutale Bluttat des 9.5.2017 verantwortlichen Mitarbeiter besagter Station, Andre Mahlstedt und Britta Vogelberg, weiterhin dort beschäftigt. An ein vollständiges Ausscheiden aus dem KBO ist weder im Falle der vorgenannten Personen noch der anderen, direkt wie indirekt beteiligten Elemente erst recht nicht zu denken – für Mitgefangene, Freunde, Unterstützer und Familie ein Schlag ins Gesicht.
Wie verquer die Verantwortlichen des KBO agieren, wird besonders durch folgenden aktuellen Vorfall illustriert. Noch am 5.3.2019 fand ein Deeskalationstraining mit Britta Vogelberg – eine der provokativsten Wärterinnen des KBO – als Referentin statt. Wenn diese Referentenbesetzung seitens der Klinik kein Vorsatz war, so ist dies doch als eine der dümmsten Entscheidungen der Anstaltsleitung zu bezeichnen. In Bremen wird der Bock zum Gärtner gemacht.
Zu verdanken ist dies der sogenannten Ärztlichen Direktorin Ute Franz sowie dem für das Wärterpersonal und eine Vielzahl schikanöser Maßnahmen verantwortliche „Pflege“direktor Volker Schröder und dessen Stellvertreter Rolf Spiegel, welcher für die Anstaltsschule verantwortlich ist und in diesem Rahmen Menschen Beschulung und/oder Ausbildung verweigert. Dass auch die dortige Fachaufsicht, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz, Prof. Dr. Eva Quante-Brandt tätig ist, erscheint im Kontext der Tatsache, dass besagte Senatorin gleichsam auch Aufsichtsratsvorsitzende des Trägers (Gesundheit Nord – GeNo, Geschäftsführung: Jutta Demedde, Torsten Hintz, Dr. Robert Pfeiffer; Aufsichtsratsvorsitzende: Senatorin Prof. Dr. Eva Quante-Brandt) des KBO darstellt, leider nur logisch. Seitens dieser sogenannten Fachaufsicht wird dann und wann auch mal gegenüber hilfesuchenden Insassen behauptet (Jens Riesenberg), dass diese, angeblich, nicht für Beschwerden zuständig sei (bereits ein Blick ins BremPsychKG – § 37 S. 1 Hs. 3 – sagt natürlich etwas anderes). Bremen bleibt sich mithin wieder selbst treu.
Bremen, das wohl korrupteste „Bundesland“ der BRD. Für Fragen bezüglich der thematisierten Todesfälle, insbesondere dem Fall Ahmet Agir, sowie der generellen Missstände stehen die hierfür Verantwortlichen gerne unter den obig angegebenen Kontaktdaten Rede und Antwort.
Dies alles illustriert nur erneut die Tatsache, dass der Todesfall Ahmet Agir, genauso wie die div. anderen Todesfälle (bspw. Fall Melissa Beck; s. auch Bericht „SternTV“ 2017) im KBO sowie die div. alltäglichen Missstände (GI # 407, 18 f., taz 2017 „Das Wegschließ-Kartell“ etc. etc.), schlichtweg vertuscht werden sollen. Eine scheinbar unkorrigierbare, notorische Fehlhaltung der Verantwortlichen gegenüber den auch für den psychiatrischen Maßregelvollzug geltenden multiplen rechtsstaatlichen Grundsätzen und standesethischen Verpflichtungen. So wurde die Gl-Redaktion aktuell noch von einer seitens der GeNo beauftragten Rechtsanwaltskanzlei aus Köln (Höcker Rechtsanwälte PartGmbB, Friesenplatz 1, 50672 Köln, vertreten durch RA Dr. Christoph Schmischke) dahingehend behelligt, als dass eine Löschungsaufforderung bzgl. kritischer Berichte über das KBO erging. Wenn aber doch im KBO nichts zu beanstanden ist, warum dann eine derart massive Reaktion seitens der Verantwortlichen? Tatsächlich wurde die Redaktion in aller schäbigster, dem Presserecht und der Meinungsfreiheit hohnsprechender Form genötigt, wobei in diesem Rahmen wirklich sämtliche Rechtsverdreherklischees bedient wurden. Schlussendlich bot man dem GI an, „die Sache geräuschlos beizulegen“. Die Redaktion lässt sich jedoch nicht beugen – dafür an dieser Stelle im Namen aller Betroffener vielen Dank.
