Warum wir weder vergeben noch vergessen

Fadaian Organization (aghaliyat) – Committee Abroad, August 2018

Im Sommer 1988 wurden tausende politische Gefangene in weniger als zwei Monaten in iranischen Gefängnissen hingerichtet. Es war nicht das erste Mal, dass die islamische Republik ihre politischen Gegner massenhaft hinrichtete. Es war jedoch das erste Mal, dass dieses Verbrechen schweigend und heimlich durchgeführt wurde.
Als das Regime der islamischen Republik im Sommer 1981 die systematische und umfangreiche Hinrichtung der freiheitsliebenden Kräfte und Kommunisten auf die Tagesordnung setzte, wurden die Zahl und die Namen der Hingerichteten stets durch die Medien veröffentlicht, um dadurch Angst und Schrecken zu verbreiten. Im Jahre 1988 wurden jedoch Gefangene, die bereits einmal verurteilt worden waren, erneut vors Gericht gestellt und in wenigen Minuten währenden Prozessen zum Tode verurteilt. Die Todesurteile wurden sofort am selben Tag vollstreckt.
In den „Gerichten der Islamischen Revolution“, die nach dem Volksaufstand von Februar 1979 errichtet wurden, hatten die Angeklagten weder einen Rechtsbeistand noch das Recht, sich zu verteidigen. „Staatsanwälte der Islamischen Revolution“ müssten keinerlei Beweise vorlegen. Es war ausreichend jemandem vorzuwerfen, Sympathisant einer oppositionellen politischen Organisation zu sein.
Die Scharia Richter haben auch in wenigen Minuten langjährige Haftstrafen oder Todesurteile verkündet. Die Todesurteile wurden an demselben Tag vollstreckt. All das geschah in einem Tempo, so dass manchmal die Namen der Verurteilten unbekannt blieben. Ihre Fotos wurden lediglich veröffentlicht.
Das Regime der islamischen Republik behauptete, dass es sich hierbei um „Terroristen“ handelte. Unter den Hingerichteten befanden sich jedoch Menschen, die lediglich ein Flugblatt einer oppositionellen Organisation in der Tasche hatten. Tausende wurden hingerichtet, ohne dass ihr Alter und Geschlecht beachtet wurde. Unter den Opfern dieser Zeit befinden sich zahlreiche Jugendliche.
Die Machthaber der islamischen Republik beabsichtigten durch diese umfangreichen Festnahmen und Hinrichtungen, ihre Machtbasis zu festigen und die Errungenschaften zurückzuerobern, die die Massen während der Revolution errungen hatten.
Trotz aller Hinrichtungen befanden sich im Jahre 1988 tausende politische Gefangene in iranischen Gefängnissen. Bisherige Gerichte hatten sie nicht zum Tode verurteilen können. Das war in einer Zeit, während der achtjährige Iran-Irak Krieg zu Ende ging. Ein Krieg, der mehrere Hunderttausend Opfer forderte. Zehntausende erlitten schwere Behinderungen, viele Städte wurden zerstört.
Das Regime der islamischen Republik wollte diesen Krieg trotzdem fortsetzen. Die schlechte wirtschaftliche Lage, die wachsende Unzufriedenheit der Massen und der internationale Druck trugen dazu bei, dass Khomeini die Resolution 598 des UN-Sicherheitsrates akzeptierte, die den Krieg beendete. Er bezeichnete diesen Schritt als „Trunk aus dem Giftbecher “.
Im Jahre 1988 war das Regime der islamischen Republik mit einer tiefgreifenden politisch-wirtschaftlichen Krise konfrontiert, als Resultat der Unzufriedenheit der Massen und den Folgen des vernichtenden Krieges. Außerdem befanden sich in den Gefängnissen tausende politische Gefangene, die ihre Strafen abgesessen hatten und freigelassen werden müssten.
Die Machthaber der islamischen Republik konnten auf die wirtschaftlichen Forderungen der Massen nicht antworten. Sie versuchten jedoch, durch ein weltweit bespielloses Verbrechen das „Dilemma“ der politischen Gefangenen zu lösen. Ein „Ausweg“, der nur unter einem diktatorischen religiösen Regime möglich und denkbar ist.
Khomeini ernannte drei Personen, die auf seine Anordnung hin, die Gefängnisse von politischen Gefangenen leer räumen sollten. Dieses Gremium war unter den politischen Gefangenen als „Gremium des Todes“ bekannt.
Den Gefangenen wurde mitgeteilt, man wolle ihre „Situation klären“. Einzeln mussten sie vor dem „Gremium des Todes“ antreten. Zuvor wurde jeglicher Kontakt nach Außen sowie der Besuch von Familien untersagt.
