Zwei Briefe von Rainer Loehnert

Rainer Loehnert, 12. Juni 2019

Die Forensik ist die Ausgeburt der Hölle, denn in ihr schmoren Menschen, die durch Psychopharmaka und Verhaltensforschung gefügig gemacht werden sollen. Das steht in der Tradition der Euthanasie, wo damals Menschen sterilisiert und schlussendlich vernichtet wurden. Davon Betroffene waren hauptsächlich „geistig behinderte“ und „psychisch auffällige“ Menschen, sowie sogenannte Landstreicher oder Kriminelle…

80er-Jahre

Als ich 1986 in die Forensik kam, waren dort noch keine Kameras vorhanden. Die Pfleger trugen weiße Jacken. Es wurden kurze handschriftliche Notizen über den einzelnen Gefangenen gemacht.
Männer und Frauen waren gemeinsam auf Stationen. Die Frauen bekamen die Monatsspritze gegen die Empfängnis. Wenn sich die Frauen wuschen, standen ihre Türen offen, was ich auch schon aus den Wohngemeinschaften der 80er Jahre kannte.

Heute

Heute hat sich die Psychiatrie negativ verändert, es wird weiterhin verstärkt drakonisch sanktioniert, wenn sich die Betroffenen wehren.
Wer nicht mitspielt, wird durch Zwangsmaßnahmen zur Einnahme von Psychopharmaka gezwungen. Das Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ eben! Mir wurden z.B. Telefonkontakte und Besuche verweigert, als ich im Bunker eingelocht wurde.
Hier herrscht uneingeschränkt der Chefarzt von seinem Schreibtisch aus zusammen mit den Psychologen und Krankenpfleger.
Psychiatrie ist weiterhin ein lukratives Geschäft auf Kosten der Patienten. Durch Dressur von Medikamente werden diese Gefangenen nicht zu Rebellen gemacht, sondern mutieren zu Monstern. Zum Beispiel für eine Packung Tabak prostituiert sich ein Junkie ohne Bedenken.
Der Aufenthalt von 34 Jahren in der Forensik haben mir Leid und den Schmerz zugefügt. Auch haben die Gutachter und Richter meinen Totenschein in der Schublade!
Hinter den Mauern und Zäunen der Forensik von NRW sind Menschenrechte nicht vorhanden. Für Bedburg Hau und Eickelborn sind die jeweiligen Landesregierungen unter SPD oder CDU verantwortlich. Ich kann heute also sagen, Forensik ist ein rechtsfreier Raum geworden. Menschen sind zu dressierten Ungeheuern um erzogen worden.

Ausblick

Bakunin kämpfte für eine Gesellschaft der Gleichheit und Gerechtigkeit im Zeichen der Freiheit der Anarchie.
Ich hasse den Knast und die Forensik, weil ich Anarchist bin.

Es lebe die Anarchie!
Zerstört den Knast, Zwangsanstalten wie Heime, Psychiatrien und den Staat!
Psychopathen aller Länder vereinigt Euch!
Macht die Revolte und die direkte Aktion!
Hoch die internationale Solidarität!

Herzlichst Rainer


Rainer Loehnert, 1. Juli 2019

Lieber …, ich will heute etwas zum Thema Abschiebungen schreiben. Ich habe während meiner Zeit von 34 Jahren in der Forensik drei Abschiebungen mitbekommen – zwei in Eickelborn, Nabi ging zu Rpüch in den Iran und ein Algerier, der in Grenoble lebte, wurde in Straßburg der Polizei übergeben. Damals kamen zwei zivile Beamte vom Bundesgrenzschutz und nahmen ihn mit. Leider kann ich mich nicht mehr an seinen Namen erinnern und es fand im Winter statt.
Heute wurde Abdallah Okbar nach Marokko abgeschoben. Das tut mir sehr weh, dass er weg ist. Wir kannten uns seit drei Jahren und ich sah seine Angst, die er hatte. Ich sagte ihm noch, er solle im Flugzeug ganz ruhig bleiben, und wollte ihm ein neues Kartenspiel mitgeben, das er dann aber nicht nahm. Vielleicht könnt ihr recherchieren, wie es ihm da unten geht. Er war voll in Ordnung und verweigerte auch die Arbeit. Ich hoffe, dass er in Casablanca ankommt und ihm nichts geschieht. Hier in der Forensik konnten ein paar wenige Abschiebungen verhindert werden. Das zur Effektivität.
Nach dieser Abschiebung bin ich stocksauer. Er ist weg und raus aus dem deutschen Knast. Er ist 26 Jahre jung. Ich hoffe, er ist stark und wird das schon packen. Wir sind alle so machtlos gegen die staatliche Willkür mit Pfefferspray und Bullenknüppel. Wir müssen diesem Schweinepack mit der gleichen Härte entgegentreten.
Ich hoffe, ihr könnt zu Okba Kontakt aufnehmen und ihm helfen. Er wird dort in Marokko „sicher“ untergebracht. Der Arzt Wallensetein? sagte zu diesen Abschiebungen: „Das wird dort mit den zuständigen Behörden abgesprochen und die bekommen dort ihre Psychopharmaka.“ Ha, Ha!
In der TAZ las ich von einer Serberin, die in Leipzig lebte, und dann von dort in die normale Psychiatrie Belgrad abgeschoben wurde. Ich war geschockt, was ich da über die Zustände in dem Krankenhaus las. Ich hoffe für Okba nur das Beste. Bitte kümmert euch darum und versucht ihn von mir zu grüßen.
Ich schreibe morgen was zu einer weiteren Abschiebung. Burka wurde von dieser Station im Januar diesen Jahres abgeschoben. Er befindet sich jetzt in Rumänien.
Ich hier in der Forensik und zur Zeit nicht in Isolation. Ich hoffe, dass sich was tut bezüglich meiner Freilassung.