Kommentar zum Urteil im NSU-Prozess

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen, Magdeburg

Der NSU-Prozess ist nun zu Ende und wir haben einen oberflächlichen Einblick in die Arbeitsweise des tiefen Staates erhalten. Was hier in Deutschland von großen Teilen der Linken als Verschwörungstheorie abgestempelt wurde, zeigte sich als knallharte Realität im ach so „demokratischen“ Kapitalismus. In anderen Ländern hat die revolutionäre Bewegung schon theoretisiert, was sie an der eigenen Haut erfährt. Die herrschende Klasse verlässt ohne moralische Probleme und Skrupel den von ihr selbst erschaffenen Rechtsrahmen, um ihre eigene Macht zu sichern. Sie greift dafür auf ein ekelhaftes Gemisch aus Faschisten, organisierten Mafiastrukturen, Bullen und Militärs zurück welches unter den wachsamen und kontrollierenden Augen der Geheimdienste eingesetzt wird. In der Gesellschaft wird dieses Vorgehen durch die Massenmedien, welche mittlerweile nur noch Propagandainstrumente der Herrschenden sind, versucht im „richtigen“ Licht erscheinen zu lassen. Der Staat hat 7 Jahre nach Bekanntwerden des NSU nun erfolgreich den Schlussstrich gezogen. Mit Hilfe abgestimmter Medienarbeit ist das Thema aus dem Meinungsbild der Bevölkerungsmehrheit schon verschwunden. Es hat kein Verantwortlicher aus den Apparaten den Kopf hinhalten müssen und die Gesetzesveränderungen, welche durch die Diskussionen um das angebliche „Versagen“ der Behörden angestoßen wurden, nutzen nur eben jenen Institutionen, welche die Taten des angeblichen Trios vertuscht, gedeckt und wahrscheinlich auch gelenkt haben. Doch diese Vermutung würde sich nur nach einer schredderfreien Akteneinsicht bestätigen oder verwerfen lassen. Bleibt die Frage, wie die linke Bewegung ihren Schlussstrich ziehen wird. Es sind jetzt ausreichend Fakten in der Öffentlichkeit, die eine genauere Interpretation der Geschichte ermöglichen. Wir sollten den Herrschenden noch misstrauischer gegenüber stehen. Der Fall von Burkart M.[1] ist wahrscheinlich wieder nur die Spitze eines bedrohlichen Eisberges. All jene, die in Polizei und Justiz ein geeignetes Mittel im Kampf gegen die Faschisten gesehen haben, sollten jetzt langsam in der Realität angekommen sein. Die revolutionäre Bewegung muss theoretische, praktische, sowie organisatorische Antworten auf die Fragen finden, welche in den letzten 7 Jahren aufgeworfen wurden. Wir haben gesehen, wie die „Dönermörde“ in der Debatte um angebliche Islamisierung durch Hetzer wie den SPD-Rassisten Sarrazin instrumentalisiert wurden. Ein weiteres Ergebnis ist die Zusammenführung von Polizei und Geheimdiensten in Richtung einer neuen Gestapo, sowie eine massive Ausweitung deren Kompetenzen und Budgets. Aber viele Fragen bleiben noch offen. Nach welchem Muster wurden die Opfer ausgewählt? Gibt es noch unbekannte Opfer? Wie sehen die tatsächlichen Strukturen aus, auf die das NSU-„Trio“ reduziert wurde? Wie sollte die antifaschistische Bewegung mit bewaffneten Nazis im Untergrund und mit Staatsauftrag umgehen, wenn diese von Bullen und Geheimdiensten geschützt, verhätschelt und mit Informationen versorgt werden?

Die in den letzten 7 Jahren ans Licht gekommenen Fakten sind weitere Puzzelteile, welche es uns ermöglichen die Kontinuität der Liebesgeschichte zwischen herrschender Klasse und Faschismus zu analysieren. Seit der Entstehung des Faschismus vor über 100 Jahren bis heute ist es ein durchgehendes Techtelmechtel zum Machterhalt, welches nach dem 2. Weltkrieg im Antikommunismus einen Weg fand kurzzeitig auftretende Beziehungsprobleme zu überwinden. Das Deutschland nur einer der Schauplätze dieser widerlichen Liebelei ist, zeigen uns z.B. die Entwicklungen in der Ukraine. In Zeiten der Krisen im Kapitalismus/Imperialismus setzt die herrschende Klasse in Vorbereitung auf sich zuspitzende Klassenkämpfe international auf die Faschisten.

Solidarität mit allen von Staatsterrorismus Betroffenen und ihren Familien!
Den antifaschistischen Selbstschutz organisieren!

[1] War ein junger Migrant, der in einem Berliner Krankenhaus im Stadtteil Neukölln ermordet wurde.