Kampfansage aus Bayern

Bayerns neue Gesetze und Gesetzentwürfe: Polizeiaufgaben- (PAG) und Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsych-KHG)

psychiatrie-kritische-gruppe bremen

Das neu verabschiedete bayrische Polizeiaufgabengesetz (PAG)

2017 wurden die Befugnisse der bayrischen Bullen schon ausgeweitet. Aus 14-tägiger „Präventivhaft“ für angebliche „Gefährder*innen“ wurde die Möglichkeit, 3 Monate wegzusperren (ohne dass eine Straftat begangen wurde). Einfach nur per Richterbeschluss kann die „Vorbeugehaft“ fortgesetzt werden – theoretisch unbegrenzt. Aufenthaltsgebote und -verbote können seitdem verhängt werden, kontrolliert mit elektronischen Fußfesseln…
Am 25.5.18 trat nun das neue bayrische Polizeiaufgabengesetz (PAG) in Kraft. Mehr als 30.000 Menschen gingen zuvor in München auf die Straße, um die Aufrüstung der bayrischen Bullerei zu einer „Polizeistaats-Armee“ zu verhindern. Das bayrische Bratzenkabinett um Söder, Seehofer und Hermann peitschte das Gesetz ohne Kompromisse durch. Die Ansage war deutlich: „Nun wird der Kampf gegen Kriminelle und Terroristen noch effektiver sein“ (Innenminister Herrmann, CSU). Dass die Brutzelle für einen (weiteren) Angriff des Staates auf die Menschen in Bayern be“heimat“et ist, wundert kaum. Bayerns Polizeirecht war schon immer das“effektivste“/repressivste in Deutschland. Bayern soll Exempel sein. Begründet wird die Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes mit der Notwendigkeit, das PAG an die gerade neu verabschiedete EU-Datenschutzrichtlinien anpassen zu müssen. Somit bleibt zu befürchten, dass das neue bayrische Polizeiaufgabengesetz als bundesweite Vorlage für andere Bundesländer dienen wird, die ebenfalls verpflichtet sind, ihre Bullenaufgabengesetzte zu novellieren (= zu verschärfen).
Das neue Polizeiaufgabengesetz trumpft mit der „drohenden Gefahr“ auf. Ohne „konkreten“ Verdacht (und ohne richterliche Anordnung) können Personen durchsucht, Post beschlagnahmt, Telefone abgehört, auf Computer, Handys, digitale Daten zugegriffen werden. Gesammelte Daten können an Verfassungsschutz und Konsorten weitergegeben werden. V-Personen können eingesetzt werden. 2000 neue Polizist*innen wird es geben, ausgestattet mit Bodycams. Sichergestellte DNA darf auf geografische Herkunft der vermeintlichen Täter*innen ausgewertet und für Täter*innenbeschreibung/profile benutzt werden…
Die Polizei wird aufgerüstet – mit denselben Befugnissen wie andere kriminelle Vereinigungen (Verfassungsschutz, Geheimdienste etc.). Das, was die Polizei noch nicht alleine entscheiden darf, legitimiert die „unabhängige“ Richterschaft. „Kontrolle von Außen“ heißt das dann bei Gesetzesbefürworter*innen. Dass Datenschutzbestimmungen verschärft und gleichzeitig zum Überwachungs-/Sicherheitsstaat aufgerüstet wird, ist der Versuch des Staates ein Stück vom Monopol der Datenauslese zurückzuerobern, den Facebook und andere übernommen haben. Nun soll es nicht mehr ganz so einfach für Firmen etc. sein, auf Daten zugreifen zu können. Die Bullen übernehmen diesen Part, ganz unter dem Motto: „Our bavarian Bullen-Datensammelbehörde getting bigger than Facebook and we have the greatest Gewaltmonopol, we ever dreamed of“ (aus einem Traum Söders entnommen). Dass es den „Heimatsabgeordneten“ und „Koksnasen“ am Ende doch etwas mit der Phantasie durch ging, zeigt sich z.B. am neuen Befugnis, welches den Sondereinsatzkommandos aus Nürnberg und München erlaubt, nicht nur Handgranaten abfeuern zu dürfen, sondern auch Sprengstoffgeschosse aus Schusswaffen. Einer Politik, der es jedoch gelingt, ein Gesetz zu verabschieden, in dem Straftaten unkonkret „gewahrsagt“ werden können und eingegriffen werden darf, bevor etwas passiert, der ist die Idee, dass Sondereinsatzkommandos künftig mit Sprengstoff spielen dürfen, kaum zu verübeln.
Die Politik gibt sich kaum noch Mühe, ihre Aufrüstungsmaßnahmen zum Polizeistaat hinter Behauptungen vermeintlicher Terrorgefahr zu verstecken. Sie benennen in ihren öffentlichen Kaspervorführungen sehr deutlich: „Terrorist*innen“, „Chaot*innen“ und „Extremist*innen“, gegen die vorgegangen werden soll. Für Hermann, Söder und anderen der „Heimats- und Sicherheitsstaatbrigade“ mussten die „Ausschreitungen beim G-20 Gipfel“ immer wieder herhalten, um ihre hetzerische Sicherheitsstaatpropaganda zu bewerben.
Dieser Text soll nicht nach einer Ode auf die Demokratie oder den Rechtsstaat in Deutschland klingen, den es bisher gab und der gerade dekonstruiert wird. Das Gesetz ist kein Anfang, sondern ein weiterer Schritt. Diese Aufrüstungsgesetze aus Bayern haben dabei einen sehr bitteren Beigeschmack, der an die Politik von Putin, Erdogan und anderen diktatorischen Puppenspieler*innen erinnert. Die Grünen haben Klage am Verfassungsgerichtshof gegen das Polizeiaufgabengesetz eingereicht, zahlreiche weitere Klagen an Bundesverfassungsgerichtshof und Bundesverfassungsgericht gegen das ‚PAG‘ sind angekündigt.