Wie ging es nun in den Jahren seit dem Todesfall weiter, einmal von den obig thematisierten Punkten abgesehen. Nun, die damals bereits bestehenden Missstände sind ausweislich eigener Recherchen und den Aussagen diverser direkt betroffener Zeugen unverändert geblieben. Weitere Schikanen sind hinzugekommen. So werden Menschen Beschulung und Ausbildungsmöglichkeiten verboten bzw. eine Subventionierung abgelehnt, obwohl das KBO monatlich 10.500,00 € pro Insasse kassiert (ein regulärer Haftplatz hingegen ist mit einem pro Kopf-Jahresbudget von insgesamt 30.000,00 € dotiert). Somit wird der Normzweck der, zumindest dem Wortlaut nach, besonders der Resozialisierung dienenden §§ 63, 64 StGB faktisch unterlaufen; die Sozial- und Legalprognose der jeweiligen Insassen bleibt negativ – und somit eine Entlassung ausgeschlossen oder „zumindest“ erheblich erschwert. Dass das Forensikbudget seitens der GeNo u.a. in die seit Jahren Verluste verbuchenden somatischen Häuser (Klinikum Ost, Mitte. Links der Weser) umgeleitet wird, ist in Bremen ein offenes Geheimnis (vgl. nur Weserkurier Interview mit dem Gesundheitspolitischen Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion Rainer Bensch 2017). Die Fachaufsicht unternimmt auch hier – nichts! Dabei handelt es sich dabei unter anderem um Unterschlagung und Veruntreuung – zweckgebundener – staatlicher Gelder (diesbezügliche Strafanzeige ist bei der Staatsanwaltschaft Bremen bereits seit einiger Zeit anhängig).
Zudem ist es seit einigen Monaten nur noch einmal wöchentlich möglich außerhalb Essen zu bestellen, obwohl es sich beim psychiatrischen Maßregelvollzug (MRV) um ein besonderes Freiheitssonderopfer handelt; dies ist bereits obergerichtlich zum Komplex Essensbestellungen, sowie generell höchstrichterlich geklärt. Weiterhin wird der Besitz von Medien und Elektrogeräten eingeschränkt, obwohl das bremische Landesrecht (BremPsychKG), anders als andere Landesgesetze, keine Grundrechtseinschränkung auf Privatbesitz vorsieht. Seit einiger Zeit findet zudem einmal wöchentlich eine paramilitärische Zelleninspektion statt (mit Klemmbrett und allem drum und dran); derartiges erfolgt selbst in Strafhaft nicht; dies ist vielmehr etwas, was beim Militär oder bspw. dem besonders repressiven US-Strafvollzug praktiziert wird. In der BRD ist derartiges jedoch, selbst im psychiatrischen MRV. einzigartig. Fenster bleiben zum Teil über Monate oder gar Jahre abgeschlossen. Selbst der Besitz von Mineralwasser in Plastikflaschen wird mittlerweile reglementiert (zwei pro Tag. Verbot von größeren Beständen). Muslimische Gefangene werden im Rahmen der standardmäßigen Urinkontrollen dazu gezwungen, sich vor dem Personal zu entkleiden, obwohl dies gem. dem ‚`Buch Hadith“ für diese unzulässig ist, und daher eine Grundrechtsverletzung darstellt; dies ist ständige Rechtsprechung. Die Nutzung der gesetzlich bestimmten Lockerungen wird an privatrechtliche Vorgaben geknüpft. Die Gewalt und der miese Ton des Personals ist ebenfalls unverändert geblieben. Als im vergangenen Jahr Insassen diverser Stationen die Demo anlässlich des ersten Jahrestages des Todesfalles von den Fenstern aus beobachteten, wurde seitens des Personales versucht, dies zu unterbinden. Ein besonders dumm-dreister Wärter warf‘ dabei die Frage in den Raum, was an der Demo so interessant sei. Auf die Antwort, dass es sich dabei um eine Demo anlässlich eines Todesfalles handele, warf der Wärter ein, dass „jeden Tag Menschen sterben“. Nach dem Hinweis, dass dies so sein mag, es sich bei dem Fall aber um einen gewaltsamen – und daher besonders tragischen, da vermeidbaren Todesfall handelte – verstummte der Wärter. Die umstehenden Insassen waren jedenfalls alle sehr betroffen ob der dumm-böswilligen, menschenverachtenden Statements des Wärters. Auch dieser Vorfall illustriert nur einmal mehr den menschenverachtenden Geist, der im KBO vorherrscht.
Es muss sich daher endlich einmal etwas ändern. Dies kann jedoch offensichtlich nur über öffentlichen Druck erfolgen. Die Landesfachaufsicht, welche durch die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz Eva Quante-Brandt (SPD) und ihr Psychiatriereferat gestellt wird, muss sensibilisiert werden. Im KBO selbst müssen personelle und strukturelle Umgestaltungen vorgenommen werden. An dieser Stelle sei nur auf den Bericht der „Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung“ der EU (BRD-Standort Wiesbaden) zu der Inspektion des KBO im Jahre 2017 verwiesen.
