Murat Akgül immer noch in akuter Gefahr – Drama um Nürnberger Kurden geht weiter

UnterstützerInnen von Murat

Er ist im Grunde ein Vorzeige-Migrant. Murat Akgül aus Nürnberg lebt seit über 30 Jahren ruhig und friedlich in Deutschland, hat einen festen Job, eine Familie mit Frau plus vier Kinder und sogar eine Eigentumswohnung. Trotzdem wurde er in die Türkei abgeschoben und erlebte eine Katastrophe nach der anderen. Warum? Weil er ein kurdischer Aktivist ist und sich unter anderem im kurdischen Verein Medya Volkshaus engagiert.
Im August 2019 wurde er brutal aus seiner Nürnberger Wohnung geholt und wegen „prokurdischer Aktivitäten“ in die Türkei abgeschoben. Damit war gemeint, dass er an Demonstrationen teilgenommen und dabei auch eine YPG-Fahne getragen haben soll. Der Verfassungsschutz führte seitenlange angebliche „sicherheitsrechtliche Erkenntnisse“ über ihn auf. Bereits 2018 erhielt er eine Anzeige wegen „Verstoßes gegen das Vereinsgesetz“. Diese Anzeige wurde fallengelassen, aber die Polizei informiert in solchen Fällen, wenn es um ausländische Staatsbürger geht, automatisch die Ausländerbehörde und den Staatsschutz. Es folgte das übliche Verfahren bei kurdischen Menschen: Sicherheitsgespräch und Abruf von Informationen des Verfassungsschutzes. Danach hieß es, Murats Teilnahme an pro-kurdischen Demonstrationen und sein Besuch des Medya Volkshauses lasse darauf schließen, dass durch ihn die „Sicherheit der Bundesrepublik“ gefährdet sei. Wohlgemerkt: Die Veranstaltungen, die Murat besucht haben soll und die ihm zur Last gelegt wurden, waren alle angemeldet und legal. Auch das Symbol der Kurdenmiliz YPG ist grundsätzlich in Deutschland nicht verboten. Dementsprechend wurden auch sämtliche Strafverfahren gegen Murat eingestellt. In Ruhe ließ man ihn aber trotzdem nicht. Auch seine Niederlassungserlaubnis und die Tatsache, dass seine Kinder die deutsche Staatsbürgerschaft haben, schützten ihn nicht. Sein Anwalt reichte Beschwerde gegen die drohende Abschiebung ein und glaubte nicht, dass ein Vater deutscher Kinder wirklich abgeschoben würde. Doch noch während die Beschwerde lief, bevor sie entschieden war, zerrten acht Polizisten Murat am frühen Morgen aus dem Bett, verfrachten ihn in einen Transporter und direkt ins Flugzeug nach Istanbul.
So fand er sich im August 2019 plötzlich in den Händen seiner Feinde, des Erdogan-Regimes, wieder. Direkt nach seiner Ankunft wurde er von der Polizei verhört. Doch Murat hatte Glück im Unglück: Die Akten aus Deutschland, die über ihn und seine Aktivitäten „berichten“ sollten, waren noch nicht da. Also erzählte er den türkischen Polizisten irgendeine Geschichte, er sei wegen einer Schlägerei abgeschoben worden. Sie entließen ihn mit der Verwarnung, ihn im Auge zu behalten. Murat als politischer Kurde weiß genau, was das bedeutet: Jahrelang Knast, Folter. Darum tauchte er rasch unter. Es gelang ihm, Schlepper zu finden und sich für viel Geld auf die Rückreise nach Deutschland zu machen. Was folgte waren vier Wochen Alptraum auf der Balkanroute über Bosnien, Kroatien, Slowenien. Murat erlebte die Hölle und überstand den Tod, wie er später sagte. Dann war er endlich wieder zu Hause bei seiner Familie. Sofort stellte er einen Asylantrag.
Doch das Drama ging weiter. In der Aufnahmeeinrichtung Zirndorf landete er prompt wieder in Handschellen. Sein Anwalt erfuhr, dass ein zehn Jahre andauerndes Einreiseverbot verhängt wurde. Murat sollte erneut abgeschoben werden! Man verlegte ihn ins Ankerzentrum nach Donauwörth. Später kam er nach Augsburg in eine Gemeinschaftsunterkunft. Am 28. Oktober 2019 wurde Murat früh morgens dort verhaftet und in Handschellen zur Eröffnung des Haftbefehls ins Amtsgericht Fürth gebracht. Der Vorwurf: Unerlaubte Einreise trotz Aufenthaltsverbot nach Ausweisung. Als Grund für die Untersuchungshaft wurde Fluchtgefahr genannt, weil ihm wegen unerlaubtem Aufenthalt eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren drohe. Konkretisiert wurde der Vorwurf mit angeblicher „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“. Gemeint war die PKK. Nach der Anhörung vor dem Fürther Amtsgericht kam Murat in die JVA Nürnberg in Untersuchungshaft. Der Anwalt legte Haftbeschwerde ein, der Haftgrund „Fluchtgefahr“ war mehr als lächerlich. Murat, der empört war über die Unterstellungen, trat in einen Hungerstreik. Nach der Entlassung aus der U-Haft am 14. November 2019 wurde sein Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Augsburg abgewiesen. Alle Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asyl und auf subsidiären Schutz wurden als unbegründet abgetan und abgelehnt. Abschiebehindernisse lägen nicht vor, so die Behörde. Dies ist ein juristischer Rückschritt in Murats Kampf. Dagegen wurde ein Eilantrag vom Anwalt gestellt. Derzeit befindet sich Murat wieder im Ankerzentrum Augsburg und muss sich regelmäßig bei der Polizei melden.
Er braucht weiterhin dringend Unterstützung. Es darf nicht zugelassen werden, dass Deutschland sich zu Erdogans willigem Helfer macht und dem Despoten hilft, seine Gegner zu verfolgen. Einen politisch aktiven Kurden in die Türkei abzuschieben, ist äußerst boshaft und gefährdet Murats Leben. Sowieso ist bei ihm alles durcheinander geraten und vieles zerstört worden durch die hartherzige Vorgehensweise der bayerischen Behörden gegen einen Mann, der sich keiner Straftat schuldig gemacht hat – außer der, ein Kurde zu sein.