Der Gesetzesentwurf des neuen bayrischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (BayPsych-KHG)

Wie ernst es um die Aufrüstungspolitik in Deutschland steht, veranschaulicht auch der Versuch einer weiteren Gesetzesnovellierung. Am 4.4.18 wurde der Gesetzesentwurf des neuen „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes“ (Psych-KHG) für Bayern vorgestellt. Die Aussicht auf Erfolg dieser „blau-weiß karierten“ Novellierung schaut zum Glück noch nicht ganz so rosig aus wie beim Polizeiaufgabengesetz. Dieses diskriminierende Psych-KHG, das dem Inhalt angepasst viel ehrlicher „Unterbringungs-statt-Hilfe-Gesetz“ umbenannt werden müsste. „Forensifizierung“ bedeutet damit nicht mehr „nur“, dass statistisch gesehen, jede vierte psychiatrische Unterbringung in der forensischen Psychiatrie erfolgt und generell mehr vermeintliche Straftäter*innen nach §63 (unbegrenzte Unterbringung) und §64 psychiatrisch verurteilt werden, sondern auch dass sich das neue bayrische Psych-KHG generell am Maßregelvollzug und Strafrecht orientiert. In der Praxis bedeutet dies, dass Besuche von „Patient*innen“ der Psychiatrie eingeschränkt werden, als „krank“ deklarierte Menschen vermehrt überwacht werden dürfen, Kontrollen (auch intime Leibesvisitationen) durchgeführt werden können etc.. Per se wird Menschen mit „psychischen Krankheiten“ eine von ihnen ausgehende Gefahr unterstellt. „Psychisch krank“ = „Gefährder*in“. Die von Minderwertigkeitskomplexen, Sicherheits- und Größenwahn getriebene Politik aus Bayern versucht mit ihrer Gesetzesnovellierung, eine „Gefährder*innen-Datensammelbank“ für psychiatrisch-diagnostierte Menschen zu etablieren. Krankenakten aus der Psychiatrie sollen dem Polizeiapparat gemeldet und fünf Jahre gespeichert werden dürfen. Eine Zentralstelle soll diese Daten sammeln, auf die wiederum Kreisverwaltungen und Landesämter Zugriff hätten. Massive Proteste, u.a. eine Onlinepetition mit mehr als 80.000 Unterschriften gegen ein solches Gesetz, bewirkten, dass von einer Datensammelbank für vermeintlich „psychisch Kranke“ von der CSU (vorerst?) zurückgerudert werden musste.
Die Etablierung eines flächendeckenden Krisendienstes, der ebenfalls neben der Kampfansage gegen als „psychisch-krank“ deklarierte Menschen im neuen bayrischen Psych-KHG-Entwurf festgeschrieben steht, wird damit beworben, dass „Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen durch den „Krisendienst“ möglichst vermieden werden sollen“, „Präventivmaßnahmen“ helfen sollen, bevor es zur „Krise“ kommt“, und „Menschen in psychischen Krisen vermehrt gestärkt und unterstützt werden sollen“, im Sinne der „Entstigmatisierung“. Sich selbst widersprechender kann ein Gesetzesentwurf nicht sein. Vermeidung von Zwang und Unterbringung neben einer Datensammelbank von psychiatrisierten Menschen zu präsentieren. Sowie dem Faktum, dass sich der Psych-KHG-Entwurf am Straf- und Maßregelvollzugsgesetz orientiert. Aus Psychiatrie-kritischer Sicht birgt jede Ausweitung des Apparates einer repressiven Psychiatrie, die neben dem Justizapparat als „Ordnungshüterin“ des Staates fungiert, Gefahr. Auch als ein „flächendeckender Krisendienst“. Statt selbstgewählter Hilfen drohen zwangsverordnete „Therapien“ (in erster Linie schädigende Psychopharmaka), Unterbringungen, rechtliche und geistige Entmündigungen und Verurteilungen als „psychiatrische Gefährder*in“.

Für eine Welt ohne Bullen, Justiz und Psychiatrien.
Passen wir (besser) aufeinander auf.
Polizei- Richterschaft- Psychiatrie- deine Feinde und Henker.

Quellen:
• “Entwurf BayPsychKHG“: stmgp.bayern.de
• “Das neue Polizeirecht in Bayern“ : www.pag.bayern.de
• “Gefährder-Gesetz verschärft“ SüddeutscheZeitung; 19.7.17
• “Widerstand gegen bayrisches Polizeigesetz“, Süddeutsche Zeitung 10.4.18
• “Depressive werden wie Straftäter behandelt: Dieses Gesetz gefährdet Betroffene wie mich“ FocusOnline 17.4.18
• “Katastrophe für psychisch Kranke“, SpiegelOnline 18.4.18
• “Bayern verabschiedet Polizeigesetz“ Sächsische Zeitung 15.5.18
• “Deutschland rüstet auf“ TAZ 19.5.18