Kundgebungen in aller Welt für inhaftierten Kommunisten – Solidaritätskampagne für Müslüm Elma erfolgreich beendet

Nürnberger UnterstützerInnen von Müslüm

Nach den Freilassungen von neun weiteren Angeklagten, die zusammen mit Müslüm Elma verhaftet worden waren, haben UnterstützerInnen die Bemühungen intensiviert, auch Müslüm aus dem Knast herauszuholen. Unter der Parole „Freiheit für Müslüm Elma“ wurde eine einmonatige Kampagne für ihn durchgeführt. Der kurdisch-türkische Kommunist befindet sich nur wegen seiner revolutionären Gesinnung seit über viereinhalb Jahren in München in Untersuchungshaft. Aufgrund langjähriger Haft und Folter in der Türkei ist seine Gesundheit stark angeschlagen. Deshalb muss er, wie bereits seine neun mittlerweile aus der Untersuchungshaft entlassenen Mitangeklagten, sofort freikommen.
Der Hintergrund: Den zehn Betroffenen wird vorgeworfen, Mitglieder der „Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten“ (TKP/ML) zu sein. Sie sollen das „Auslandskomitee“ der Gruppierung gebildet haben und sind deshalb nach §129 b angeklagt, also „Unterstützung einer ausländischen terroristischen Organisation“. Empörung löst das Verfahren aus, weil die Angeklagten bereits im April 2015 verhaftet wurden und sehr lange in U-Haft verbringen mussten, aber auch, weil sie von einigen Mainstream-Medien als „Terroristen“ verunglimpft wurden. Vor allem aber fällt bei diesem Feldzug der Klassenjustiz eine übergroße Nähe zur Türkei unter Erdogan auf. Die AnwältInnen sind der Meinung, die Bundesrepublik mache sich hier zum Erfüllungsgehilfen Ankaras, indem sie unliebsame Oppositionelle, die nach Deutschland geflohen sind, hier auf türkischen Wunsch verfolge. Dies belegen nach ihrer Einschätzung die vielen Ermittlungsakten, die die türkischen Verfolgungsbehörden ihren deutschen Kollegen zur Verfügung gestellt haben. Und hierzulande wird mit diesen Angaben bedenkenlos gearbeitet. Der §129 b bedeutet konkret, dass Menschen einfach wegen Mitgliedschaft in einer Gruppierung angeklagt werden, die von deutschen PolitikerInnen nach Gutdünken als „terroristisch“ eingestuft wurde. So ist es auch hier: die GenossInnen haben in Deutschland keinerlei strafbare Handlungen begangen. Trotzdem hat der Bundesjustizminister eine so genannte Verfolgungsermächtigung erlassen und sie damit zur Verhaftung freigegeben – aus politischen Beweggründen, weil sie als Linke unliebsam sind. Es handelt sich um das größte Verfahren gegen Kommunisten seit Jahrzehnten, um einen Mammut-Prozess des Gesinnungs-Strafrechts.
Eine besonders hohe Haftstrafe ist für Müslüm Elma zu erwarten, weil die Bundesanwaltschaft ihn als „Rädelsführer“ bezeichnet und zu einer „Führungsfigur“ stilisiert. Daher halten sie ihn auch weiterhin gefangen. Er beklagt Isolationshaftbedingungen.
Mit einer gemeinsamen Erklärung haben die Konföderation der ArbeiterInnen aus der Türkei in Europa (ATIK), die Frauenorganisation „Neue Frau“ (Yeni Kadin) und das internationale Solidaritätskomitee für politische Gefangene (UPOTUDAK) zur Teilnahme an diversen Aktivitäten für die Freilassung von Müslüm Elma aufgerufen. Ziel der Kampagne war, dass endlich auch Müslum freikommt. Los ging es am 4. November mit einer Auftakt-Kundgebung in München vor dem Gericht. Dann folgte am 6. November eine Hashtag-Kampagne, bei der möglichst viele Menschen den Twitter-Hashtag #FreeMüslümElma liken und retweeten sollten. So wurde über Social Media viel Aufmerksamkeit erregt. Über den Hashtag wurden auch Solidaritätserklärungen, Berichte und Informationen veröffentlicht. Erreicht werden konnten die Länder Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, Polen, Niederlande, Frankreich, Belgien, England, Rojava, Türkei, USA, Tunesien und viele mehr.
