Rebellischer Mai in Belgiens Knästen

Bei der Vorbereitung dieses Textes mussten wir feststellen, dass es schwierig war Informationen zu den Knastrevolten in Belgien zu finden, da kaum Informationen in deutscher oder englischer Sprache zu finden waren. Wir fanden das Thema trotzdem zu wichtig und wollten etwas dazu schreiben anstatt, dass wir es einfach unter den Tisch fallen lassen. Wenn wir weitere Informationen zu dem Verlauf und der aktuellen Situation erhalten, werden wir diese in den nächsten Ausgaben des Gefangenen Infos vertiefen.

Ab Anfang Mai 2016 entwickelten sich in Knästen in Belgien Knastrevolten. Wie bei so vielen Anlässen muss mensch bei der Beschäftigung mit den Ereignissen zwischen Anlass und Ursachen unterscheiden, um den tatsächlichen Inhalt zu verstehen. Anlass der Revolten war ein Streik der WärterInnen. Am 25. April 2016 gingen die Knastbediensteten in 21 Gefängnissen in den Streik. Alle Aktivitäten und gesetzlich zugesicherten Rechte für die Gefangenen wie der Hofgang, das Duschen, Besuche oder die Rechtsberatung wurden ausgesetzt. Die ohnehin völlig überbelegten Knäste ( im Schnitt kommen in Belgien auf 100 verfügbare Plätze 123 Häftlinge, in der Vergangenheit hat Belgien mehrere hundert Häftlinge in leere Haftanstalten in den Niederlanden gebracht)  und die sich daraus ergebenden miesen Bedingungen verschärften sich im Verlauf des Streikes.
Die Insassen bekamen nur noch 1 Mal am Tag etwas zu Essen, waren 24 Stunden am Tag in den Zellen, die hygienischen Zustände sind katastrophal, weswegen sich Infektionen und Krankheiten vervielfachten. Dies brachte das Fass zum Überlaufen. Um die Sicherheit aufrecht zu erhalten, hat die Polizei die Kontrolle übernommen. Die Gefangenen waren nicht weiter bereit diese Entwicklung widerstandslos hinzunehmen.
Am 3. Mai fingen die Gefangenen im Knast von Tournai an, die Zellen zu zerstören. Dasselbe passierte in der gleichen Nacht im Gefängnis Huy. Zusätzlich verbrannten die dort Rebellierenden die Matratzen. Schon zu diesem Zeitpunkt schritt dort die Bundespolizei ein, um „die Ordnung wiederherzustellen“.
Am nächsten Tag, dem vierten Mai, wurden im ganzen Knast von Huy, Feuer entfacht. Es wurden die Zellentüren aufgebrochen, Gefängnisinfrastruktur zerstört und ein ganzer Trakt geflutet.
In Nivelles wurden am gleichen Tag auch Zellen zerstört und brennende Gegenstände aus den Zellen geworfen. Außerdem traten 40 Gefangene in einen kollektiven Hungerstreik.
In der Nacht des 4.Mai legten die Insassen von Arle mehrere Feuer, geschützt von den Bundesbullen musste die Feuerwehr zweimal vorfahren, um die Ausbreitung der Feuer zu verhindern.
Im laufe des 5. Mais erreichte der Aufruhr die Haftanstalt Jamioulx. Dort wird das verbliebene Sicherheitspersonal angegriffen und die Zellen eingerissen sowie Feuer gelegt.
Zwei Tage später, am 7. Mai, greift die Revolte auf den flämischsprachigen Teil Belgiens, wo die Wärter nicht streiken, über. Im Knast von Merksplas verweigern 200 Gefangene, nach dem Hofgang, in die Zellen zurückzukehren. Sie leisten erbitterten Widerstand und zerstören alles was sie können. Einige Kämpfende setzen Gefängnispersonal in den nicht zerstörten Zellen fest. Das Resultat des Aufstandes für diesen Tag in Merksplas sind 150 zerstörte Zellen, zerstörte Infrastruktur sowie Mauern und Zäune, eine vorübergehende Flucht eines Gefangenen und Feuer an wichtigen Stellen der Haftanstalt. Erst nach stundenlangen Kämpfen gelingt es überaus starken Polizeikräften, am Morgen des 8. Mai, den Aufstand zu beenden. Über 100 Gefangene werden daraufhin in verschiedene Knäste verlegt. Die in den Knast von Antwerpen Verlegten, beginnen noch in der Nacht des 8. Mai ihren Kampf dort fortzusetzen.
In diesem Zusammenhang wird vom längsten Aufstand in belgischen Gefängnissen gesprochen.
Ebenfalls am 8. Mai breitet sich der Aufstand auf die Gefängnisse von Lantin, Itrre und Andenne aus. Es wurden Brände gelegt, Knastinfrastruktur zerstört, Wärter in Kämpfe verwickelt und so weiter. Dabei skandierten die Kämpfenden immer wieder „Freiheit, Freiheit“. Die Kämpfe setzten sich auch in den darauf folgenden Tagen fort.
Im neu errichteten Gefängnis von Leuze, weigerten sich am 9.Mai die Häftlinge nach dem Hofgang in die Zellen zurückzukehren und verbrachten stattdessen die ganze Nacht unter freiem Himmel, bis am frühen Morgen des nächsten Tages die Polizei die Insassen in die Zellen zurückdrängt.
Nun ebenfalls am 9. Mai entschied die belgische Regierung, das Militär in die Gefängnisse zu entsenden. Laut bürgerlichen Medien gut 180 Soldaten, bewaffnet mit Pfefferspray und Schlagstöcken, sollen eine Mindestversorgung gewährleisten. Die Soldaten werden in den beiden Brüsseler Knästen Forest und Saint-Gilles sowie in den Knast von Lantin stationiert. Die Gefängniswärter entschieden sich zu diesem Zeitpunkt, ihren Streik fortzusetzen.
Die Informationen von den Revoltierenden werden ab nun auch immer spärlicher, da der belgische Staat, jegliche Kommunikation nach draußen verhindert. Dies kommt einer Nachrichtensperre gleich.

Die letzten uns vorliegenden Information sind auch aus diesen Tagen. Ob der Streik der Wärter nun vorbei ist oder das Militär nun wieder aus den Knästen abgezogen sind, wissen wir nicht. Auch wissen wir nicht in welcher Form die Häftlinge ihren Kampf fortführen. Wie oben schon geschrieben, werden wir versuchen dahingehend noch Information nachzuliefern.
Wir möchten noch erwähnen, dass die Revoltierenden auch Unterstützung von GenossInnen außerhalb der Knastmauern erhielten. Leider wie immer nur wenige GenossInnen. In diesem Zusammenhang möchten wir auch noch auf den Kampf unserer belgischen GenossInnen gegen den Neubau eines Hochsicherheits-Gefängnisses in Brüssel hinweisen.

Für eine Gesellschaft ohne Knäste – für die soziale Revolution