Leserbrief zu „Reformen, Repression und Empowerment“ von Mike, gi 418, 6/18, Oktober 2018 (S. 22 f.)

Leserbrief von Tim

(Wir weisen allerdings darauf hin, dass das Vorwort und das Zitat von Nâzım Hikmet von der Redaktion stammt und nicht von Mike. Red.)

Den Epilog eröffnet Mike mit dem letzten Vers aus dem berühmten Gedicht Davet des aus der Türkei stammenden Kommunisten Nâzım Hikmet. Gegen Ende seines Beitrages moniert Mike dann in der Protestbewegung gegen die Rodung des Hambacher Waldes im rheinischen Revier geknüpfte Kontakte mit Kommunisten. Diese Zweckbündnisse wären gefährlich, denn der Feind seines Feindes machten ihn noch lange nicht zu seinem Freund. „Warum sollte ich mit Leuten kämpfen, die mich verraten werden, sobald ihre Ziele in greifbare Nähe rücken?“ Da werden Genoss_inn_en zu Unterleuten und Verratsvorwürfe orakelt – die rotschwarze Front in weiter Ferne. Da war die revolutionäre Linke nach Machno (in den Ruhrkämpfen) und dem Spanischen Krieg (im Widerstand und nachfolgenden Revolten) aber schon einmal weiter. Zuletzt hatte der marxistische Schriftsteller Dietmar Dath darauf hingewiesen in einer Tagung zu Christian Geissler, wiederum Kommunist, „Ästhetik – Politik – Widerstand“ im Berliner Brechthaus 2016 (Grumbach [Hersg.], Der Radikale, Berlin 2017, S. 222 ff.). Im April 1992 erschien in der libertären Aktion (H. 89/92) Geisslers zweite Flugschrift winterdeutsch (ein Jahr zuvor schon wurde dort „aus den kamalattanischen liedern“ publiziert, Die Aktion, H. 84/85). Im dortigen Editorial heißt es: „Einige alte Weggefährten (Vertraute vom gemeinsamen Kampf unter schwarzer Fahne, ewig und drei Tage schon durch Revolte mit mir verbunden), machten aus ihrer skeptischen Verwunderung kein Geheimnis – Geissler und Die Aktion, wie geht das zusammen? Geht das überhaupt? […] Zwischen uns die Scheidelinie: wer geht mit wem? Zwischen uns turmhoch und grabentief die Frageenge: Mit oder ohne, für oder gegen Moskau; roter Stern auf irdischem Grund oder verkommener bürokratischer Morast?“ Wie das geht, erfährt man dort: wer wir sind, lässt Geissler zunächst wiederum Hikmet erklären (S. 1456 f.). In der dritten Nachschrift wendet Geissler den (sprachlichen) Genickschuss als Fluch kostbarer roter Geschichte „in eine freude, und die heißt so: wo wir aufstehen werden ums freie leben von gleich zu gleich, da wird eines tages auch bitterster kampf sein ums leben; aber keine lieblosigkeit. da werden wir all unsere genauigkeit brauchen und anwenden bestimmt; aber bestimmt nicht ins genick unserer widersprüche.“ (S. 1496) „WIR – das ist auch zuhören. / WIR – das ist eine zu lernende arbeit.“ (nachschrift fünf, S. 1508).

Geissler hätte gesagt: lest das nach, es geht ums leben.