Muslimische politische Gefangene wurden gefragt, „Akzeptierst du noch deine politische Organisation?“ War die Antwort „JA“, wurde sofort das Todesurteil ausgestellt. War die Antwort „Nein“, wurde gefragt, „Bist du zur Zusammenarbeit bereit?“ War die Antwort „Nein“, gab es ebenfalls ein Todesurteil.
Linke politische Gefangene und Kommunisten wurden gefragt, „Glaubst du an Gott?“ War die Antwort „Nein“, wurde sofort das Todesurteil ausgestellt. Bei Antwort „JA“ wurden sie weitergefragt, „Bist du bereit zu beten?“, „Bist du zur Zusammenarbeit bereit?“. War die Antwort „Nein“ gab es wiederum das Todesurteil.
Diese ein paar Minuten währenden Befragungen entschieden über das Leben und Tod von Tausenden Menschen.
Die Todesurteile wurden an demselben Tag vollstreckt. Binnen etwa zwei Monate wurden Tausende hingerichtet. Sie wurden in Massengräbern begraben. Einige Wochen später erhielten ihre Familien ihre persönlichen Sachen. Niemand erfuhr, wo seine Angehörigen begraben sind.
Nach und nach kamen die politischen Gefangenen frei, die dieses Verbrechen überlebt hatten. In einem Land, in dem es keinerlei politischen Freiheiten und Pressefreiheit gab, erfuhren nur die politischen Gefangenen und ihre Familien von diesem abscheulichen Massaker. Die Machthaber des Regimes, die von diesem grausamen Verbrechen wussten oder daran beteiligt waren, schwiegen jahrelang darüber. Internationale Institutionen, die von diesem Verbrechen erfahren hatten, schwiegen ebenfalls. Erst 20 Jahre später hat Amnesty International (ai) dieses Verbrechen als ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ anerkannt.
Die Familien der Opfer und zahlreicher politischer Gefangene gaben jedoch nicht auf. Sie fanden Massengräber an den Rändern der Städte oder in verlassenen Friedhöfen. Die Familien von linken politischen Gefangenen und Kommunisten versammelten sich jedes Jahr am 01. September an diesen Massengräbern und erinnerten an ihre Liebsten. Auch die permanente und brutale Unterdrückung durch das Regime der islamischen Republik hat sie nicht daran hindern können. Auf vielfältige Art und Weise versuchen sie diese Massengräber zu schützen, so dass die Machthaber der islamischen Republik durch ihre Vernichtung die Beweise ihres Verbrechens nicht aus der Welt schaffen können.
Im Ausland wird seitdem jedes Jahr weltweit durch unterschiedliche Veranstaltungen an die Opfer dieses Verbrechens erinnert. Die Familien der Opfer, ehemalige politische Gefangene, Linke und Kommunisten versuchen sicherzustellen, dass dieses Verbrechen nicht vergessen wird. Ein Verbrechen, das ein dunkles Blatt der Geschichte unseres Landes unter dem Regime der islamischen Republik darstellt. Es handelt sich um die Ermordung tausender junger Menschen, die für eine Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutung eintraten.
Es wurden Testimonials gesammelt, zahlreiche Bücher verfasst, viele Artikel veröffentlicht. Es gab zig Interviews und Vorträge, damit dieses Verbrechen nicht vergessen wird.
Aufgrund des unaufhörlichen Widerstandes der Familien, ehemaligen politischen Gefangenen, Linken und Kommunisten und ihrer Aufklärung, sind einige Machthaber der islamischen Republik gezwungen worden, dieses Verbrechen zuzugeben. Viele von ihnen haben dieses Verbrechen verteidigt. Wenige „Gegner“ in der Regierung, d.h. die „Reformer“ versuchen ihre eigene Rolle bei diesem Verbrechen zu vertuschen.
Während die Täter dieses großen Verbrechens und ihre Komplizen nach wie vor an der Macht sind und sich weigern, die Wahrheit preiszugeben; während keiner von ihnen bereit ist Verantwortung zu übernehmen, während keiner dieser Verbrecher jemals verurteilt worden ist; während viele Fragen der Familien und politischen Gefangenen unbeantwortet sind; während alle, die beteiligt und eingeweiht waren, schweigen und die Geheimnisse des Regimes unveröffentlicht sind, stellt sich die Frage:

Kann ein solches Verbrechen vergessen werden?
Kann ein solches Verbrechen vergeben werden?

Nieder mit der islamischen Regierung – Hoch die Räteregierung!
Es lebe die Freiheit! – Es lebe der Sozialismus!