In der BRD werden jährlich über 200.000 Menschen zwangseingewiesen. Die Zahl sämtlicher Einweisungen (also auch solch „freiwilliger“ auf ärztlichen Druck hin) beträgt ca. 1 Million jährlich (Quelle: „Lautsprecher“ NR. 60, 3). Eine Internierung im psychiatrischen MRV gem. § 63 StGB ist zeitlich grundsätzlich unbefristet. Die Missstände in der Zwangspsychiatrie (insbesondere der Forensik) sind katastrophal. Aufgrund der Tatsache, dass der psychiatrische MRV, anders als der reguläre Strafvollzug, in Händen privater bzw. halbprivater Träger ist (GeNo, LWL, LVR, Asklepios, Helios, Ameos etc. etc.), und über hohe, nicht bzw. unzureichend kontrollierte staatliche Budgets verfügt, so stehen de facto finanzielle Erwägungen gegen Menschenrechte (in der Vollzugsgestaltung wie der Resozialisierung/Entlassung). Die im Kontext der diversen MRV- und Psychiatrieskandale initiierte Gesetzesnovelle vom 1.8.2016, welche eigentlich übermäßige Internierungen beenden bzw. gar nicht erst entstehen lassen soll, ist ersichtlich fehlgeschlagen. Überall in der BRD werden neue Forensiken errichtet (alleine in NW aktuell 3-4); der psychiatrische MRV – ein profitables Geschäft. Einzig Druck von außen vermag etwas zu verändern. Wir möchten Euch auch deshalb herzlich zu anti-psychiatrischen Veranstaltungen, sowie einem generellen Engagement gegen Zwangspsychiatrie einladen.
Jährlich finden bundesweit Demos und Veranstaltungen unter anderem anlässlich des „Tages der Psychiatrie-Toten“ (2.Oktober), sowie die „Anti-Knasttage“ statt. Wer diesbezüglich etwas eigenes organisieren will oder sich an bereits bestehenden Protestformen beteiligen möchte, ist hierzu besonders herzlich eingeladen (Kontakt über: „AK Psychiatrie-Gewalt stoppen“ ak-psychiatriegewalt-stoppen@web.de, Psychiatrie-kritische-Gruppe-Bremen stattpsychiatrie@riseup.net, oder die GI-Redaktion).
Forensiken in Eurer Nähe findet ihr auf www.forensik.de (folgende Standorte sind dort derzeit noch nicht gelistet: HB: Bremen-Ost. NS: Brauel. SL: Merzig). Auch außerhalb obig genannter Gedenktage sind Aktivitäten natürlich wünschenswert.
Wer sich näher mit der Thematik Forensik beschäftigen möchte, dem seien folgende Bücher empfohlen: Bianka Perez – „Die Schwarze Liste – Naziparagraf 63 StGB weggesperrt und weggespritzt“ (underDog-Verlag. ISBN 978-3-981-42570-3), Ritzer/Przybilla – Die Affäre Mollath“ (Droemer-Verlag, ISBN 978-3-426-27622-8), Ernst Klee – „Psychiatrie-Report“ (Fischer Taschenbücher Verlag, ISBN 3-596-22026-2), Markus Drechsler – „Massnahmenvollzug“ (zum österreichischen Forensiksystem), Tondorf in ZRP 118 – „Die katastrophale Lage psychisch Kranker im Maßregelvollzug“ sowie die aktuellen TV-Dokumentationen „Der Fall Michael Perez“, „Fall Gustl Mollath“, „Fall Ulvi Kulac“ sowie „Geheimakte Hoffmann“ (in den Mediatheken von SWR [Perez], 3Sat [Hoffmann] sowie Youtube hinterlegt). Für Direktbetroffene und Unterstützer, insbesondere solche, die einen Rechtskampf führen müssen, sind folgende juristische Standardwerke absolut zu empfehlen: Kammeier/Pollähne – „Maßregelvollzugsrecht“ 4. Aufl. (De Gruyter. ISBN 978-3-11-035200-9) sowie Rolf Marschner – „Psychisch kranke Menschen im Recht“ 6. Aufl. (BALANCE buch + medien verlag, ISBN 978-3-86739-150-4). Erstgenannter Titel bezieht sich auf strafrechtliche Internierungen; insbesondere gem. § 126a StPO. §§ 63. 64 StGB, letztgenannter Titel primär auf zivilrechtliche Internierungen, verfügt darüber hinaus aber auch über einen kleinen MRV-Part.
Weitergehend wird jedem dringendst empfohlen, niemals in eine psychiatrische Exploration (Gutachten) einzuwilligen. Ein Aktenlagengutachten ist vor Gericht nicht verwertbar. Im Falle einer zivilrechtlichen Unterbringung ist zudem jedes Vorgespräch inhaltlicher Natur mit Amtsarzt sowie im Falle der Unterbringung mit dem dortigen Personal zu unterlassen. Lässt man sich in der Allgemeinpsychiatrie nichts zu Schulden kommen, so sind die dortigen Verantwortlichen zu einer schnellstmöglichen Entlassung verpflichtet. Daher keine Vorwände liefern; weder durch Wort noch durch Tat. Gespräche inhaltlicher Natur können und werden gegen den Betroffenen verwandt, unabhängig des tatsächlichen Inhaltes. Zu empfehlen ist eine Vorsorgevollmacht (Patientenverfügung).

