Tiefer Staat

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen, Magdeburg

Wir wollen uns mit diesem Schwerpunkt „tiefer Staat“ einem in der Linken aktuell vieldiskutierten Thema nähern und einen ersten eigenen Standpunkt erarbeiten, welcher in einer weiteren Auseinandersetzung vertieft werden soll. Um es vorweg zu nehmen: Für uns ist die Existenz des tiefen Staates in der BRD, wie in jedem anderen kapitalistischen/ imperialistischen Staat völlig unstrittig. Wir werden versuchen, diesen Standpunkt in den folgenden Artikeln zu untermauern. Uns ist dabei klar, dass die Thematik so umfangreich ist, dass damit ganze Bücher gefüllt werden könnten. Wir müssen uns deshalb auf eine Einführung und einige weiterführende Aspekte beschränken. Beginnen werden wir mit einer Definition des Begriffes, um von einer gemeinsamen Basis auszugehen.
Als tiefen Staat bezeichnen wir den Teil des Staatsapparates, welcher abseits jeglicher Form parlamentarischer Kontrolle agiert und entsprechend nicht an die selbst auferlegten bürgerlich-demokratischen “Spielregeln“ gebunden ist. Er setzt sich zusammen aus Eliten der Wirtschaft/Großkapitals, des Militärs, der Politik sowie der Repressionsbehörden und Geheimdienste (Militärisch-Industrieller Komplex). Seine Handlanger sind Geheimdienstleute, Bullen und Soldaten aller Schattierungen, aber auch willfähige Journalisten, Faschisten (V-Leute) und Teile der organisierten Kriminalität. Der tiefe Staat hat die Funktion der Sicherung des Status quo und des Machterhalts der herrschenden Klasse und dies mit allen Mitteln.
Wir wissen, dass der kapitalistische/ imperialistische Staat und das Konstrukt der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie als solches schon Werkzeuge der herrschenden Klasse, sprich des Kapitals, sind, um die Gesellschaft in ihrem Sinne zu unterwerfen und zu versklaven. Dennoch beschränken sich die Herrschenden in Zeiten zugespitzter Klassenkämpfe, aber auch zur Vorbereitung und Führung imperialistischer Kriege nicht auf die allgemeinen Methoden der Repression. Dem Kapital reicht in diesen Phasen oftmals ihr vorgegebener (bürgerlich- demokratischer) Rahmen nicht aus, um die Herrschaft vor all ihren Widersprüchen zu schützen. Vor diesem Hintergrund entwickelten sich seit Einführung der bürgerlich- parlamentarischen „Demokratie“ Strukturen im Staat, die eine Überwindung des kapitalistischen Systems auf demokratischen, wie auf jedem anderen Wege verhindern sollen oder, besser gesagt, unmöglich machen. Hierbei muss beachtet werden, dass „Demokratie“ historisch betrachtet eines der Lockmittel der Bourgeoisie war, um die (verarmten) Massen dazu zu bewegen, Monarchie und Adel zu stürzen und die Herrschaft des Geldes zu errichten. Die Überwindung des Feudalismus wurde also auf dem Rücken unserer Klasse erkämpft. Wahre Demokratie gab es jedoch von Anfang an nicht, vielmehr wird bis heute nur eine Scheindemokratie praktiziert. Entschieden haben schon immer nur die Reichen. Die Kapitalisten haben zu keinem Zeitpunkt auch nur daran gedacht, die Massen an der Macht zu beteiligen. Die durch unsere Klasse erkämpften (mehr Schein als Sein-) demokratischen Rechte werden vielmehr seitens der Herrschenden, ebenso wie die spätere Schaffung einer ArbeiterInnenaristokratie zur Korrumpierung des hiesigen Proletariats benutzt.
Die Intensivität der Aktivitäten, Programme u.ä. des tiefen Staates hängen also vor allem vom Niveau der Klassenkämpfe und dementsprechend vom Organisierungsgrad des Proletariats bzw. der revolutionären Kräfte ab. Ausschlaggebend ist also die Angst der Herrschenden, um es mal salopp auszudrücken. Der tiefe Staat agiert allerdings auch in ruhigen Zeiten in Form präventiver Konterrevolution. Ansätze revolutionärer Prozesse sollen schon im Keim erstickt werden. Historische Beispiele dafür sind der Einsatz von sogenannten Freikorps und „schwarzer Reichswehr“ in der Weimarer Republik. Als aktuellere Beispiele aus der Geschichte der BRD wäre unter anderem zu nennen: Gladio (siehe Seite 8), die Ermordung revolutionärer Gefangener 1977 in Stammheim, die Killfahndung gegen Militante der bewaffneten Linken, Manipulation der öffentlichen Meinung durch Mediengleichschaltung (um die revolutionäre Linke zu diskreditieren), das Oktoberfest-Attentat 1980 in München oder auch die Verstrickung in den NSU (siehe Artikel zu Staatsterrorismus).
Ist die Existenz des Kapitalismus gefährdet, schreckt die herrschende Klasse auch vor der Herrschaftsform des Faschismus nicht zurück. In diesem Sinne ist die Umstellung des Staates von einer bürgerlich-parlamentarischen „Demokratie“ hin zum Faschismus zu verstehen als Übernahme sämtlicher staatlicher Strukturen durch den tiefen Staat. Sei es in Form von Staatsstreichen, wie zum Beispiel im Laufe der 1970er Jahre in vielen lateinamerikanischen Ländern oder 1980 in der Türkei. Oder sei es durch die Übergabe der Macht an Faschisten durch die alten Eliten, wie 1933 in Deutschland. Diese Übergabe der Macht an Hitler wurde jahrelang von den Eliten vorbereitet, durch die massive Finanzierung der NSDAP seitens des Großkapitals, kontinuierlichen Gesetzesverschärfungen, Notverordnungen usw. Dass bürgerlich- parlamentarische „Demokratie“ und Faschismus zwei Seiten der selben Medaille kapitalistischer Herrschaftssicherung sind, verdeutlichen auch die faschistischen Kontinuitäten in der BRD. Die alten Nazis machten auch nach 1945 Karrieren in Wirtschaft und Staatsapparat, gedeckt durch die USA und die anderen NATO-Staaten.
In den letzten Jahren ist auch in den Ländern der sogenannten ersten Welt (Europa, USA, Japan …) wieder eine zunehmende Faschisierung der Gesellschaften zu beobachten. Einsatz des Militärs im Inneren, permanente Beschränkung der Bürgerrechte, Ausbau und Befugniserweiterung der Repressionsorgane und Geheimdienste, Einführung neuer Polizeigesetze sowie ein massiver Rechtsruck in Politik und Gesellschaft deuten in diese Richtung. Faschismus wird auch hier und heute wieder zu einer realen Option der Krisenbewältigung seitens des Kapitals. Dem gilt es sich entgegen zu stellen.