Verba Volant, Scripta Manent (Wörter fliegen, Geschriebenes bleibt)

Neue polizeiliche Operation gegen Anarchist*innen in Italien

In den frühen Morgenstunden des 6. Septembers 2016, fand eine koordinierte Polizeioperation der DIGOS (Divisione Investigazioni Generali e Operazioni Speciali) statt, angeführt von dem Staatsanwalt Roberto Sparagna aus Turin. Es wurden über 30 Wohnungen im Piemonte, Liguria, Lazio, Umbria, Lombardia, Abruzzo, Campania, Sardegna und Emilia Romana durchsucht. Sieben anarchistische Gefährt*innen wurden verhaftet und beschuldigt Mitglieder einer subversiven Vereinigung mit terroristischen Zielen zu sein, angeblich seien sie Mitglieder der FAI (Federazione Anarchica Informale, Informellen Anarchistischen Föderation), auch die beiden anarchistischen Gefangenen Alfredo Cospito und Nicola Gai seien Verdächtige. Außer der Verhaftung dieser sieben Gefährt*innen, wurden auch acht weitere festgenommen, bzw. wird gegen sie ermittelt. Unter ihnen auch Gabriel Pombo Da Silva.
Diese Operation, namens „Scripta Manent“, versucht eine Reihe von Menschen für Aktionen verantwortlich zu machen. Die Gemeinsamkeiten der Anschläge waren, dass  sich im Namen der FAI dazu bekannt wurde. Jedoch wurden diese Aktionen von unterschiedlichen Zellen begangen. Die Behörden unterstellen, dass es hierarchische Gruppenstrukturen gäbe und versuchen „Führungspersonen“ ausfindig zu machen. All dies widerspräche den veröffentlichten Grundsätzen der FAI.
Es muss betont werden, dass die repressive Strategie sehr an vorherige Operationen, wie die Operation Cervantes oder die Operation Osadia, erinnert.
Die verhafteten Anarchist*innen sind: Anna Beniamino (46 Jahre), Marco Bisesti (33 Jahre), Danilo Emiliano Cremonese (40 Jahre), Alessandro Mercogliano (43 Jahre) und Valentina Spaziale (39 Jahre). Die Identität der beiden auch verhafteten Frauen ist unbekannt, aber sie werden der FAI – „Zelle Olga“ zugeschrieben. Jene Gruppe die sich für den Angriff auf Roberto Adinolfi1 im Mai 2012 in Genua verantwortlich macht. Für diese Aktion wurden Nicola Gai und Alfredo Cospito zu neun Jahre und vier Monaten, sowie zu zehn Jahre und 8 Monate verurteilt.
Außerdem wird in dieser Operation auch wegen der Versendung einer Paketbombe an den Direktor der CPT (N. de T.:“Centri di Permanenza Temporanea”2) im Mai 2005 ermittelt; sowie wegen den Anschlägen gegen das Überwachungszentrum in Turin-San Salvario und den Superintendenten aus Lecce (bekannt dafür hatte sich die Gruppe FAI/Narodnaya Volia), wegen dem Sprengkörper gegen die RIS3  Kaserne in Parma (24 Oktober 2005, dazu bekannt hat sich die FAI/Handwerkliche Genossenschaft Feuer und Afine (gelegentlich spektakulär), wegen dem Sprengkörper gegen die Karabinieri Kaserne in Fossano (2 Juni 2006, dazu bekannt hat sich die FAI/RAT (Anonyme und Fürchterliche Revolte), wegen der Paketbomben welche in Turin im Juli 2006 an die Firma Coema Edilità (Unternehmen welches an der Restrukturierung von Abschiebegefängnisse beteiligt war) und dem Bürgermeister Sergio Chiamparino und dem Direktor der Torino Cronaca verschickt wurden (7 März 2007, dazu bekannt hat sich die FAI/RAT), wegen der Bomben die im Turiner Kiez von Crocetta gelegt wurden (7 März 2007, bekannt dafür hat sich die FAI/RAT), sowie wegen anderen Aktionen und auch letztendlich dem Angriff auf Adinolfo (7 Mai 2012), für die Nicola und Alfredo schon verurteilt worden sind.
Es ist nicht das erste Mal das die italienischen Behörden versuchen durch repressive Schläge Anarchistische Kreise lahm zu legen, was in Italien seit vielen Jahren üblich ist. Wieder einmal, sollte es keine Frage sein, ob Gefangene unterstützt werden sollen. Ob sie schuldig oder unschuldig sind, ob die Taten richtig oder falsch waren, die Solidarität mit Gefangenen sollte eine Tatsache sein.

Verabschieden tun wir diese Nachricht mit dem Brief eines betroffenen Gefährten:

Gefährten und Gefährtinnen:
Gestern Nacht hat die Repression sechs „freie“ Gefährt*innen und zwei die schon im Knast sitzen getroffen. Es gab in 33 Wohnungen von Gefährt*innen Hausdurchsuchungen.
Diese Welle von Repression ist bei einem Teil der anarchistischen Bewegung angekommen… Dieser Teil hat keine Repräsentant*innen und hat auch keinen Sprecher*in. Daher spricht jeder aus seinem Gewissen und ist dafür Verantwortlich.
Die Repression will wie immer verängstigen und einschüchtern, sie will uns stoppen oder uns zwingen einen Schritt zurück zu machen.
Wir sind all jenen sehr dankbar die ihre Solidarität ausgedrückt haben… Die Solidarität unter Gefährt*innen ist immer nützlich und sehr wertvoll.
Von unserer Seite aus, laden wir alle Gefährt*innen ein, ihre Solidarität auf der einzigen Art und Weise die wir als effizient empfinden auszudrücken.
Gefährt*innen, Geschwister, wir dürfen nicht zulassen, dass die Repression ihre Ziele erreicht. Alle zusammen müssen wir kämpfen um unsere Anstrengungen multiplizieren zu können. Damit der Kampf gegen jede Form von Herrschaft immer stärker, effizienter und zerstörerischer wird. Selbstverständlich sollte jeder seinem Gewissen folgen und das machen was ihm am bestes erscheint.
Der Repression zu antworten heißt in die Offensive zu gehen. Nur dann können wir unseren gefangenen Gefährt*innen helfen.

Eine Umarmung an alle.

Lello, der der im Rollstuhl sitzt.

 

[1] Roberto Afinolfi wurde ins Bein geschossen, er war zu dem Zeitpunkt Vorsitzender der Ansaldo Nucleare, einer Firma die AKW‘s betreibt.
[2] Jetzt Centri di Identificazione ed Espulsione, italienische Abschiebegefängnisse
[3] Forschungsabteiliung der Karabinieri


Die Gefährt*innen befinden sich in folgenden Gefängnissen:

BISESTI MARCO
Casa Circondariale San Michele – Strada Casale, 50/A – 15121  Alessandria (AL)

MERCOGLIANO ALESSANDRO
Via Arginone, 327 – 44122 Ferrara

BENIAMINO ANNA
Via Aspromonte, 100  –  04100 – Latina LT

CREMONESE DANILO EMILIANO
Str. delle Campore, 32  –  05100 Terni TR

SPEZIALE VALENTINA
Via Aspromonte, 100  –  04100 – Latina LT

ALFREDO COSPITO
Via Arginone, 327 – 44122 Ferrara

NICOLA GAI
Via Arginone, 327 – 44122 Ferrara

CORTELLI DANIELE
Str. delle Campore, 32  –  05100 Terni TR