Abschließend noch ein paar Fakten zum Thema Psychiatrie; im folgenden vollinhaltlich zitiert aus dem Organ des als gemeinnützig anerkannten Bundesverbandes Psychiatrieerfahrener (BPE), „Lautsprecher“ Nr. 60, 3, 4:

1) Lebenserwartung
Die Lebenserwartung dauerhaft Psychiatrisierter ist um durchschnittlich 25 Jahre gegenüber der „Normal“bevölkerung verkürzt. 25 Jahre verkürzte Lebenserwartung, das ist mehr Unterschied in der Lebenserwartung als zwischen Bürgern Deutschlands (78) und des Sudans (58). Dort beträgt der Unterschied laut dem 2005er-Fischer-Weltalmanach 20 Jahre. In Bangladesh beträgt die Lebenserwartung übrigens 62 Jahre, Wer also als Bürger der ersten Welt dauerhaft in die Hände der Psychiatrie fällt, hat eine schlechtere Lebenserwartung als ein Sudanese oder Bangladeshi.

2) Sterblichkeit
Allein stationär kommen in Deutschland jedes Jahr 3.000 Menschen mehr zu Tode, als von der durchschnittlichen Sterblichkeit her zu erwarten. Quelle dieser Information war lange Jahre das Statistische Jahrbuch der BRD. Unser ständiges Hinweisen auf diesen leicht beweisbaren Skandal führte leider nur zu einer Änderung der Statistik, die Praxis blieb gleich.
3) Zwangsunterbringung in Zahlen
Immer mehr Menschen werden bundesweit zwangsuntergebracht und zwangsbehandelt. 1992: 92.560, 1995: 111.457, 1999: 136.214, 2002: 169.334, 2005: 193.373. (Quelle: Bundesministerium der Justiz, Sondererhebung „Verfahren nach dem Betreuungsgesetz, 1998 – 2005“)