Weiterer Höhepunkt war der weltweite Tag der „Freiheit für Müslüm Elma“ am 15. November. Es fanden sowohl Kundgebungen in ganz Deutschland statt als auch international in diversen Ländern, es gab Aktivitäten vor deutschen Konsulaten oder Botschaften und auch Presseerklärungen. International trat die Bewegung für Müslüm in Wroclaw (Polen), Wien (Österreich), London (Großbritannien), Brüssel (Belgien), Göteborg (Schweden), Zürich, Basel und Bern (alle Schweiz) an die Öffentlichkeit. Dabei wurden von ATIK vorbereitete Dossiers zu Müslüm Elma den deutschen Konsulaten und Botschaften übergeben. In Deutschland führten seine UnterstützerInnen Kundgebungen durch in Berlin, Duisburg, Frankfurt am Main, Nürnberg, Köln, Stuttgart und Hamburg. Für den 18. November war der Prozessbesuch internationaler Anwältinnen und Anwälte geplant, die in Robe kommen und das Münchner Verfahren kritisch beobachten wollten. Da die Verhandlung jedoch an diesem Tag ausgesetzt wurde, konnten die fachkundigen Gäste leider nicht teilnehmen. Dies wird jedoch nachgeholt. Ein ganz besonderer Tag war dann der 27. November: Vier Freunde und Genossen, die einst in den 1980er Jahren gemeinsam mit Müslüm im Folter-Gefängnis von Diyarbakır (Kurdistan) saßen, besuchten seinen Prozess. Es wurde ein emotionales Wiedersehen, auch wenn sie sich nicht umarmen konnten. Die AnwältInnen übergaben dem Gericht einen offenen Brief von 21 Überlebenden des berüchtigten Knastes. Darin mahnen die Veteranen des Freiheitskampfes: „Wir kennen Müslüm Elma. Wir können bezeugen, was für ein Mensch er ist, dass er unvorstellbarer Folter widerstanden hat…Müslüm Elma wurde, kurz nachdem die türkische Militärjunta am 12. September 1980 die Macht an sich gerissen hatte, verhaftet und schwer gefoltert. … Anschließend haben sie ihn in das Militärgefängnis des Typs E in Diyarbakır verbracht, wo die Folterungen intensiviert fortgesetzt wurden. In diesem Gefängnis wurde er Zeuge, wie sich vier Zellengenossen selbst verbrannten. Er sah sich gezwungen, zum Mittel des Todesfastens zu greifen. Nachdem in der Folge seine Gesundheit stark geschädigt war, wurde er im Jahr 1992 entlassen. … Müslüm Elma wurde im November 1993 … erneut festgenommen… und zu 18 Jahren Haft verurteilt. Die Gefängnismassaker der Jahre 1996 und 2000 wurden vor seinen Augen begangen. Nachdem bei ihm als Folge des Todesfastens das Wernicke-Korsakoff-Syndrom diagnostiziert wurde, wurde er im April 2002 entlassen. Nun war es für ihn schwer, weiter in der Türkei zu leben. Er sah sich gezwungen, die Türkei zu verlassen, und suchte in Deutschland um Asyl nach. Die deutschen Behörden gewährten ihm als politischem Flüchtling Asyl…. Betrachtet man seine Situation im Lichte unserer obigen Erläuterungen, so ist die weitere Inhaftierung Müslüm Elmas allein unter humanitären Gesichtspunkten nicht hinnehmbar. Der türkische Staat hat ihn nicht nur gefoltert, sondern die Militärstaatsanwälte und Richter haben ihm in skandalösen Verfahren schon zu viele Lebensjahre genommen. Es ist ein Wunder, dass er überlebt hat. Einen Menschen, der so viele Jahre unrechtmäßig inhaftiert war, jetzt wieder so lange zu inhaftieren, ist nicht menschlich.“
Den Abschluss der Kampagne bildete die gut besuchte Abschlusskundgebung am 2. Dezember vor dem Gericht in München. Zudem haben viele revolutionäre Organisationen, Einzelpersonen und Politiker Solidaritätsbekundungen abgegeben und Fernsehsender haben Beiträge ausgestrahlt. Ulla Jelpke und Gökay Akbulut, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, forderten in einer Presseerklärung: „Müslüm Elma muss sofort freikommen!“ Sogar in 3350 Meter Höhe wurde eine Solidaritätsaktion durchgeführt. Eine Reisegruppe, die in Nepal unterwegs war, teilte mit, dass sie in den Bergen des Himalajas mit einem Schild in der Landessprache „Freiheit für Müslüm“ gefordert hat.