4) Häufung von Zwangsbetreuung
Es gibt immer mehr Zwangsbetreuungen: 1991: 350.000 Menschen standen unter Vormundschaft und Pflegschaft. 1995: 624.695 Betreuungen. 1999: 857.582 Betreuungen. 2002: über eine Million Menschen hatten einen Betreuer als Rechtsvertreter.

5) Gründe
Die Gründe (Selbst und Fremdgefährdung) für Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung sind in über 90% der Fälle nur vorgeschoben (um nicht zu sagen erstunken und erlogen). Nach Betreuungsrecht (§§ 1896 bis 1908 BGB) reicht als „Grund“ sogar Behandlungsbedürftigkeit.

6) Richterliche Kontrolle
Die Richter/innen kontrollieren die Zwangsunterbringungen fast nie, sondern nicken die Legalisierungswünsche der Psychiater/innen lediglich ab.

7) Psychiater und Pharmaindustrie
Die Verflechtung der Psychiater mit der Pharmaindustrie ist nahezu vollständig.

8) Leseempfehlungen:
Marc Rufer – Irrsinn Psychiatrie
Josef Zehentbauer – Chemie für die Seele.

Zu den juristischen Grundlagen: Bei den Paragraphen §§ 63 (psychiatrische Sicherungsverwahrung), 66 (reguläre Sicherungsverwahrung) StGB handelt es sich um historische NS-Gesetzgebung (vgl. hierzu nur den Standardkommentar Kammeier/Pollähne – „Maßregelvollzugsrecht“ 4. Aufl., Kap. 2 „Das Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933: Maßregelrecht und Maßregelvollzug im Nationalsozialismus“, 6 ff., 9; „Typisch nationalsozialistisches Unrecht“). Es stellt sich in diesem Kontext die Frage, inwieweit die emanzipatorische Linke diese Tatsache weiter hinnehmen kann. Der § 63 StGB deklassiert zigtausende von Menschen und sondert sie auch faktisch aus. Gerade von § 66 StGB wird immer wieder in politischen Kontexten Gebrauch gemacht; und wie viele Aktivisten sind bis jetzt bereits davon schon betroffen! Wer einmal in die Fänge von § 63 oder § 66 gerät, kommt nicht mehr heraus bzw. erst nach Jahrzehnten – es kann jeden treffen! Euch, Eure Freunde oder Familie…

Seid solidarisch; helft diese Gummiparagraphen, dieses Justizverbrechen ein für alle mal zu beenden! Vernetzt Euch:

ak-psychiatriegewalt-stoppen@web.de

Wir planen eine Sammelpetition für die Abschaffung, beziehungsweise zeitliche Befristung des § 63 StGB. Insbesondere für die Aktion benötigen wir viel Unterstützung.

WEG MIT DER ZWANGSPSYCHIATRIE — ÜBERALL!

AHMET AGIR UNVERGESSEN;
KEIN VERGEBEN, KEIN VERGESSEN!

Wer gegen diese Zustände
protstieren will:

Senatorin für Wissenschaft,
Gesundheit und Verbraucherschutz
Prof. Dr. Eva Quante-Brandt
Contrescarpe 72
28195 Bremen
0421 3610

– Klinikum Bremen-Ost
zu Händen von der
Ärztlichen Direktorin Ute Franz
Züricher Str. 40
28325 Bremen